Peter Ramsauer habe "wie jeder Kollege das Recht, sich zu äußern," von dessen Vorschlägen halte er jedoch nicht allzu viel, sagte Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, im DLF. Man sei auf dem richtigen Weg, mit Entlastungen der Wirtschaft zu helfen, zusätzliche Belastungen wolle er vermeiden.
Möglichkeiten für Sparmaßnahmen der Koalition sieht er indes bei der Rentenversicherung, so würde eine Senkung des Rentenversicherungsbeitrags um 0,5 bis 0,6 Punkte eine Entlastung von Arbeitnehmern und Unternehmen bringen.
Fuchs schlägt vor, pauschal ein Prozent von jedem Ministeriums-Etat einzusparen und für Infrastrukturmaßnahmen zu verwenden. Beim Arbeitsministerium seien angesichts gesunkener Arbeitslosigkeit "riesige Programme für Arbeitslose" infrage zu stellen.
Fuchs stehe zum Koalitionsvertrag, "alles, was darin steht, machen wir, aber nichts darüber hinaus." Für die Koalition sei klar, dass es keine Neuverschuldung geben werde.
Das vollständige Interview
Bettina Klein: In einem einzigen Interview hat Peter Ramsauer von der CSU bei uns im Deutschlandfunk gleich mehrere in der Koalition vereinbarte Projekte zur Disposition gestellt beziehungsweise gefordert, sie möglicherweise für einige Jahre auszusetzen. Immerhin nicht irgendein Politiker der Koalition, sondern der Vorsitzende vom Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie.
O-Ton Peter Ramsauer: "Das Aufschieben oder Aussetzen des Mindestlohns, der Rente mit 63, und wir bräuchten nur die Wirtschaftssanktionen etwa gegenüber Iran oder Russland aufheben, wir bräuchten nur die Luftverkehrssteuer abschaffen. Das sind alles Dinge, die die Wirtschaft richtig anschieben würden."
Klein: Vonseiten der SPD wird das heruntergespielt. Das sei nur eine Einzelmeinung, wenige Stunden später der SPD-Politiker Hubertus Heil bei uns im Deutschlandfunk.
O-Ton Hubertus Heil: "Ich glaube, dass auffällig ist, dass Peter Ramsauer Forderungen stellt, mit denen er öffentlich mal wieder vorkommt. Aber mit einer ernsthaften Diskussion hat das nichts zu tun."
Klein: Soweit in der Reaktion Hubertus Heil. - Und am Telefon ist Michael Fuchs (CDU). Er ist stellvertretender Vorsitzender der gemeinsamen Fraktion von CSU und CDU im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Fuchs.
Michael Fuchs: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Wie viel Gewicht hat denn nun das Wort Ihres Fraktionskollegen Ramsauer?
Fuchs: Jeder Kollege hat das Recht, sich zu äußern, und jeder hat auch das Recht, was auch immer er für richtig hält den Medien gegenüber zu vertreten. Ich halte von diesen Vorschlägen nicht allzu viel. Wir haben einen Vertrag mit der SPD, wir haben einen Koalitionsvertrag, den haben wir einzuhalten, und das ist auch die Linie, die die Fraktionsführung weiter durchführen und durchhalten wird.
Klein: Das heißt, keiner der Vorschläge, die von Herrn Ramsauer gestern kamen, wird in irgendeiner Form Realität werden?
Fuchs: Ich denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind, der Wirtschaft zu helfen. Es kann jetzt keine zusätzlichen Belastungen mehr geben, da sind wir uns alle einig, und wir wollen auch nicht, dass zusätzliche Belastungen kommen. Im Gegenteil! Wir müssen darüber nachdenken, wo wir die Wirtschaft entlasten können, und das so schnell wie möglich. Die Situation ist ja nicht so sehr der Lage in Deutschland geschuldet, sondern dem internationalen Bereich. Wir haben eine Krise in der Ukraine, die durchschlägt auf die deutsche Wirtschaft, wir haben eine erhebliche Problematik mit Russland. Die Sanktionen haben sie angesprochen, die sind ein schwieriges Thema. Aber die zurückzuführen, halte ich für so gut wie unmöglich. Völkerrecht ist wichtiger, als der Wirtschaft zu helfen, hat der BDI-Präsident Grillo selbst gesagt. Man muss ihm dafür dankbar sein, dass er das so deutlich gemacht hat. Also ich sehe nicht, dass wir da wirklich Veränderungen machen könnten, die der Wirtschaft helfen.
Klein: Herr Fuchs, um da noch mal kurz nachzufragen, um noch mal kurz dabei zu bleiben. Wir können gleich über die Zukunft sprechen. Aber wenn der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum Beispiel davon spricht, dass die Sanktionen gegen Iran und Russland doch zurückgenommen werden sollten mit Rücksichtnahme auf die Wirtschaft, damit liegt er ja nicht mehr auf Koalitionslinie. Wie hilfreich sind denn solche Äußerungen?
"Jeder hat das Recht, Vorschläge zu machen"
Fuchs: Das ist meiner Meinung nach völlig berechtigt, dass jeder das Recht hat, Vorschläge zu machen. Aber das heißt ja nicht unbedingt, dass diese Vorschläge so umgesetzt werden. Ich finde das in Ordnung, dass wir eine Debatte darüber führen, was denn jetzt gemacht werden kann, um der Wirtschaft zu helfen. Aber meiner Meinung nach ist, gerade was Iran und Russland angeht, keine Möglichkeit da, jetzt Veränderungen zu schaffen. Im Gegenteil! Wir müssen dafür sorgen, dass so schnell wie möglich die Krise in diesen Ländern beseitigt wird. Dann kann man die Sanktionen aufheben, aber vorher nicht.
