Ursprünglich als Bühnenshow zum Auftakt des diesjährigen "Salzburger Stiers" geplant, musste auch die politische Radioshow "Zingsheim braucht Gesellschaft" kreativ mit den Anforderungen, die die Corona-Schutzmaßnahmen mit sich bringen, umgehen.
Die Bühne des auch ansonsten menschenleeren Kammermusiksaals im Kölner Deutschlandfunk bespielte der Moderator daher allein mit Schlagzeuger Claus Schulte.
Die Bühne des auch ansonsten menschenleeren Kammermusiksaals im Kölner Deutschlandfunk bespielte der Moderator daher allein mit Schlagzeuger Claus Schulte.
Trotzdem lud Moderator Martin Zingsheim sich Gesellschaft in die Show - jeweils zugeschaltet über Leitungen.
Dieses Mal drehte sich alles um die Grenzen des Humors, das allzu oft kontextfrei zitierte Tucholsky-Zitat "Satire darf alles" unter die Lupe nehmend.
PCCC* – Keine Witze, die verletzen
Denice Bourbon und Josef Jöchl haben in Wien den "Politically Correct Comedy Club", kurz PCCC* – sprich: "pis:sy:sis:sy" - gegründet. Auf Martin Zingsheim Frage nach dem genauen Anliegen des PCCC*, bezeichneten sie den Club als sicheren Raum, in dem gute Witze gemacht werden, die nicht verletzen und schon gar nicht "nach unten treten". Randgruppen und Minderheiten, finden die beiden, würden schon im Alltag, aber auch im Mainstream-Comedy sehr viel Spott erfahren. Im Publikum des PCCC* sitzen daher viele Menschen, die sonst behaupten, dass sie Comedy hassen würden. "Die hassen natürlich eben nicht per se Comedy", stellte Denice Bourbon fest. Es gehe eher um die bevorzugten Ziele eines Humors, der nach unten austeile - und damit, so sind sich Bourbon und Jöchl einig, das Publikum in Vorurteilen noch bestätigt. "Wir wollen eher eine David-, als eine Goliath-Perspektive", erklärte Jöchl. "Wenn ausgeteilt wird, dann allenfalls in Richtung von Stärkeren."
Denice Bourbon ist gebürtige Finnin, in Schweden aufgewachsen und nach Wien ausgewandert, Josef Jöchl ist in Tirol groß geworden. Kennengelernt haben die beiden sich über eine queere Online-Plattform. Schnell stand fest, dass auch die queere Szene einen Ort brauchen kann, an dem gelacht wird. Und das möglichst ohne die Angst, zum Ziel von Spott und Hohn zu werden. Was nicht heißt, dass nur Künstler aus der Queer-Szene auftreten: "Wir hatten auch schon Gäste, die offen als Heteros leben", erzählte Denice Bourbon, "aber dann müssen ihre Witze auch was anderes sein, als das, was wir sonst so hören."
Nicht alle mögen das Konzept des Clubs auf Anhieb. "Wir stellen fest, dass wir oft missverstanden werden", sagte Jöchl. "Dann fallen Begriffe wie Zensur und Leute werden, ohne uns zu kennen, sehr zornig und böse." Und Bourbon ergänzte: "Viele sind schon sehr skeptisch eingestellt, wenn sie nicht zu unserem Stammpublikum gehören. Aber letzten Endes haben wir sie dann doch im Sack."
Trotzdem komme es auch vor, dass man unbeabsichtigt jemandem auf die Füße tritt, räumte die Performance-Künstlerin ein. Darum gibt es im Club auch eine "sensitivity readerin", die vorab die Texte liest und gegebenenfalls vorschlägt, entsprechende Passagen zu streichen. "Kein Witz", findet Bourbon, "ist so wichtig, dass dafür jemand verletzt werden muss".
Moritz Neumeier – Ein Mann erklärt Feminismus
Moritz Neumeier hat Martin Zingsheim aus seinem homeoffice heraus Gesellschaft geleistet - zumindest akustisch. Er würde im PCCC* nicht unbedingt auftreten. "Ich glaube nicht, dass sie mich lassen würden", mutmaßte er Im Interview. "Die sensitivity readerin, würde wohl bei der Hälfte sagen: 'Mach das mal nicht.'" Der Stand Up Comedian ist bekannt dafür, dass seine Auftritte die Grenzen politischer Korrektheit auch schon einmal überschreiten.
"PC zu sein", sagte er, "wird von jedem anders definiert. Ich möchte selbst bestimmen, was ich sage." Trotzdem ist er auch bereit, in dieser Hinsicht Abstriche zu machen. Es gebe zwei Arten von Beschwerden, führte er aus. Solche von Leuten, denen es ums Prinzip gehe und Beschwerden von Betroffenen. Letztere höre er sich an und denke auch darüber nach. "Man muss bereit sein, Witze auch wieder aufzugeben", findet er. "Es ist ja nicht nötig, jemanden zu verletzen, wenn es auch anders geht."
