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Radsport
Trainingslager im einstigen Corona-Hotspot Sölden

Von Mitte März bis Mitte April war der Tiroler Skiort Sölden wegen Corona in der Quarantäne. Jetzt wird der Ort zum Basislager für ein 18-tägiges Trainingslager von Radrennprofis wie Peter Sagan und Emanuel Buchmann.

Von Tom Mustroph | 14.06.2020
Die Gegend um Sölden ist beliebter Austragungsort für Radrennen und Trainingslager.
Die Gegend um Sölden ist beliebter Austragungsort für Radrennen und Trainingslager. (imago images / Eibner Europa)
Die Sonne brennt auf die noch Schnee bedeckten Gipfel des Ötztals herunter. Tiroler Fahrradliebhaber rasen die Downhill-Pisten herunter. Und auch die Straßen sind mit Menschen auf Rennrädern gut gefüllt. Mittendrin mehrere Gruppen von Profis von Bora hansgrohe.
"Wir sind, glaube ich, die erste WorldTour-Mannschaft, die geschlossen trainiert. Wir haben hier sehr gute Bedingungen im Ötztal und deshalb haben wir uns entschlossen, so bald es möglich ist, nach der Pandemiepause loszulegen", sagt Ralph Denk, der Manager des Rennstalls.
Quartier hat er in Sölden aufgeschlagen. Der Skiort galt vor wenigen Monaten noch als Pandemiehotspot, stand von Mitte März bis Mitte April unter Quarantäne. Der frühe Schock und die harten Maßnahmen haben aber zu größerer Effektivität bei der Eindämmung des Virus geführt. Davon geht jedenfalls Denk aus.
"Das Tal hier, das Ötztal, hat aktuell null Fälle. Das Hotelpersonal ist getestet. Wir fühlen uns hier sehr sicher. Und ich glaube, dass nichts passiert."
Seine Rennfahrer freuen sich auf das Trainingslager. Emanuel Buchmann, aktuell Deutschlands bester Rundfahrer: "Jetzt bin ich froh, dass es endlich wieder los geht. Die letzte Zeit war ich dreieinhalb Monate zu Hause. Und normalerweise ist man es ja schon gewohnt, dass man immer mit dem Team unterwegs ist, die Leute immer sieht. Und irgendwann fehlt es einem doch. Ich sage mal so: Ein Monat geht gut, aber irgendwann will man die Teamkollegen wieder treffen."
"Gut, dass es wieder los geht"
Auch dem größten Star im Team, dem dreifachen Weltmeister Peter Sagan, geht es so: "Sicher ist es gut, dass es wieder los geht. Und ich glaube, es wird alles positiv. Wir alle haben gestern die Coronatests gemacht, alle mit negativem Erlebnis. Und deshalb können wir ruhig bleiben."
Angesagt sind gleich 18 Tage Trainingslager. Die Rennfahrer wohnen in der Höhe, eine Gruppe auf 2.090 Meter Höhe, die andere auf 1.400 Meter.
"Es ist gut, dass wir in der Höhe sind. In der ersten Woche sollten wir es ruhiger angehen lassen und uns an die Höhe gewöhnen. Danach gibt es die längeren und härteren Trainingseinheiten", lautet Sagans Ausblick auf das Programm. Das klingt nach völlig normalem Trainingslager. Ein paar Änderungen gibt es Corona-bedingt aber doch.
"Wir haben das Team ein bisschen in Gruppen eingeteilt, dass es nicht zu sehr durchgemischt wird. Falls es da doch einmal einen Fall geben sollte, dass nicht alle infiziert sind. Wir sind hier zehn Fahrer insgesamt, und haben das in zwei Fünfergruppen aufgeteilt, die zusammen trainieren, also fünf Leute, die beisammen sind. Und auch beim Essen schauen wir, dass wir ein bisschen getrennt sitzen."
Aufteilung in mehrere Gruppen
In insgesamt fünf Gruppen auf zwei unterschiedlichen Standorten ist das Team aufgeteilt. Jede Kerngruppe hat jeweils eigene Mechaniker und Masseure. So wenig Kontakt wie möglich zwischen den Gruppen lautet die Devise.
"Sollte einer positiv auf Corona getestet werden, dann müssten wir die Gruppe, in der er sich befunden hat, nachtesten, und dann müssen wir eben entscheiden", beschreibt Denk das Szenario im Falle einer Infektion. Durch die Pandemie ist sein Team bislang verhältnismäßig gut gekommen, auch wirtschaftlich.
"Sponsorengelder sind bis dato zu 100% eingegangen. Aber wir haben natürlich auch Federn gelassen, weil Rennen abgesagt worden sind. Man bekommt bei jedem Rennen ein Antrittsgeld. Und kein Rennen, kein Antrittsgeld - und dementsprechend weniger Geld in unseren Teamkassen."
Gehälter hat Denk aber nicht kürzen müssen. Jetzt wagt er Schritt für Schritt die Rückkehr in den Normalbetrieb. "Wir nehmen jetzt mal jedes Radrennen, das wir kriegen können. Ihr könnt es euch sicher vorstellen, dass die Rennfahrer ja scharren. Sie scharren mit den Hufen. Sie wollen endlich Rennen fahren. Die haben ihr Geld bekommen, haben aber außer Training nicht viel gemacht. Und sie fühlen sich dabei auch nicht gut. Und von daher brennt jeder Renfahrer darauf, jetzt loszulegen."
Erstes Rennen Anfang Juli
Das erste Rennen für sein Team wird es schon Anfang Juli geben, also kurz nach dem Trainingslager. Es ist die Sibiu Tour in Rumänien. Das frühe Trainingslager hat auch einen Vorteil im Hinblick auf die ersten großen Rennen im August.
"Weil wir jetzt so früh da sind, können wir noch ein zweites Trainigslager einschieben, bevor es los geht. Das zweite Trainingslager wird dann individueller sein, nicht mehr alle auf einem Platz. Sondern wir werden mit den Bergfahrern irgendwo hingehen, und mit den Sprintern eher, wo es etwas flacher ist. Aber wir können zwei Trainingslager vor dem Neustart abhalten und wir versprechen uns da schon einen Vorteil, ja."
Das Team hat auch Großes vor für die Restsaison. Rundfahrtspezialist Emanuel Buchmann: "Letztes Jahr war ich Vierter bei der Tour. Und man will sich ja jedes Jahr verbessern. Also ist das Podium das Ziel."
Dafür schindet sich seine Bergfahrergruppe bereits jetzt im Ötztal, dem einstigen Corona-Hotspot. Das Trainingslager sorgt zugleich dafür, dass zumindest zwei Hoteliers wieder Einnahmen über 18 Tage haben.