"Wir schließen jetzt die Tür. So, es kann losgehen. Ja, es kann losgehen!"
Eine enge Stahlröhre, schlichte Holzbänke, maximal acht Personen finden hier Platz. Drei Bullaugen mit dicken Glasscheiben geben den Blick frei zum leitenden Ingenieur, der von einem Pult aus die Anlage steuert. An der Decke hängen Sauerstoffmasken, im hinteren Teil der Röhre steht eine Liege: "Falls Probleme auftauchen", sagt der Berliner Taucharzt Dr. Lutz Hock, der den 50-Meter-Trockentauchgang begleitet.
"Sobald es anfängt zu zischen, sofort mit dem Druckausgleich beginnen, Sie halten sich die Nase zu. Auf geht's, es kann schneller gehen. Knackt es in beiden Ohren? Kann schneller gehen. Drei Meter. Klappt gut, ja? Kann schneller gehen. Fünf Meter. Keine Schmerzen? Kann schneller gehen. Maximalgeschwindigkeit erreicht."
Die Temperatur in der Kammer steigt sprunghaft, 26 Grad Celsius, 29 Grad. Doch darauf achtet jetzt niemand, in dieser Phase steht der Druckausgleich im Vordergrund: Nase zuhalten, kräftig gegenpressen, Mund weit aufreißen, schlucken.
"Beim Tauchen steigt der Umgebungsdruck, der auf den Körper einwirkt."
Erklärt Dr. Ralf Busch, Ärztlicher Leiter des Druckkammer-Zentrums Köln-Bonn mit Sitz in St. Augustin.
"Das nehmen wir in vielen Fällen kaum wahr, wir haben keine Sensoren für Druckveränderung. Wir nehmen es wahr, weil wir zum Beispiel Druckausgleich im Mittelohr herbeiführen müssen. Die physiologischen Vorgänge in unserem Körper verändern sich aber gleichwohl, weil wir die Gase auch unter den gleichen Umgebungsdruck atmen müssen."
Genau da wird es kritisch. Nach dem Henry-Gesetz steigt das in einer Flüssigkeit gelöste Gas mit dem Druck, der auf die Flüssigkeit einwirkt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht: Wer taucht, erhöht den Druck auf das Atemgas, weil ja das Wasser auf den Taucher lastet. Durch den Druck kann sich mehr von dem Gas – in der Regel Stickstoff – im Blut und im Gewebe anreichern. Solange der Taucher unten bleibt, ist das alles kein Problem. Kritisch wird es, sobald der Taucher aufsteigt. Die gelösten Gase müssen ja den Körper.
"Auf normalem Wege wieder verlassen. Dazu brauchen sie eine gewisse Zeit, Taucher legen dafür zum Beispiel sogenannte Dekompressionsstopps ein, wo der Aufstieg ganz bewusst verzögert wird, um dem Organismus Zeit zu geben, diese Gase auch wieder loszuwerden."
Sonst kommt es zum gefürchteten Sprudelflascheneffekt: Sobald der Druck beim Öffnen der Flasche nachlässt, entweicht schlagartig die im Wasser gelöste Kohlensäure. Vergleichbares passiert, wenn ein Taucher unkontrolliert nach einem längeren Aufenthalt in tieferen Gewässern an die Wasseroberfläche kommt. Das gelöste Gas in seinem Körper perlt aus, Embolien, Hör- und Sehverlust bis hin zum Atemstillstand können die Folge sein.
30 Grad Celsius zeigt mittlerweile die Digitalanzeige, Schweiß fließt in Strömen, angespannte Gesichter. Noch strömt Pressluft in die Stahlröhre, noch drückt dicke Luft auf Ohren und Lunge und zwingt zum Druckausgleich. Und noch etwas fällt auf: Die Stimme verändert sich.
"Das Gas um uns herum ist wesentlich dichter geworden. Damit verändert sich der Klangkörper im Kehlkopfbereich, und wir beginnen so langsam eine Micky-Maus-Sprache zu entwickeln, die auch bei der Atmung von Helium zu bemerken ist."
Trainierte Taucher haben mit den sogenannten Relativbelastungen während des Tauchens kaum Probleme. Voraussetzung ist freilich ein geregelter Wärmehaushalt. Alle Temperaturen – die im Anzug und im Atemgas – müssen auf plus/minus ein Grad Celsius stimmen. Atmet der Taucher kaltes Gas, kann er auskühlen, ohne es selbst zu merken.
