Radsport
Krankheitswelle prägt Giro d'Italia

Der Giro d’Italia verwandelt sich mehr und mehr in ein mobiles Lazarett. Viele Fahrer plagen Erkältungen. Einige sind deshalb schon ausgestiegen. Auch dem Gesamtführenden Tadej Pogacar könnte das zum Verhängnis werden.

Von Tom Mustroph | 18.05.2024
Eine Krankheitswelle im Feld führt dazu, dass manche Fahrer schon aus dem Giro ausgeschieden sind.
Das Bild zeigt das Feld beim Giro d'Italia von hinten oben auf einer großen Straße. (IMAGO / LaPresse / IMAGO / Marco Alpozzi / LaPresseMarco A)
Bei 39 Bergen und einer Gesamtlänge von 3.405 Kilometern wie beim aktuellen Giro d’Italia ist Erschöpfung nur eine Herausforderung. Eine Krankheitswelle setzt den Sportlern dieses Mal zusätzlich zu. Der französische Radprofi Romain Bardet etwa übergab sich auf dem Rad während der ersten Etappe in Turin.
„Ihm geht es jetzt jeden Tag besser. Aber das Rennen begann hart für ihn. Jetzt kommt er langsam zu alter Stärke zurück. Und auch ein paar anderer unserer Jungs kommen von der Krankheit zurück. Die Dinge gehen jetzt wieder in die richtige Richtung", sagt Bardets sportlicher Leiter Luke Roberts vom Team DSM-firmenich.
Bardet war sogar schon wieder so gut, dass er um einen Etappensieg mitfuhr. Genesungsprozesse bei den Strapazen einer Grand Tour. Das ist schon speziell.

Magenschmerzen, Fieber und Husten beim Giro

Andere Fahrer haben nicht diese Konstitution, vielleicht auch nicht die enorme Willenskraft, die Bardet, früher schon mal Zweiter der Tour, im Herbst seiner Karriere aufweist. Zahlreiche andere Giro-Teilnehmer aus acht verschiedenen Teams wurden wegen Magenschmerzen, Fieber und permanenten Hustenattacken bereits nach Hause geschickt.
Darunter auch Cian Uijtdebroeks, Klassementfahrer von Visma Lease A Bike, der zu diesem Zeitpunkt das weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers trug. Die Ausfallquote aus diesen Gründen ist aktuell genauso hoch wie die aufgrund von Stürzen. Eine Krankheitswelle geht durchs Feld.
„In der ersten Woche hatten wir die Befürchtung, dass wir den Ruhetag nur mit vier Fahrern erreichen. Jetzt sind wir glücklich, dass die Jungs einfach weitermachten, ihren Energieeinsatz gut managten und im Rennen bleiben konnten. Wir kamen am Ruhetag mit sieben Fahrern an“, sagt Roberts.
Aktuell sind es nur noch sechs. Aber zumindest die größte Zahl der Kranken in seinem Team ist wieder rennfähig.

Krankheitswelle betrifft viele Teams

So geht es auch dem Italiener Damiano Caruso. In den ersten Tagen der Rundfahrt hustete der frühere Giro-Zweite noch Journalisten in der Mixed Zone an. Inzwischen werden seine Worte nicht mehr durch Hustenanfälle unterbrochen.
„Ich muss keine Antibiotika mehr nehmen. Endlich spüre ich, wie mein Körper die Antibiotika, Aspirin und die ganzen anderen ausscheidet. Ich atme besser, kann auch besser schlafen. Die Stimmung wird daher besser und ich hoffe auf eine zweite glücklichere Hälfte des Giro.“
Eine Erklärung für die Krankheitswelle im Feld hat aber auch dieser erfahrene Radprofi nicht: „Das ist wirklich seltsam. Im Feld sind viele Fahrer, die die gleichen Probleme haben wie ich. In meinem Team allein waren es zwei, drei. Aber ich bemerke auch viele andere Fahrer, die husten und denen es nicht gut geht. Zum Glück hatten wir bisher gutes Wetter. Stellt euch nur vor, was bei schlechtem Wetter alles passiert wäre.“

Umweltbedingungen könnten Ursache für Krankheiten sein

Dazu könnte es noch kommen. Ab Sonntag stehen Gipfel jenseits der 2.000 m-Marke an. Temperaturen um den Gefrierpunkt und eiskalter Regen sind angesagt. Der höchste Punkt des Giro 2024 musste wegen Lawinengefahr aus dem Programm genommen werden.  
Das medizinische Personal beim Giro ist von der Krankheitswelle nicht überrascht. Es deckt sich mit Befunden in der Normalbevölkerung, betont Stefano Speroni. Der Dentist kümmert sich in erster Linie im Giro-Konvoi um Zahnerkrankungen – ein Novum übrigens im Straßenradsport. Speroni sieht vor allem die Umweltbedingungen als Ursache der Krankheitswelle:
„Das Wetter ist nicht stabil, das hilft nicht. Der Radprofi im Wettkampf ist Wind ausgesetzt, vor allem aber den klimatischen Veränderungen. Das verstärkt Infektionen der oberen Atemwege. Die Temperaturveränderungen sind dabei das Ärgste. Und dann sind sie auch alle immer beisammen, im Team, im Feld. Du lebst drei Wochen zusammen, und es breitet sich aus und überträgt sich.“

Symptome auch bei Pogacar

Auch Tadej Pogacar, sportlich bislang der Überflieger dieser Rundfahrt, bleibt davon nicht unbeeinflusst. Die Nase ist rot, das Atmen eingeschränkt. Eine Mischung aus Besorgnis und Zweckoptimismus herrscht beim Rennstall UAE mit dem sportlichen Leiter Matxin Fernandez: „Das ist kein wirklich großes Problem. Aber es ist ein kleines, es wird jeden Tag besser.“
Bisher kam Pogacar exzellent durch diesen Giro. Seit Tag 2 im Rosa Trikot, die Rivalen schon fast aussichtslos zurück, dazu drei Etappensiege. Stand jetzt könnte wohl nur noch eine Erkältung Pogacar aufhalten beim ersten Teil des Double-Projekts aus Giro und Tour.
Und auch für Teil 2, die Tour de France im Juli, stehen die Chancen nicht schlecht. Seine wichtigsten Rivalen, in erster Linie Tour de France-Titelverteidiger Jonas Vingegaard, traf es im Baskenland hart. Seriensieger Pogacar, der seinen Rennkalender reduzierte, ist in dieser Saison bislang auch ein Meister im Vermeiden von Problemen und der große Topfavorit.