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Rätselhafter Methananstieg

Der Methangehalt in der Atmosphäre stieg schon vor 5000 Jahren. Frühe Viehzucht und Nassreisanbau könnten dazu beigetragen haben. Denn Methan entweicht aus den Mägen von Wiederkäuern und dort, wo pflanzliches Material unter Luftabschluss verrottet. Eine gegenläufige Studie erklärt den damaligen Methanzuwachs nun ohne menschliches Zutun.

Von Volker Mrasek |
    Alle 20.000 Jahre das gleiche Spiel. Bahnparameter und Kreiselbewegung der Erde sind dann jeweils so, dass subtropische nördliche Breiten der Sonne im Sommer so nah sind wie sonst nie. Der Monsun wird in der Folge stärker, Regen überflutet große Landflächen in Asien, und Pflanzenmaterial, das im Wasser verrottet, setzt Methan frei. Am Ende steigt der Gehalt des Treibhausgases in der Erdatmosphäre.

    Dieses immer wiederkehrende Muster haben Paläoklimatologen für die vergangenen 800.000 Jahre rekonstruiert, aus Lufteinschlüssen in Eisbohrkernen aus der Antarktis.

    Schade nur, dass sich Methan nicht mehr daran zu halten scheint ...

    "Seit 5000 Jahren steigt der Gehalt von Methan in der Atmosphäre wieder. Obwohl es nun die Südhalbkugel ist, die der Sonne im Sommer am nahesten ist. Deshalb war die Frage: Zeigt sich hier bereits ein Einfluss früher landwirtschaftlicher Aktivität des Menschen?"

    Joy Singarayer glaubt, diese Frage jetzt mit nein beantworten zu können.

    Die Physikerin von der Universität Bristol in England ist Hauptautorin der neuen Arbeit, die jetzt in der Fachzeitschrift "Nature" erscheint. Es handelt sich um eine Multimodell-Studie. Die Forscher haben gleich mehrere Dinge simuliert: das Klima der letzten 130.000 Jahre; die Entwicklung der Vegetation in dieser Zeit und die Methan-Emissionen in Feuchtgebieten. Ihr Befund am Ende:

    "Der Grund für den Methan-Zuwachs ist die außerordentlich lange Zwischeneiszeit, in der wir uns befinden. Seit 10.000 Jahren ist es ziemlich warm – länger als in früheren solchen Phasen. Es ist noch nicht zu einer Vergletscherung gekommen. Dadurch hat sich die Balance zwischen den regionalen Methan-Quellen verschoben. Auf der Südhalbkugel, die nun stärker sonnenbeschienen ist, bekommen wir in unserem Modell mehr Emissionen aus Feuchtgebieten. Im Norden hält sich die Abnahme derweil in Grenzen. Insgesamt ergibt sich ein leichter Methan-Anstieg schon in vorindustrieller Zeit."

    Glaubt man dem Modell, dann braucht es den Menschen also nicht, um das Methan Rätsel zu lösen. Doch darf man ihm glauben?

    Was sagt der US-Geologe Bill Ruddiman dazu? Er ist es, der die These vom frühen Einfluss des Menschen aufgestellt hat. Nassreis-Anbau und Viehzucht in Asien und Afrika stecken demnach hinter dem prähistorischen Methan-Anstieg. Ruddiman sieht sich durch die neue Studie keineswegs widerlegt. Die Modellergebnisse überzeugen ihn nicht:

    "Aus den Eisbohrkernen haben wir heute Informationen über die sieben letzten Zwischeneiszeiten vor der heutigen. In all diesen Warmzeiten ging die Methan-Konzentration runter, während sie diesmal erst fiel, nun aber seit 5000 Jahren raufgeht. Das bedeutet doch: Runter ist die natürliche Richtung. Und Rauf ist unnatürlich, also anthropogen – vom Menschen verursacht."

    Ruddiman verweist auch auf eine neue Studie von Forschern am University College of London, die noch nicht veröffentlicht ist. Darin zeichnet die Arbeitsgruppe von Dorian Fuller die Geschichte des Nassreis-Anbaus in Asien nach. Auf der Basis von archäologischen Funden, die bis zu 7000 Jahre alt sind ...

    "Die Gesamtfläche und die historischen Methan-Emissionen des Reisanbaus – beides haben die Forscher abgeschätzt. Damit kann man den Methan-Anstieg der letzten 5000 Jahre fast vollständig erklären. Hinzu kommt die Ausbreitung der Viehzucht in Afrika schon vor 7000 Jahren. Sie lieferte weiteres Methan."

    Es sieht also nicht so aus, als wäre der Expertenstreit über die atmosphärische Methan-Anomalie alsbald beigelegt. Frühe Agrar-Emissionen oder eine ungewöhnliche Zwischeneiszeit:

    Die Wahrheit, sagt die Physikerin, liegt vermutlich irgendwo in der Mitte.