Mit seinen 74 Jahren ist Miguel Ángel Aguilar einer der dienstältesten politischen Journalisten Spaniens, der auch mal gerne gegen den Strom schwimmt. Als letzte Woche die Diskussionsrunde im Radiosender Cadena Ser mal wieder um Katalonien kreiste, platzte ihm der Kragen:
"Wie lange sitzen wir schon? 40 Minuten? Und die ganze Zeit sprechen wir nur über Katalonien. Dabei hat gerade der Chef der Polizeieinheit für Wirtschaftskriminalität im Parlament die Volkspartei zu einer Art kriminellen Vereinigung erklärt. Das erscheint mir doch unendlich relevanter. Ich stelle aber wieder einmal fest: Eine gute Nationalfahne überdeckt alles. Es ist eine Schande, dass wir uns nur noch mit Katalonien beschäftigen, während andere das Geld in Schubkarren nach Hause fahren."
"Das ist eine Organisation, die sehr lange funktioniert hat"
Aguilar bezieht sich auf die Aussage des Polizisten Manuel Morocho, Chef der Einheit für Wirtschaftsstraftaten im Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre. Ganz so deutlich, wie der Journalist es interpretiert, äußerte sich Morocho aber nicht, als er den Skandal und das dahinter stehende Firmennetzwerk zusammenfasste:
"Das ist eine Organisation, die sehr lange funktioniert hat. Die sehr weit in unsere öffentliche Verwaltung vorgedrungen ist. Sie hat sich in der Verwaltung wie ein Parasit vermehrt. Dabei hat sie die Möglichkeiten der Politiker, öffentliche Gelder zu verwalten und auszugeben, ausgenutzt. Sie haben sich der Politiker bedient. Es geht also um die reinste Form von Korruption."
Der Beamte steht unter großem politischen Druck und drückt sich darum sehr vorsichtig aus. Siebenmal haben Mitglieder der Volkspartei ihn und seine Kollegen schon verklagt, siebenmal hat die Justiz die Klagen abgewiesen. Und während im spanischen Parlament der Untersuchungsausschuss tagt, stehen noch mehrere Gerichtsurteile in der Parteispendenaffäre aus.
Auch dort wird er als ermittelnder Beamter aussagen. Seinen Erkenntnissen zufolge ist das Geld meist auf Schwarzgeldkonten der Volkspartei geflossen. Über die Politiker der Konservativen, die Geld daraus erhalten haben, sagte er im Parlament:
"Es handelt sich um Personen, die dieser politischen Organisation angehört haben oder in ihrer Struktur ein Amt ausgeübt haben."
Und auf Nachfrage einer Abgeordneten bestätigt er die Namen zahlreicher Spitzenpolitiker der Volkspartei, stets mit dem Zusatz: "Den Indizien zufolge, ja." Dabei fällt auch der Name von Regierungschef Mariano Rajoy.
Regierungschef Rajoy soll in Korruptionsaffäre verwickelt sein
Die Volkspartei unterstreicht, bislang handele es sich um Vorwürfe der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die die Verteidigung vor Gericht ja noch entkräften könne, und warnt davor, im Parlament einen parallelen Prozess zu führen. Carolina Bescansas von Podemos hält den Untersuchungsausschuss hingegen für notwendig:
"Es gibt ja viele unterschiedliche Gerichtsverfahren. Nicht alle Fälle sind gleich. Sie haben zwar die Finanzierung der Volkspartei gemein, haben sich aber in ganz unterschiedlichen Regionen in ganz Spanien ereignet. Die Justiz kann also nicht das gesamte Bild in einem Verfahren darstellen. Das wollen wir im Untersuchungsausschuss erreichen."
Dieses Puzzle ergibt für die linke Abgeordnete das Bild von einem regelrechten Korruptionsverein, den der ehemalige Geschäftsführer der Volkspartei, Luis Bárcenas, organisiert habe:
"Den Aufzeichnungen von Bárcenas zufolge haben an diesem Klub die zehn bis 15 größten Bauunternehmen dieses Landes teilgenommen. Vor Parlamentswahlen versammelte sich der Klub und entschied, welche öffentlichen Baumaßnahmen notwendig und in das Parteiprogramm der Volkspartei aufzunehmen sind. Dies erklärt die vor der Wirtschaftskrise gebauten Flughäfen, auf denen heute keine Flugzeuge landen oder die Pleite der Autobahnbetreiber, die mit Finanzspritzen vom Staat gerettet werden mussten."
Auch die Spanier auf der Straße scheinen sich inzwischen wieder mehr für Korruption zu interessieren. Anrufer beim spanischen Rundfunk beschweren sich schon, das Thema Katalonien dürfe nicht alles andere Wichtige überdecken.