Voraussichtlich am Samstag, den 1. Juli 2017 werden die rund 200 Radprofis von der Startrampe in Düsseldorf rollen und mit einem kurzen etwa sechs bis acht Kilometer langen Einzelzeitfahren, dem sogenannten Prolog in die drei Wochen Tour de France starten. Zum letzten Mal gastierte die Tour im Jahr 2005 in Deutschland, als Karlsruhe Ziel einer Etappe war. Exakt 30 Jahre sind vergangen, seitdem zum letzten Mal der Startschuss für das Rennen auf deutschem Boden gefallen ist.
Hunderttausende Fans werden zum Start der Tour in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt erwartet. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel sieht darin eine große Chance für die Stadt Düsseldorf. Das "Stadtmarketing, die Sportstadt Düsseldorf und Düsseldorf als Fahrradstadt" würden davon profitieren, sagte Geisel in einer ersten Stellungnahme.
Dafür muss die Stadt viel Geld in die Hand nehmen. Der Etat für den "Grand Départ" beträgt rund elf Millionen Euro, 6,2 Millionen davon wird die Stadt Düsseldorf tragen. Oberbürgermeister Geisel zeigte sich aber zuversichtlich, was die Finanzierung angeht. "In den Vereinbarungen zwischen der Landeshauptstadt Düsseldorf und dem Tour-Veranstalter sind Regelungen vereinbart worden, die attraktive Grand Départ-Sponsoringpakete für die örtliche Wirtschaft ermöglichen", heißt es in einer Stellungnahme.
Wegen der zu erwartenden Kosten war eine Bewerbung Düsseldorfs im Rat der Stadt äußerst umstritten. Anfang November endete eine geheime Abstimmung hauchdünn mit 40:39-Stimmen für die Bewerbung. Grüne und SPD um Oberbürgermeister Geisel hatten sich für das Projekt stark gemacht. Scharfe Kritik gab es dagegen von der CDU.
Effekte für die Wirtschaft in Millionenhöhe
Die Stadt rechnet aber damit, dass die Kosten durch die Einnahmen in Millionenhöhe mehr als gedeckt werden. Ein Gutachten, das vor der Bewerbung erstellt wurde, rechnet mit etwa drei Millionen Euro Einnahmen allein für die Hotels und etwa 57 Millionen Euro im gastronomischen Gewerbe. Der Tour-Tross aus Offiziellen, Fahrern, Teams und Journalisten umfasst etwa 5000 Personen, allein die 22 Teams benötigen etwa 2500 Hotelzimmer. Noch größer ist der Marketingeffekt. In rund 100 Länder wird der Tour-Start übertragen. Bei der Tour de France 2015 waren in den drei Wochen etwa 3,5 Milliarden Zuschauer weltweit an den Fernsehern dabei.
Bereits zwei Tage vor dem eigentlichen Rennen beginnt der "Grand Départ" mit der Teampräsentation, es folgt ein öffentliches Training am Freitag. Höhepunkt wird der eigentliche Rennstart am Samstag mit dem Prolog sein. Auch der Start der ersten langen Etappe sonntags in Düsseldorf erfolgen. Die genaue Streckenführung ist bislang noch nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass in der Altstadt nicht nur am Rhein entlang für sondern auch über die Königsallee führen wird. Details dazu will die ASO am 14. Januar bei einer Pressekonferenz in Paris bekanntgeben.
Rund um das eigentliche Renngeschehen soll es ein umfangreiches Rahmenprogramm geben. Geplant sind ein Kulturprogramm, Jedermann-Radsportveranstaltungen und ein öffentliches Fan-Fest. Dabei sollen auch kritische Themen wie Doping im Leistungssport ihren Platz finden, kündigte Oberbürgermeister Geisel an. Mit dem Tour-Start verbunden hat sich die Landeshauptstadt ambitionierte Ziele zur Förderung des Radfahrens gesetzt. Durch den Ausbau des Radwegenetzes und einer Werbekampagne will die Stadt den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen von derzeit 14 auf 25 Prozent steigern.
"Meilenstein für den deutschen Radsport"
Die Erfolge der sogenannten "neuen deutschen Radsport-Generation" um Tony Martin und Marcel Kittel mit allein 19 Etappensiegen bei den vergangenen drei Ausgaben der Tour sorgen für eine neue Radsport-Begeisterung in Deutschland. Weil sich die Fahrer auch den Kampf für einen sauberen Sport auf die Fahnen geschrieben haben, ist im Sommer 2015 auch die ARD wieder in die Live-Übertragung der Tour eingestiegen. Deutschland ist nicht zuletzt deswegen für den Tour-Veranstalter ASO ein höchst interessanter Markt.
Auf die Entscheidung, den Start 2017 nach Düsseldorf zu vergeben, reagierten die deutschen Fahrer erfreut. "Für mich als Sportler ist das ein Sechser im Lotto. Der Tour-Start seit längerer Zeit mal wieder in Deutschland, und dann auch noch mit einem Zeitfahren, was meine Paradedisziplin ist - besser geht's eigentlich nicht", sagte Radprofi Tony Martin dem ARD-Hörfunk und sprach von einem "Meilenstein für den deutschen Radsport und seine Fans". Sprinter André Greipel sieht im Tourstart in Düsseldorf "eine Super-Chance für den deutschen Radsport" und bezeichnete den Start 2017 als "einmalig" in seiner Karriere.
Weil das eigentlich für den "Grand Départ" 2017 favorisierte London zurückgezogen hatte, war Düsseldorf in den Fokus gerückt. Zweimal zuvor hatte sich die NRW-Landeshauptstadt beworben. 2009 erhielt Monaco den Vorzug, 2010 zog der damalige Oberbürgermeister Dirk Elbers wegen der Dopingskandale im Radsport eine Bewerbung zurück.
Machtkampf im Welt-Radsport
Mit Spannung wird man in Düsseldorf bis dahin den Machtkampf im internationalen Radsport beobachten. Erst vergangene Woche hatte der Tour-Veranstalter ASO angekündigt ab 2017 aus der World Tour des Welt-Radsportverbands UCI auszusteigen. Mit der Tour de France würde damit das wichtigste Rennen der Welt nur noch in der zweiten Liga des Radsports, der "Hors Classe" ausgetragen werden. Das gleiche gilt für die anderen von der ASO organisierten Rennen, darunter die Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix und Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Spanien-Rundfahrt Vuelta. Mit diesem symbolischen Schritt will die ASO gegen das Reformpaket der UCI protestieren. Experten erwarten für das Jahr 2016 einen Machtkampf zwischen dem Weltverband und dem mächtigen Rennveranstalter.
Der "Grand Départ" der Tour ist nicht das einzige Sport-Großereignis für Düsseldorf im Jahr 2017. Auch die Tischtennis-Weltmeisterschaft und die Triathlon-EM werden in der Rheinmetropole ausgerichtet.