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Rätoromanischer Rundfunk
Radio für die Minderheit

Rund 60.000 Schweizer sind Rätoromanen. Vor 60 Jahren starteten erstmals unter dem Dach der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG die ersten Sendungen des Rätoromanischen Rundfunks. Ein Besuch vor Ort in Chur.

Von Alfried Schmitz | 10.05.2014
    Die Schweizer Nationalfahne weht bei strahlendem Sonnenschein nahe dem Eggishorn bei Fiesch (Wallis) in der Schweiz.
    Die Schweizer Nationalfahne weht bei strahlendem Sonnenschein nahe dem Eggishorn bei Fiesch (Wallis) in der Schweiz. (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    "RTR - Radiotelevisiun Svizera Rumantscha - wir widerspiegeln das tägliche Leben der Rätoromaninnen und Rätoromanen in unseren Programmen. Für die Zukunft als Strategie setzen wir voll auf die Neuen Medien, denn gerade die sprachlichen Minderheiten müssen ja immer besser sein als die Mehrheiten. Sie müssen frecher sein, innovativer sein, aufgeschlossen sein, sonst werden sie in eine folkloristische Ecke abgedrängt. Sie verfallen in ein Gefühl des Heimatmuseums. Medien müssen modern sein, zeitgemäß, auch wenn sie für eine kleine Anzahl von Sprechenden produziert werden."
    Mit 25 Millionen Schweizer Franken Jahresbudget finanziert RTR-Direktor Tschuor 24 Stunden Radioprogramm, tägliche Fernsehsendungen und das Online-Angebot. Bei einem Jahresetat von über 1,2 Milliarden Franken für die gesamte SRG ist das eine stolze Summe für eine Sprachenminderheit, die gerade einmal 0,6 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung ausmacht. Zur Diskussion steht die Finanzierung von RTR jedoch nicht. Mariano Tschuor:
    "Wir haben in der Schweiz ein Modell der Gebührenfinanzierung. Der Staat gibt der SRG einen Service-Public-Auftrag, wie wir das in der Schweiz nennen."
    180 festangestellte Mitarbeiter sorgen dafür, dass dieser öffentliche Auftrag erfüllt wird. Radio Rumantsch bemüht sich, es allen Altersgruppen der rätoromanischen Sprachenminderheit recht zu machen. Bei nur einem Hörfunkprogramm ist das oft eine schwierige Gratwanderung. Besonders bei der Musikgestaltung kollidieren die Interessen der Hörer schon einmal zwischen Pop- und Volksmusik.
    Im TV-Bereich bietet RTR eine tägliche Informationssendung, die politischen Magazine und ein Jugend-Magazin. Die TV-Sendungen werden im ersten Programm des Schweizer Fernsehens ausgestrahlt. Mit deutscher Untertitelung, denn man möchte auch nicht-rätoromanischen Zuschauern die Gelegenheit bieten, etwas mehr über die Sprachenminderheit im eigenen Land zu erfahren.
    Keine Konkurrenz befürchtet
    Durch permanente Abwanderung in die Großstädte Bern, Basel oder Zürich verkleinern sich die rein rätoromanischen Gebiete zwar permanent, dennoch macht sich RTR-Direktor Tschuor um Einschalt-Quoten und Konkurrenz keine Sorgen:
    "Bei so einem kleinen Universum sind die Zahlen nicht wichtig. Sie spielen eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist das Zugehörigkeitsgefühl des Publikums zum Sender. RTR ist heute der wichtigste Player in der rätoromanischen Kulturlandschaft. Im rätoromanischen Umfeld gibt es keine Konkurrenz, denn wer würde schon aus kommerziellen Gründen für eine dermaßen kleine Gruppe Radio herstellen."
    Als 1938 92 Prozent der Schweizer für die Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landesprache stimmten, war das eine Protestaktion gegen die kulturelle Gleichschaltung in Deutschland und Italien. Von diesen Diktaturen fühlten sich die Schweizer damals regelrecht in die Zange genommen. Der Ausbau eines Senders für die Rätoromanen und die Eingliederung unter dem Dach der großen SRG vor sechzig Jahren und die damit verbundene finanzielle Sicherung, waren die Konsequenz.
    So klang Radio Rumantsch vor sechzig Jahren. Obwohl man in der Schweiz auch heute auf die Eigenständigkeit und auf den Erhalt der vier Landessprachen achtet, sieht RTR-Direktor Tschuor seinen Hauptauftrag nicht in einer falsch verstandenen Brauchtumspflege des Rätoromanischen:
    "Wir machen zuerst Journalismus. Wenn aus dieser Tätigkeit ein kultureller Impact wird, warum nicht. Aber nicht explizit. Denn wir sind keine Kulturanimatorinnen und Animatoren. Wir sind nicht für das Gedeihen einer Sprache zuständig. Das sind wir alle, das ist auch das Publikum. Aber man soll ein Rundfunkhaus nicht mit der Aufgabe belasten, die andere lösen sollten."