Die Tour de France ist ein Kampf um Gramm, Watt und Sekunden. Nicht nur die Beine entscheiden, sondern auch das Equipment. Wir wollen zunächst vom Branchenführer Team Ineos wissen, was an Neuem für die Tour entwickelt wurde. Carsten Jeppesen, Verantwortlicher für die technischen Innovationen, hält sich erst ein wenig zurück:
"Puh, natürlich wollen wir unsere Geheimnisse noch ein bisschen schützen. Aber wir haben Entwicklungen am Lenker und an der Rennkleidung, das Übliche eben, das wir auf ein neues Niveau bringen wollen."
Bei dem neuen Niveau geht es vor allem um verbesserte aerodynamische Eigenschaften. Bei den Rennanzügen fiel der Vorgängerrennstall Sky vor zwei Jahren bereits mit den Blasenapplikationen auf, die den Luftstrom besonders effektiv ableiteten. Der neue Skinsuit soll noch besser sein, meint Jeppesen. Er sagt:
"Es wird wohl so zwischen fünf bis zehn Watt bringen. Aber auch Sie wissen, man kann damit vielleicht etwas mit einem Fahrer gewinnen. Doch mit einem anderen funktioniert das nicht, weil er die Tasche anders trägt oder den Kopf in den Wind hält."
"Der größte Faktor beim Luftwiderstand ist Mensch"
Der Däne hat einen überraschenden Ansatz für die Materialforschungen im Radsport:
"Wenn du 1.000 Euro auszugeben hast, wo gibst du sie am besten aus? Der größte Faktor beim Luftwiderstand ist der Mensch. Alle reden vom Rad oder den Reifen, aber prozentuell gesehen ist das der kleinere Teil. Deshalb sollte man beim Rennanzug die meiste Energie und das erste Geld reinstecken. Und dann kommt der Helm, und dann erst das Rad."
Jeppesen ist klar, dass das unkonventionell ist: "Ich weiß, die Radindustrie wird mich deswegen wohl umbringen. Aber so würde ich das aufteilen."
Auch andere Rennställe verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz.
"Man darf sich halt nicht nur auf eines fokussieren. Jedes Jahr werden Helme getestet: wie aerodynamisch sind sie? Wie belüftet sind sie? Jedes Jahr werden neue Materialien getestet an den Trikots. Kann man jetzt die Körperkerntemperatur niedriger halten? Was halt echt hilfreich ist. Die Reifen: Man braucht halt Grip, man braucht Rollwiderstand. Das hört eigentlich nie auf", meint Rolf Aldag, Performance Director bei Team Dimension Data.
Selbst an dem auf dem ersten Blick allernebensächlichsten Ausrüstungselement wird geforscht: "Die Socken werden getestet, sind sie jetzt schnell oder nicht schnell im Windkanal?"
Auf Rennfahrer speziell abgestimmte Räder
Eine Einsparung von bis zu fünf Watt bringen laut Aldag schnelle Socken. Aber auch am Rad selbst geht die Entwicklung voran. Die neuen S5 und R5-Modelle von Cervelo, die Team Sunweb bei der Tour einsetzt, sind leichter, schneller, aber auch steifer und deshalb besser zu steuern als die Vorgänger-Modelle, sagt Iwan Spekenbrink, Chef des Sunweb-Rennstalls:
"Cervelo entwickelt mit unseren Ingenieuren zusammen Räder, die ganz speziell auf diese kleine Gruppe von Rennfahrern abgestimmt sind. Das ist der Unterschied zu den meisten anderen Radherstellern. Die entwickeln ein High End-Rad, das dann von den Teams promotet wird. Wir hingegen entwickeln die Räder speziell für unsere Zwecke, und danach werden sie vermarktet."
Team Katusha Alpecin kann sich immerhin über neue Reifen von Ausrüster Continental freuen.
"Der Rollwiderstand ist geringer, das Gewicht ist deutlich geringer. Hundert Gramm auf zwei Reifen, und damit acht bis zwölf Watt Leistungsersparnis, das ist über drei Wochen Tour de France schon eine ganze Menge", meint Erik Zabel. Der einstige Top-Sprinter ist bei Katusha für die technische Entwicklung zuständig.
Kette mit spezieller Substanz beschichtet
Auch Team Sky rüstet natürlich am Rad nach. Eines der interessantesten Features ist die Kette. Sie wird mit einer speziellen Substanz beschichtet.
"Man versucht damit, die Reibung zu reduzieren. Aber es nutzt sich schnell ab. Nach einer bestimmten Zeit verschwindet dieser besondere Belag. Bislang ist es uns nicht gelungen, es so haltbar zu machen, dass es für alle Etappen funktioniert. Und jetzt wird es nur bei den Zeitfahren angewandt", meint Ineos-Technik-Chef Jeppesen.
Sinnvoll ist auch der Einsatz bei kurzen Bergetappen. 6.000 Pfund hat die Entwicklung gekostet. Den Sieg beim Teamzeitfahren hat Ineos dennoch verpasst, trotz der etwa zehn Watt Einsparnis, die die Kette bringen soll. Nicht immer sorgt ein technischer Vorteil automatisch für den Sieg. Es ist dann doch noch Sport, nicht nur Technologie.