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Raffaels Meister

Der umbrische Maler Pietro Perugino war der Lehrer Raffaels. Er war einer der ersten Meister Italiens, der Figuren, Architektur und Landschaft perspektivisch malte. Die Ausstellung präsentiert über vierzig hochkarätige Werke des Meisters und seines Umkreises.

Von Christian Gampert |
    Das Bild, das der eigentliche Anlass für diese Ausstellung ist, zeigt die Marienvision des heiligen Bernhard: rechts sitzt der Heilige an einem Lesepult und blickt versonnen hoch zur offenbar gerade hereingeschwebten Maria, die von zwei Engeln begleitet wird. Neben Bernhard die Apostel Philippus und Bartholomäus, die Namenspatrone der Stifter des Bildes, im Zentrum ein Ausblick in die Tiefe der Landschaft. Die Szene ist so symmetrisch, so ausgewogen-harmonisch konzipiert, dass auch den Betrachter unwillkürlich eine meditative Ruhe ergreift - obgleich der historische heilige Bernhard während der Kreuzzüge ein übler Kriegshetzer war.

    Dieses von Pietro Perugino (also dem, "der aus Perugia stammt") 1490 auf Pappelholz gemalte Altarbild begeisterte den bayerischen König Ludwig I. (oder auch dessen Kunst-Agenten) Anfang des 19. Jahrhunderts derart, dass er es für seine Sammlung kaufte – zusammen mit zwei anderen Perugino-Werken. Ausschlaggebend dafür war - neben der klassisch-harmonischen Komposition - offenbar die Tatsache, dass Perugino als der Lehrer Raffaels gilt, als "Raffaels Meister" – was der Ausstellungs-Kurator Andreas Schumacher aber gar nicht für gesichert hält…

    "Es ist eher davon auszugehen, dass Raffael zu einem Zeitpunkt in Peruginos Werkstatt kommt, als er schon sehr viel Grundkenntnisse in der Malerei hat und dann als eine Art Mitarbeiter oder sogar eigenständiger Meister sich dieser Werkstatt anschließt, sich intensiv mit Peruginos Werken auseinandersetzt."

    Auf alle Fälle ist Perugino jemand, der sich humanistischen Ideen verpflichtet weiß und offen für Novitäten ist. So experimentiert er, neben Leonardo, als einer der ersten mit der aus den Niederlanden importierten Ölmalerei. Und:

    "Er ist jemand, der als einer der ersten Meister in Italien Figur, Architektur und Landschaft harmonisch zu verbinden weiß – in der Perspektive, aber auch in der atmosphärischen oder Landschaftsdarstellung zu verbinden weiß."

    Die Ausstellung präsentiert nun über vierzig hochkarätige Werke des Meisters und seines Umkreises, die aus dem Louvre, aus der Palatina in Florenz, aus der Eremitage, aus Wien oder Perugia entliehen sind, biblische Szenen, Heiligenfiguren, Mariendarstellungen, an denen zum Teil wohl auch Raffael Hand angelegt hat; aber auch weltliche Themen. Bezeichnend für Peruginos Portraitkunst ist das aus den Uffizien kommende "Bildnis des Francesco delle Opere", das 1494 einen wohlhabenden Florentiner Bürger vor einer sich verdunkelnden Ideallandschaft inszeniert: eine Schriftrolle weist den Protagonisten als Anhänger des Bußpredigers Savonarola aus, und die Komposition des Bildes ist offensichtlich an nordalpinen Vorbildern geschult – Perugino muss zumindest Memling gekannt haben.

    Die großartige Schau kann auch eine der beiden überhaupt erhaltenen mythologischen Darstellungen Peruginos zeigen: Die Begegnung des Gottes Apoll und mit dem Flötenspieler Daphnis ist offenbar für einen begüterten Humanisten gemalt, nach antiken Statuen, und auch dieses Bild ist in der Landschaftsdarstellung eher unitalienisch.

    Zusammen mit dem später berühmteren Raffael hat Perugino übrigens Teile der Sixtinischen Kapelle bemalt, bevor er in Florenz – um 1490 - zu einem der begehrtesten Meister aufstieg. Da seine Werkstätten aber stets ähnliche Figuren und Versatzstücke für seine Bilder benutzten, wurde Perugino von dem Historiographen Giorgio Vasari als eine Art Konfektionsmaler geschmäht. Das konnte er weder verstehen noch verzeihen – und zog sich nach Perugia zurück. Aber genau dieser Übergang - von der atmosphärisch dichten, aber noch handwerklich orientierten Malerei Peruginos zu den originalitätssüchtigen Inventionen Raffaels - bezeichnet den Beginn der Hochrenaissance.