"Jetzt sind wir 47 Meter tief, wir haben gleich unsere maximale Tiefe erreicht."
Wer längere Zeit sich in dieser Tiefe aufhält, darf nur kontrolliert aufsteigen. Das heißt, er muss in bestimmten Abständen Stopps einlegen, damit der Körper das gelöste Gas nach und nach verliert. Verletzt er diese Regel, ist eine Dekompressionskrankheit die sichere Folge. Und dafür gibt es nur eine wirklich sichere Therapie. Der Taucher muss sofort wieder abtauchen.
"Wir fahren nicht, wie man das früher gemacht hat, auf die Tiefe des Tauchgangs. In aller Regel liegt der Therapiedruck bei einem schweren Tauchunfall bei maximal 18 Meter, man führt dem Organismus dann Sauerstoff zu und erleichtert damit dem Körper den Stickstoff wieder loszuwerden und somit das Ganze hoffentlich folgenlos zu überstehen."
Weil Patienten beim Tauchen mehr Sauerstoff atmen, als an der Erdoberfläche, haben die Kammern allerdings noch andere Einsatzfelder. Das Stichwort heißt "Hyperbare Sauerstofftherapie": Die höhere Sauerstoffkonzentration im Blut unterstützt die Heilung bestimmter Erkrankungen.
"Schwerpunkt sind zum Beispiel schlecht heilende Wunden beim Diabetiker, wo man einen Sauerstoffdefizit in und um die Wunden herum beheben, möchte, weitere Beispiele sind aus der Notfallmedizin die Kohlenmonoxidvergiftung, der Gasbrand und andere mehr, aber auch zum Beispiel Knochenheilungsstörungen und Knochenentzündungen werden mit Erfolg mit der Hyperbaren Sauerstofftherapie behandelt. Vielfach lassen sich auch akute Innenohrerkrankungen wie zum Beispiel ein Hörsturz oder ein Knalltrauma erfolgreich behandeln."
Die Liste der behandelbaren Leiden ist lang, die Erfolge sehenswert. Trotzdem kommt die Druckkammertherapie immer erst dann zum Einsatz, wenn alle anderen alternativen Behandlungskonzepte ausgeschöpft sind. Den Grund dafür sieht Taucharzt Ralf Busch bei den Krankenkassen.
"Wo wir immer wieder Schwierigkeiten haben, ist, die Hyperbare Sauerstofftherapie zu erklären, auch dem Kostenträger zu erklären, dass sie im Gesamtsystem durchaus wirtschaftlich und notwendig ist. Wenn Sie sich die Folgekosten vorstellen, die es braucht bei einem diabetischen Fußpatienten eine Amputation durchführen, den Patienten anschließend berenten und in seinem Rollstuhl nach Hause zu schicken, wenn Sie das den Kosten einer Hyperbaren Sauerstofftherapie gegenüberstellen, ist es eigentlich lächerlich. Aber Tatsache ist, dass in unserem Gesundheitswesen, Einzelkosten gesehen werden, und dass die Kosten für das Gesamtsystem letztlich nicht dem gegenübergestellt werden."
Mittlerweile zeigt das Display an der Kammerwand 35 Grad Celsius, die Hemden triefen vor Schweiß. Kein Zischen mehr, das den weiteren Abstieg signalisiert: Wir sind unten.
"Wir haben die 50-Meter-Marke erreicht, die Kompression lässt nach, die Temperatur wird auch gleich wieder normal werden."
Fünf Minuten bleiben wir in 50 Metern Tiefe, dann tauchen wir wieder auf. Schlagartig verändert sich die Atmosphäre. Es wird kühl, der Schweiß kondensiert, in der engen Röhre wabert weißer Nebel. Der Blick reicht maximal fünfzig Zentimeter.
Dann drei Minuten reinen Sauerstoff atmen: Er presst das im Blut und im Gewebe gelöste Gas heraus. Der Aufstieg erzeugt ein beruhigendes Gefühl.
"Die Stimme ist wieder normal, es hat sich sicher ganz lustig angehört. In größeren Tiefen allerdings - so ungefähr ab 150 Metern - ist zwischen den Kammerinsassen überhaupt kein Wort mehr zu verstehen. Und die Besatzung außerhalb der Kammer kann die Taucher nur verstehen, indem sie einen Entzerrer benutzen."
