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Kommentar zur Doping-Beichte
Ullrichs Geständnis hat mit später Einsicht nichts zu tun

Jan Ullrich ist der einzige Deutsche, der bis jetzt die Tour de France gewonnen hat. Jetzt gesteht er, gedopt zu haben. Aber sein Geständnis beruht nicht auf später Reue, sondern ist schlicht kalkuliert, kommentiert Journalist Steffen Gaa.

Von Steffen Gaa |
Der ehemalige Radprofi Jan Ullrich sitzt nach der Vorstellung seiner Dokumentation "Jan Ullrich - Der Gejagte" im Filmtheater Sendlinger Tor auf der Bühne.
Jan Ullrich, ehemaliger deutscher Radsport-Profi und Sieger der Tour de France 1997, hat Doping gestanden. Das tat er vor der Veröffentlichung einer Dokumentation über ihn. (picture alliance / dpa / Angelika Warmuth)
Jan Ullrich hat den höchsten Berg erklommen. Denn er hat diesen schwierigen, einfachen Satz gesagt: "Ja, ich habe gedopt". 17 Jahre hat es gedauert. Viel zu lange natürlich. Und es war ein quälend langer Anstieg. Immer wieder war er ausgewichen, hatte rumgeeiert und höchstens indirekt, zwischen den Zeilen mal was eingestanden. Handfeste Skandale statt echter Aufklärung – so lief es lange bei Ullrich.
Jetzt aber hat er seine Fahrlinie verlassen. Jetzt kommt dieser direkte, klare, einfache Satz: "Ja, ich habe gedopt". Und mit diesem Satz gibt Ullrich endlich zu, betrogen zu haben. Denn nichts anderes ist Doping. Und Ullrich erklimmt noch einen Berg: Indem er klar sagt, er habe früher nicht die "Eier gehabt", es auszusprechen.

Geständnis von Ullrich: wieder nur Teile der Wahrheit

Ein Bonner Staatsanwalt hatte schon vor Jahren klar gesagt: Jan Ullrich hat gedopt. Und viele seiner alten Kumpels, von Rolf Aldag bis Erik Zabel, hatten schon vor Jahren Doping-Vergehen öffentlich und klar eingestanden. Ullrich aber hatte diese Größe nicht. Und jetzt? Hat er sie jetzt bewiesen? Nein, hat er nicht.
Dieses Ullrich-Geständnis ist nur ein Salami-Geständnis. Denn er sagt mal wieder nicht alles. Er gibt Eigenblut-Doping zu. Das war längst bekannt. 2003 habe er damit angefangen. Mit Doping sei es bei ihm schon 1996 losgegangen. Aber was er da genommen hat? War es das künstliche Hormon EPO? Was viel schlimmer, wohl auch risikoreicher und gefährlicher wäre als Eigenblut – oder was war es?
Ullrich spricht nur von "Substanzen, die nicht zu kontrollieren waren". Was hat er genommen? Wie lief es ab? Wer war dabei? Dazu schweigt er. Und was war mit seinem Tour-Sieg 1997? Den klaren, einfachen Satz: "Bei meinem Tour-Sieg war ich gedopt" – den hört man nicht. Stattdessen sagt er, dass ihm der Titel zusteht. Das ist schon frech. Mutmaßlich gedopt die Tour gewinnen und sich trotzdem als gerechter Sieger fühlen?

Vermutlich hochdotierter Doku-Vertrag als Motivation

Ullrichs Geständnis beruht nicht auf später Einsicht. Es ist kalkuliert. Er wusste immer, dass er Fehler gemacht hat. Früher hatte er offenbar Angst vor Regressforderungen seiner Teams und Sponsoren. Jetzt tingelt er von Interview zu Interview, um eine wahrscheinlich lukrative Doku in einem Bezahl-Streaming-Dienst zu bewerben. Und weil Ullrich eben immer noch zieht, springen alle drauf an.
Doping war immer schon ein Geschäft. Für Sportler, die sich damit Erfolge erkaufen wollen. Für Dealer, die sich den Wunsch nach Sportlerruhm gut bezahlen lassen. Aber auch für Medien. Ullrich und Skandal geht immer.

Ullrichs Schatten liegt bis heute über dem Radsport

Und jetzt redet Ullrich sogar schon von der Rückkehr in den Radsport. Natürlich: Wer Fehler eingesteht, hat im Leben normalerweise eine zweite Chance verdient. Aber bei Ullrich und dem Radsport ist das anders. Da soll er sich raushalten. Denn diesem Sport hat er zu viel geschadet. Weil er gedopt hat, vor allem aber weil er auch nach dem Betrug jahrelang nicht ehrlich war und seine Vergehen jahrelang nicht einräumte.
Junge Fahrer wurden ständig mit Ullrich und Generalverdacht konfrontiert. Bis heute liegt Ullrichs Schatten über dem Radsport. Nach all den Lügen, Drogen und Skandalen sollte Jan Ullrich für sich genießen, dass er seinen höchsten Berg erklommen hat. Den Radsport aber sollte er in Ruhe lassen.