Auch, wenn es in den vergangenen Wochen viel Bewegung im Radsport gegeben hat – ein Termin blieb unverändert. In Paris wurde die Strecke der Tour de France 2024 vorgestellt. "Ich denke, es ist ein schöner Kurs, super hart, vor allem in der dritten Woche. Mir liegt das", bewertete Jonas Vingegaard, der Sieger der letzten beiden Frankreich-Rundfahrten, den Kurs.
Sieben Bergetappen gibt es, zwei Zeitfahren und eine kleine Revolution: Wegen der Olympischen Spiele in Paris endet die Tour nicht mit einer Spazierfahrt auf den Champs-Élysées, sondern mit einem schwierigen Zeitfahren. Vingegaard urteilte: "Es ist neu. Normalerweise ist die Tour schon am vorletzten Tag beendet. Jetzt haben wir einen extra Renntag. Das wird eine schöne Sache. Man muss am letzten Tag ein gutes Zeitfahren machen. Wir werden sehen."
Bisher erfolglose Sponsorensuche bei Vingegaard-Team
Unklar ist momentan allerdings, wie Vingegaards Team heißen wird. Denn der bisherige Hauptsponsor Jumbo zieht sich zurück. Einen neuen Sponsor hat das Team noch nicht gefunden. Beim Weltradsportverband hat man sich unter dem Namen Blanco Pro Cycling Team registriert – ein Platzhalter.
Mehr weiß nicht mal Fahrer Steven Kruijswik: "Ich kann auch nicht mehr sagen. Aber ich bin sicher, wir werden weiter wachsen. Ich weiß nur nicht, welchen Namen wir im nächsten Jahr auf dem Trikot haben. Aber das Team will immer den nächsten Schritt machen und wir versuchen, erneut das beste Team der Welt zu werden."
Roglic-Wechsel zu Bora hansgrohe erregte Aufsehen
Dieser Plan ist aber durch die bisher erfolglose Suche nach neuen Geldgebern in Gefahr. Die Verantwortlichen von Jumbo-Visma hatten deswegen eine Fusion mit Soudal Quick Step angestrebt, dem Erfolgsteam bei Klassikerrennen. Resultat wäre eine Radsport-Supermacht schlechthin gewesen, mit den Siegern der letzten fünf Grand Tours in einem Team.
Diese Gespräche haben aber für Spannungen gesorgt. Giro-Champion Primoz Roglic ist kurzerhand zum deutschen Rennstall Bora hansgrohe gewechselt und peilt dort den Toursieg an. Ein erstes gemeinsames Trainingslager gab es bereits.
"Es war ein sehr gutes Aufeinandertreffen. Primoz hat sich da sehr gut eingebracht und wir haben auch Freizeitaktivitäten gehabt. Wir waren einmal Skifahren, das liegt ihm als ehemaliger Wintersportler. Und einmal waren wir in so einem Freizeitpark mit Klettergarten. Da hat er sich gut geschlagen und ich glaube, dass die Stimmung sehr positiv ist nach seiner Ankunft bei uns“, bilanzierte Teamchef Ralph Denk. Er hat am entschlossensten in der überhitzten Transferphase reagiert.
Vier Grand-Tour-Sieger in vier verschiedenen Teams
Am Ende scheiterte die Fusion der beiden Top-Teams. Deswegen bleibt auch der letztjährige Vuelta-Sieger Remco Evenepoel bei seinem alten Arbeitgeber Soudal Quick Step. Damit winkt der nächsten Tour de France eine sportlich sehr reizvolle Situation: Mit Roglic, Vingegaard, Evenepoel sowie Tadej Pogacar kämpfen vier Grand-Tour-Sieger mit vier verschiedenen Teams um die Krone des Radsports.
Bora-hansgrohe-Teamchef Denk unterstrich: "Also erstmal für den Radsport Fan ist das mega. Und das wird ja auch auf Social Media schon gefeiert, dass es die Mega-Tour wird in 2024. Das wird sicherlich total spannend und ist natürlich super für unseren Sport."
Bora-hansgrohe-Chef plädiert für Limit bei Budgets
Trotz dieses sportlichen Traum-Szenarios bleibt die wirtschaftliche Lage in der Branche aber angespannt. Auch das zeigt die gescheiterte Fusion. Die Jumbo-Manager wollten damit zu finanziell besser aufgestellten Teams wie Ineos Grenadiers aufschließen. Die Briten haben jährlich etwa 50 Millionen Euro zur Verfügung. Jumbo-Visma lag bei 30 Millionen. Die Hatz nach dem Geld wird aber zunehmend kritisch gesehen.
So findet Bora-hansgrohe-Boss Denk: "Die UCI macht meiner Meinung nach einen Fehler. Sie feiert, wenn die Teambudgets wieder steigen. Sie verbinden das mit der Attraktivität des Sports. Aber ist dieses Wachstum der Teambudgets organisch? Eher nicht. Und da muss man einfach meiner Meinung nach einen Riegel vorschieben. Ich bin ganz klar dafür, dass man die Teambudgets limitiert." Bei etwa 30 Millionen Euro solle die Obergrenze liegen, meinte Denk.
World-Tour-Teams bei kleinen Rennen auf Einladungen angewiesen
Auch an einer anderen Stelle gebe es Regulierungsbedarf: bei der UCI-Weltrangliste für Teams. In dieser Punktewertung lag zum Ende der Saison überraschenderweise nicht Jumbo-Visma vorn, sondern UAE Emirates.
Die Punktewertung ist nicht wirklich repräsentativ, das sieht man an dem besten Beispiel: Jumbo gewinnt alle drei großen Rundfahrten, ist aber nur Zweiter. Das Punktesystem ist auch deshalb nicht repräsentativ, weil wir selbst als World-Tour-Mannschaften nicht an jedem Radrennen teilnehmen dürfen, wo wir wollen, sondern wir sind immer auf das Wohlwollen des Veranstalters angewiesen.
Ralph Denk, Teamchef des Radrennstalls Bora hansgrohe
Das betrifft vor allem kleinere Rennen. An denen nehmen oft nur wenige World-Tour-Rennställe teil, damit Platz für kleinere, lokal verankerte Teams ist. Das macht Sinn. Aber World-Tour-Teams, die hier nicht eingeladen werden, können für das Ranking keine Punkte holen – eine Entscheidung mit potentiell weitreichenden Folgen. Denn das Ranking entscheidet auch darüber, ob Teams weiterhin Teil der World Tour, der wichtigsten Rennserie, bleiben können.