"10, 9, 8 …."
"Das ist ein Nachbau aus den 90er Jahren, sind ein paar Originalteile mit eingebaut worden, aber es ist ein 1:1 Modell, reine äußere Hülle, um zu zeigen, wie das Ding aussah, um das es hier geht".
"3,2,1, all engines running!"
Ohne das Ding, um das es hier geht, wäre die Menschheit vielleicht nicht auf dem Mond gelandet. Die schwarz-weiße Rakete, 14 Meter hoch, steht es unübersehbar vor dem Historisch-Technischen Museum in Peenemünde.
"Das ist das erste Mal, dass ein menschgemachtes Objekt in den Weltall flog, der erste erfolgreiche Testschuss hier hat eine Gipfelhöhe von 84 Kilometern erreicht, auf jeden Fall die erste jemals funktionierende Großrakete der Welt."
Erklärt Philipp Aumann, wissenschaftlicher Leiter des Museums. Wenn man so will – beginnt die Geschichte der Mondlandung in Peenemünde. Sie beginnt mit dem "Aggregat 4". So nennen die Wissenschaftler die "Mutter aller Raketen". Bekannt wird sie unter dem Namen "V2". Ab 1943 wird die "Wunderwaffe", die den Krieg entscheiden soll, in Serie hergestellt. Koste es, was es wolle.
"Wir reden von einigen tausend ausländischen Zivil-Arbeitern, einigen wenigen hundert Kriegsgefangenen und ungefähr 2000 KZ-Häftlingen hier in Peenemünde. Spätestens ab da reden wir von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
Wernher von Braun und die Nazis
Die ständige Ausstellung im alten Kraftwerk in Peenemünde erzählt von der Leidensgeschichte der Häftlinge. Und sie erzählt vom "Spiritus Rector" der Wunder-Rakete: Wernher von Braun. Seit 1937 ist er Technischer Direktor der neu gegründeten Heeresversuchsanstalt. Ein junger, ehrgeiziger Wissenschaftler. Schon als Kind bastelt er Feuerwerks-Raketen und schießt sie im Berliner Tiergarten ab. Er will hoch hinaus. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er will ins Weltall. Und schließt dafür wie Goethes Faust einen Pakt mit dem Teufel: Die Nazis finanzieren seinen Traum - und sein Team. Auf 25 Quadratkilometern - rund um das kleine Fischerdörfchen Peenemünde - entsteht eine der modernsten Laborlandschaften der damaligen Welt. Ihr Herzstück: Der legendäre Prüfstand VII.
"Wir fahren jetzt einmal quer über die Insel, an sich durch die historische Landschaft und dann bis ganz an die Nordspitze der Insel, und das ist dann dieser Prüfstand Nummer VII, von dem aus die Raketen abgeschossen wurden".
Das Testgelände für die "V2"-Raketen ist heute Naturschutzgebiet, unzugänglich für die Öffentlichkeit. Museumsleiter Philipp Aumann steuert seinen Wagen durch eine Dschungellandschaft. Rechts und links umgestürzte Bäume, Riesenfarne neben überwucherten Bahngleisen. Fast alle 700 Gebäude der alten Versuchsanstalt sind zerstört. Die Baracken der NVA, die das Gelände bis zur Wende nutzte, sind vom Moos zugedeckt. Ab und an ragt ein Mauerrest aus dem dichten Grün. An einer Lichtung stoppt Philipp Aumann.
"Das ist die große Werkstatt, in der die Raketen aufgerichtet wurden, komplett zusammenbaut wurden und dann vorbereitet wurden zum Abschuss, Sie sehen, was davon übrig blieb, also nur noch ein Berg von Gerümpel."
Im einstigen Abkühlbecken für die Triebwerke blühen heute Seerosen. Nur noch ein paar Meter bis zur Abschussstelle. Am 3. Oktober 1942 schließlich ist Wernher von Braun am Ziel. Besser, die "V2" in der Luft. 84 Kilometer hoch. Im Weltall.
"So, und hier ist die Startstelle! Erkennt man daran, das wir jetzt auf einem gepflastertem Rund, mit Granitkopfsteinpflaster stehen. Beton würde reißen bei dieser enormen Hitze, die beim Start entsteht".
Mit 650.000 PS hebt die V2 ab in den Himmel. - Philipp Aumann blickt in die Luft. Es ist still.
"Es wächst hier an sich seit 75 Jahren zu, und man sieht schon, wie schnell das menschliche Wollen im Wald verschwindet."
Heute steht ein kleiner Gedenkstein auf der kreisrunden Abschussstelle, gut versteckt zwischen hohen Bäumen. Im Sperrgebiet, wie einst. Ein Manko - finden viele Besucher des Museums, die den Prüfstand gern besichtigen würden. Der Ort hat eine magische Anziehungskraft.
"Dieses so Kontroverse, auf der einen Seite die Entwicklung von modernster Technologie und zweitens natürlich auch das Missbrauchen der Nazi-Ideologie. Ich habe von Braun persönlich erlebt in den USA, aber dort verehrt man ihn und wenn man die 'Saturn 5'-Rakete sieht und sich auch erinnert an die erste Mondlandung, das hat hier gestartet!"
Der "Missile-Man" und seine Nachkriegs-Verklärung
Schon im September 1945 fliegt der ehemalige SS-Sturmbannführer Wernher von Braun in die USA, im Gepäck sein Wissen um die "V2". Sein Wissen um den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen wird in dieser Zeit keine Rolle spielen. Zu wichtig ist der "Missile-Man" für den Aufbruch zum Mond.
"Er war ein sehr charismatischer Typ, und das war an sich dann der Ausgangspunkt für seine Nachkriegs-Verklärung."
Wernher von Brauns größter Erfolg nach dem Krieg allerdings ist die "Saturn 5"- Träger-Rakete, die am 21. Juli 1969 zum ersten Mal drei Menschen zum Mond schießt.
"Ganz klar sind Kontinuitäten da! Es sind Dinge, die in Peenemünde erfunden wurden, die weiter genutzt worden sind, auch in der US-Raketen-Technik und es sind natürlich eben diese Ingenieure, das sind so um die 200, die in die USA gingen und dort nahtlos weiter arbeiteten, und die natürlich darüber natürlich eine klare nachvollziehbare Kontinuität schufen".
"Lift-off, we have a lift-off. Lift-off Apollo 11!"