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Ramadan ohne Fasten
Essen mit Angst

Nicht alle Muslime fasten. "Ich glaube da schon lange nicht mehr dran", sagt zum Beispiel Saynur Özdemir aus Duisburg. Andere machen gesundheitliche Gründe geltend. Doch es fällt schwer, offen darüber zu sprechen.

Von Kadriye Acar |
    Es gibt viele Gründe dafür, auch als gläubiger Muslim nicht zu fasten, doch der soziale Druck ist oft hoch
    Es gibt viele Gründe dafür, auch als gläubiger Muslim nicht zu fasten, doch der soziale Druck ist oft hoch (picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Ende Mai in Mudanya, einem kleinen beschaulichen Ort in der Nordosttürkei. Die Fastenzeit hat gerade angefangen, die Nerven liegen blank.
    In einem Restaurant werden ein Vater und sein Sohn von vier Männern angegriffen, weil sie essen. Dass sie Reisende sind und damit den islamischen Regeln zufolge nicht zu fasten brauchen, interessiert die Angreifer nicht.
    Bursa, vor ein paar Tagen. Eine alevitische Mutter möchte ihrem Sohn ein Eis kaufen. Dies lehnt der Verkäufer mit dem Hinweis auf die Fastenzeit ab. Auf dem Heimweg wird die Familie hinterrücks angegriffen.
    "Sie haben mit Eisenstangen auf uns eingeschlagen. Für eine Sache, die es nicht der Rede wert ist. Das ist barbarisch, das sind Wilde. Mein Mann ringt jetzt mit dem Tode."
    Angst vor sozialer Ausgrenzung
    Duisburg. Saynur Özdemir hat gerade ihre Schicht beendet. Die junge Frau arbeitet im Rettungsdienst. Bevor sie nach Hause geht, um sich hinzulegen, will sie ein paar Erledigungen machen. Die erste Station führt zu ihrer Schneiderin, einer 60-jährigen Frau, die, wie Saynur, auch nicht fastet - aber Angst hat, darüber zu sprechen.
    "Ich faste nicht - bitte, ich will nicht darüber sprechen."
    Die Schneiderin hat Angst, dass die Kunden sie erkennen und nicht mehr zu ihr kommen. Auch in der Döner-Bude nebenan, wo Saynur schnell was zum Mittag essen möchte, das gleiche Spiel. Der Besitzer fastet nicht, will aber nicht darüber reden. Im Gehen sagt er noch: "Es laufen so viele Spinner rum, man weiß ja nie."
    Saynur Özdemir hat diese Reaktionen nicht erwartet, hat aber Verständnis dafür. Sie sagt:
    "Wenn es Geschäftsleute sind, sind definitiv in erster Linie der Schaden und der Nutzen abzuwägen. Und ich glaube, da ist es wichtig, dass sie dem Geschäft und sich selbst und ihrer Brieftasche nicht schaden wollen."
    Die 45-Jährige ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie stammt aus einer religiösen Familie. Die Eltern waren schon zweimal in Mekka. Selbstverständlich wird auch die Fastenzeit eingehalten. Früher hat Saynur auch gefastet. Seit rund zehn Jahren macht sie das nicht mehr.
    "Dann kamen einige Krankheiten dazu, die mich dazu gebracht haben, das Ganze zu überdenken. Dann habe ich aufgehört mit dem Fasten. Im späteren Verlauf habe ich angefangen, alles zu hinterfragen. Für mich ist es nicht vernünftig, ich glaube da schon lange nicht dran. Es ist Unsinn, ein kleines Kind 18 bis 20 Stunden lang verdursten zu lassen. Für mich ist das Dursthaben. Schon alleine aus der medizinischen Sicht finde ich das nicht vertretbar.
    Obwohl ich nicht faste, weiß ich ganz genau, was es heißt zu hungern. Ich bin ein sehr empathischer Mensch und kann mich auch so in einen hineinversetzen, und dass ich meine, aus meiner Überzeugung das Richtige zu tun und zu lassen, das kann ich auch. Dafür brauche ich den Islam nicht, dafür brauche ich nicht zu fasten."
    "Ich kann damit leben"
    Auch ihre jüngere Schwester Ayse, mit der sie im Café verabredet ist, fastet aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Obwohl auch sie in Deutschland auf die Schule gegangen ist, kann sie sich daran erinnern, dass Mitschüler, die nicht gefastet haben, gemobbt wurden.
    "Als Teenager habe ich so eine Situation gehabt, wo es so war, dass ich selbst noch gefastet habe, und in meinem Umfeld einige nicht gefastet haben. Diese wurden dann auch teilweise von - nach ihrer eigenen Meinung - gläubigeren Teenagern angegriffen. Die wurden dann wirklich diskriminiert bei Unternehmungen oder sonstiges."
    Die Eltern der beiden jungen Frauen haben sich daran gewöhnt, dass die Töchter nicht fasten, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich als eine gute Muslimin zu erweisen.
    Saynur Özdemir: "Es gab anfangs ein paar Diskussionen und Knackpunkte, wo man bisschen aneinandergerät, aber Ärger definitiv nicht."
    Ayse Özdemir: "Ich kann das nicht nachvollziehen, wie eine Person entscheiden möchte, dass ein anderer fastet oder nicht. Und darüber auch noch urteilen kann. Denn das gibt unsere Religion definitiv vor, dass niemand über einen anderen zu urteilen hat."
    Saynur Özdemir: "Ich nehme das etwas ironischer auf. Mir wird dann vorgeworfen, dass ich dann eventuell in der Hölle lande. Wenn die Herren doch so ein tolles Leben im Himmel haben, möchte ich gern ein belebendes in der Hölle haben. Ich kann damit leben."