Beim Thema Sexismus und Feminismus bringt der Wahlbremer seine Gesprächspartner oft schon dadurch auf die Palme, dass er sprachlich gendert. Da würden sich viele schon provoziert fühlen.
Durch die Feminismus-Debatte, erzählte er, haben viele Männer Angst, in ihren Grundrechten beschnitten zu werden." Da heißt es: 'Wie rede ich denn überhaupt noch mit Frauen?' Dann schlage ich vor, vielleicht sagst du erst mal ‚Hallo‘ und langst ihr nicht gleich in die Hose." Denn wenn jemand eine so einfache Übung nicht hinbekomme, findet Neumeier, dann fiele es indirekt auch auf ihn zurück, weil ein solches Verhalten ja nun mal bestätige, dass Männer Schweine seien.
Es gebe natürlich auch Frauen, die es eher nerve, wenn ein Mann meint, das Maul aufreißen zu müssen und anderen Männern Feminismus zu erklären. "Aber manche schalten ja sofort ab, wenn Frauen über Feminismus reden", stellte der 32jährige fest. Also dachte er sich, dass vielleicht ja ihm an solchen Stellen eher zugehört würde. "Comedy", resümierte er, " ist dafür da, dass Menschen lachen. Mir reicht das so nicht. Aber es ist schon anspruchsvoll, Menschen zum Lachen und zum Nachdenken zu bringen."
Zum Goldenen Schmied – PC als Kampfbegriff
Im zweiten Teil der Radioshow waren neben Moritz Neumeier auch Fatima Moumouni und Laurin Buser zu Gast, bekannt als Slam Duo "Zum goldenen Schmied". Wie genau es zu diesem Namen kam, können sie auch nicht mehr genau rekonstruieren. Obwohl es passe, da die beiden ja Worte schmieden. Fest stand nur, dass sie, entgegen dem Trend, kein "wackes" Wortspiel wollten, sondern lieber einen neuen Trend setzen. Ursprünglich sollte es sogar nur ein Wort sein - "Shrimp" und Mehl" standen ganz oben auf der Liste.
In ihrem aktuellen Programm "Gold" geht es um Themen, die üblicherweise als politisch korrekt gelabelt sind, wie Sexismus und Rassismus. "Ich bringe ja schon ein breites Portfolio mit", sagte Fatima Moumouni, "Frau, muslimisch, schwarz - da begegnet man schon gewissen Primitivitätsvorstellungen."
Dass die beiden RAP-Poeten als Duo auftreten, bringe aber ein dankbares Szenario mit sich, erzählte Buser, der derzeit in Basel studiert. "Ich sage das, was ich sage, ja als weißer Mann, kann aber den Ball an Fatima zurückspielen."
Im Politically Correct Comedy Club würden sie jederzeit auftreten: "Kein Problem, das würde alles abgesegnet", ist Buser sich sicher. Fatima Moumouni, die aus München kommt und in Zürich lebt, ergänzte: "Ich finde es cool, was sie machen. Ich bin nur nicht unbedingt d'accord mit dem Begriff, der auch zu einem Kampfbegriff geworden ist. Ich würde nicht sagen, dass wir PC Kunst machen. Das klingt so uncool, dass ich mich damit nicht identifizieren kann."
Die Show des Duos ist zwar konzipiert, doch solle sie, so Buser, auch eine Lockerheit haben, die zulasse, dass immer auch neue Elemente einfließen können. Als persönliche eigene Grenze des Humors formuliert Fatima Moumoudi: "Ich will mein Publikum nicht ungewollt beleidigen. Wenn, dann soll es auch so gemeint sein."
Sendedaten:
Deutschlandfunk, "Querköpfe", Mittwoch 21.05 Uhr:
24. Juni: Zingsheim braucht Gesellschaft – Teil 1
01. Juli: Zingsheim braucht Gesellschaft – Teil 2
01. Juli: Zingsheim braucht Gesellschaft – Teil 2
SRF 1:
8. Juli 2020, "Spasspartout", 20.00 Uhr: Zingsheim braucht Gesellschaft – Grenzen des Humors
Bayern 2:
03. Juli 020, 14.05 Uhr
04. Juli 2020, 20.05 Uhr (Wdh.): "Zingsheim braucht Gesellschaft" – Eine Talkshow zum Thema "Grenzen des Humors"
04. Juli 2020, 20.05 Uhr (Wdh.): "Zingsheim braucht Gesellschaft" – Eine Talkshow zum Thema "Grenzen des Humors"