Eine enge Stahlröhre, schlichte Holzbänke, maximal acht Personen finden hier Platz. Drei Bullaugen mit dicken Glasscheiben geben den Blick frei zum leitenden Ingenieur, der von einem Pult aus die Anlage steuert. An der Decke hängen Sauerstoffmasken, im hinteren Teil der Röhre steht eine Liege: "Falls Probleme auftauchen", sagt der Berliner Taucharzt Dr. Lutz Hock, der den 50-Meter-Trockentauchgang begleitet.
"Sobald es anfängt zu zischen, sofort mit dem Druckausgleich beginnen, Sie halten sich die Nase zu. Auf geht's, es kann schneller gehen. Knackt es in beiden Ohren? Kann schneller gehen. Drei Meter. Klappt gut, ja? Kann schneller gehen. Fünf Meter. Keine Schmerzen? Kann schneller gehen. Maximalgeschwindigkeit erreicht."
Die Temperatur in der Kammer steigt sprunghaft, 26 Grad Celsius, 29 Grad. Doch darauf achtet jetzt niemand, in dieser Phase steht der Druckausgleich im Vordergrund: Nase zuhalten, kräftig gegenpressen, Mund weit aufreißen, schlucken.
"Beim Tauchen steigt der Umgebungsdruck, der auf den Körper einwirkt."
Erklärt Dr. Ralf Busch, Ärztlicher Leiter des Druckkammer-Zentrums Köln-Bonn mit Sitz in St. Augustin.
"Das nehmen wir in vielen Fällen kaum wahr, wir haben keine Sensoren für Druckveränderung. Wir nehmen es wahr, weil wir zum Beispiel Druckausgleich im Mittelohr herbeiführen müssen. Die physiologischen Vorgänge in unserem Körper verändern sich aber gleichwohl, weil wir die Gase auch unter den gleichen Umgebungsdruck atmen müssen."
Genau da wird es kritisch. Nach dem Henry-Gesetz steigt das in einer Flüssigkeit gelöste Gas mit dem Druck, der auf die Flüssigkeit einwirkt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht: Wer taucht, erhöht den Druck auf das Atemgas, weil ja das Wasser auf den Taucher lastet. Durch den Druck kann sich mehr von dem Gas – in der Regel Stickstoff – im Blut und im Gewebe anreichern. Solange der Taucher unten bleibt, ist das alles kein Problem. Kritisch wird es, sobald der Taucher aufsteigt. Die gelösten Gase müssen ja den Körper.
"Auf normalem Wege wieder verlassen. Dazu brauchen sie eine gewisse Zeit, Taucher legen dafür zum Beispiel sogenannte Dekompressionsstopps ein, wo der Aufstieg ganz bewusst verzögert wird, um dem Organismus Zeit zu geben, diese Gase auch wieder loszuwerden."
Sonst kommt es zum gefürchteten Sprudelflascheneffekt: Sobald der Druck beim Öffnen der Flasche nachlässt, entweicht schlagartig die im Wasser gelöste Kohlensäure. Vergleichbares passiert, wenn ein Taucher unkontrolliert nach einem längeren Aufenthalt in tieferen Gewässern an die Wasseroberfläche kommt. Das gelöste Gas in seinem Körper perlt aus, Embolien, Hör- und Sehverlust bis hin zum Atemstillstand können die Folge sein.
30 Grad Celsius zeigt mittlerweile die Digitalanzeige, Schweiß fließt in Strömen, angespannte Gesichter. Noch strömt Pressluft in die Stahlröhre, noch drückt dicke Luft auf Ohren und Lunge und zwingt zum Druckausgleich. Und noch etwas fällt auf: Die Stimme verändert sich.
"Das Gas um uns herum ist wesentlich dichter geworden. Damit verändert sich der Klangkörper im Kehlkopfbereich, und wir beginnen so langsam eine Micky-Maus-Sprache zu entwickeln, die auch bei der Atmung von Helium zu bemerken ist."
Trainierte Taucher haben mit den sogenannten Relativbelastungen während des Tauchens kaum Probleme. Voraussetzung ist freilich ein geregelter Wärmehaushalt. Alle Temperaturen – die im Anzug und im Atemgas – müssen auf plus/minus ein Grad Celsius stimmen. Atmet der Taucher kaltes Gas, kann er auskühlen, ohne es selbst zu merken.
"Jetzt sind wir 47 Meter tief, wir haben gleich unsere maximale Tiefe erreicht."
Wer längere Zeit sich in dieser Tiefe aufhält, darf nur kontrolliert aufsteigen. Das heißt, er muss in bestimmten Abständen Stopps einlegen, damit der Körper das gelöste Gas nach und nach verliert. Verletzt er diese Regel, ist eine Dekompressionskrankheit die sichere Folge. Und dafür gibt es nur eine wirklich sichere Therapie. Der Taucher muss sofort wieder abtauchen.
"Wir fahren nicht, wie man das früher gemacht hat, auf die Tiefe des Tauchgangs. In aller Regel liegt der Therapiedruck bei einem schweren Tauchunfall bei maximal 18 Meter, man führt dem Organismus dann Sauerstoff zu und erleichtert damit dem Körper den Stickstoff wieder loszuwerden und somit das Ganze hoffentlich folgenlos zu überstehen."
Weil Patienten beim Tauchen mehr Sauerstoff atmen, als an der Erdoberfläche, haben die Kammern allerdings noch andere Einsatzfelder. Das Stichwort heißt "Hyperbare Sauerstofftherapie": Die höhere Sauerstoffkonzentration im Blut unterstützt die Heilung bestimmter Erkrankungen.
"Schwerpunkt sind zum Beispiel schlecht heilende Wunden beim Diabetiker, wo man einen Sauerstoffdefizit in und um die Wunden herum beheben, möchte, weitere Beispiele sind aus der Notfallmedizin die Kohlenmonoxidvergiftung, der Gasbrand und andere mehr, aber auch zum Beispiel Knochenheilungsstörungen und Knochenentzündungen werden mit Erfolg mit der Hyperbaren Sauerstofftherapie behandelt. Vielfach lassen sich auch akute Innenohrerkrankungen wie zum Beispiel ein Hörsturz oder ein Knalltrauma erfolgreich behandeln."
Die Liste der behandelbaren Leiden ist lang, die Erfolge sehenswert. Trotzdem kommt die Druckkammertherapie immer erst dann zum Einsatz, wenn alle anderen alternativen Behandlungskonzepte ausgeschöpft sind. Den Grund dafür sieht Taucharzt Ralf Busch bei den Krankenkassen.
"Wo wir immer wieder Schwierigkeiten haben, ist, die Hyperbare Sauerstofftherapie zu erklären, auch dem Kostenträger zu erklären, dass sie im Gesamtsystem durchaus wirtschaftlich und notwendig ist. Wenn Sie sich die Folgekosten vorstellen, die es braucht bei einem diabetischen Fußpatienten eine Amputation durchführen, den Patienten anschließend berenten und in seinem Rollstuhl nach Hause zu schicken, wenn Sie das den Kosten einer Hyperbaren Sauerstofftherapie gegenüberstellen, ist es eigentlich lächerlich. Aber Tatsache ist, dass in unserem Gesundheitswesen, Einzelkosten gesehen werden, und dass die Kosten für das Gesamtsystem letztlich nicht dem gegenübergestellt werden."
Mittlerweile zeigt das Display an der Kammerwand 35 Grad Celsius, die Hemden triefen vor Schweiß. Kein Zischen mehr, das den weiteren Abstieg signalisiert: Wir sind unten.
"Wir haben die 50-Meter-Marke erreicht, die Kompression lässt nach, die Temperatur wird auch gleich wieder normal werden."
Fünf Minuten bleiben wir in 50 Metern Tiefe, dann tauchen wir wieder auf. Schlagartig verändert sich die Atmosphäre. Es wird kühl, der Schweiß kondensiert, in der engen Röhre wabert weißer Nebel. Der Blick reicht maximal fünfzig Zentimeter.
Dann drei Minuten reinen Sauerstoff atmen: Er presst das im Blut und im Gewebe gelöste Gas heraus. Der Aufstieg erzeugt ein beruhigendes Gefühl.
"Die Stimme ist wieder normal, es hat sich sicher ganz lustig angehört. In größeren Tiefen allerdings - so ungefähr ab 150 Metern - ist zwischen den Kammerinsassen überhaupt kein Wort mehr zu verstehen. Und die Besatzung außerhalb der Kammer kann die Taucher nur verstehen, indem sie einen Entzerrer benutzen."