Klein: Und wir halten auch noch mal fest: Rente mit 63 kommt wie beschlossen, am Mindestlohn wird ebenfalls nicht gerüttelt. Das war eigentlich auch mehr oder weniger ein Strohfeuer?
Fuchs: ..., der ja auch nicht jetzt kommt, sondern in der vollen Wirkungsbreite erst im Jahre 2017. Das sollte man dazu wissen.
Klein: Sicherlich. Aber beschlossen worden ist es ja in der gemeinsamen Koalition mit der SPD. - Herr Fuchs, wir sprechen ja über all diese Vorschläge, die ja auch von verschiedenen Seiten, teilweise auch aus Ihrer Fraktion gekommen sind mit Blick auf die gesunkenen Wirtschaftsaussichten hier in Deutschland. Sie haben gesagt, weitere Belastungen der Wirtschaft dürften nicht mehr kommen. Welche konkreten Maßnahmen plant denn die Koalition jetzt, um die Wirtschaft zu entlasten?
Fuchs: Ich habe selbst den Vorschlag gemacht, dass wir bei der Rentenversicherung den Spielraum, den wir jetzt haben, ausnutzen. Die Kassen sind Gott sei Dank voll. Trotz der Maßnahme, die wir ergriffen haben, sind sie voll. Wir haben rund 38 Milliarden Reserve in der Rentenkasse. Das würde uns ermöglichen, dass wir den Rentenversicherungsbeitrag um, ich würde mal sagen, 0,5 bis 0,6 Punkte senken können. Das ist eine Entlastung von rund fünf oder sechs Milliarden Euro für Arbeitnehmer und Unternehmen, ganz sicher ein kleiner Schub. Man kann aber auch was vollkommen anderes mal denken, und das ist sicherlich nicht verboten, darüber nachzudenken, ob es nicht möglich ist, bei einem Etat von über 300 Milliarden Euro in jedem Ministerium zu verlangen, dass ein Prozent eingespart wird. Ein Prozent einsparen würde bedeuten, dass wir am Ende des Tages über drei Milliarden zur Verfügung haben, zusätzlich zur Verfügung haben für investive Maßnahmen. (Anmerkung der Redaktion: Im Interview spricht Herr Fuchs von "einer Milliarde pro Ministerium". Gemeint war "ein Prozent", so wie er es auch an anderer Stelle dieses Interviews sagt.)
Klein: Herr Fuchs, haben Sie darüber schon mit Ihren Kollegen gesprochen?
Fuchs: Ja natürlich! Sonst würde ich es nicht so deutlich sagen.
Klein: Wie groß ist die Bereitschaft bei den Ministerien, jeweils eine Milliarde abzugeben?
Unbeliebte Etatkürzungen
Fuchs: Ich habe noch nie ein Ministerium erlebt, was Etatkürzungen liebt. Das ist vollkommen klar. Aber es muss möglich sein, ein Prozent einzusparen. Das kann jeder Haushalt. Die berühmte schwäbische Hausfrau kriegt das sofort hin. Die kann sicherlich mehr als ein Prozent einsparen, wenn es notwendig ist. In dem Fall würde ich dieses eine Prozent dann sofort in Infrastrukturmaßnahmen hineinstecken. Jeder von uns weiß, welche Probleme wir mit den Straßen haben, und jeder von uns weiß auch, wie schwierig es mit dem Breitbandausbau ist. Das wären Maßnahmen, die würden der deutschen Wirtschaft sofort helfen. Wir werden sicherlich in der nächsten Zeit darüber diskutieren müssen.
Klein: Geben Sie uns ein Beispiel: Welches Ministerium kann etwas einsparen an welcher Stelle? Einmal ein Beispiel, damit wir uns das vorstellen können.
Fuchs: Ich nenne mal das Arbeitsministerium. Im Arbeitsministerium gibt es eine riesige Menge an Programmen für die Arbeitslosen, um sie wieder in einen Job hineinzubringen. Die Arbeitslosigkeit ist aber heftig gesunken. Viele dieser Programme kann man mal infrage stellen. Da gibt es sicherlich Möglichkeiten. Aber ich sage mal, das eine Prozent, das ist ja kaum spürbar. Das funktioniert überall.
Klein: Und da nehmen Sie an, dass Frau Nahles sich da freuen wird über diesen Vorschlag?
Fuchs: Nein! Niemand wird sich freuen. Davon gehe ich einfach aus. Das ist aber auch nicht die Frage. Ich will ja nicht unbedingt jeden froh machen, sondern wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir zusätzliche Maßnahmen für Infrastruktur-Verbesserungen aufbringen können. Das geht nur, indem alle dann bereit sind, etwas mit einzusparen. Und eins steht fest: Wir wollen auf gar keinen Fall die Neuverschuldung wieder einführen. Es wird keine Neuverschuldung geben. Das ist auch im Koalitionsvertrag vereinbart.
Klein: Herr Fuchs, um noch mal einzuschätzen, was Sie jetzt heute Morgen uns sagen. Ist das nun wiederum Ihrerseits eine Einzelmeinung, oder ist das bereits zumindest in der Fraktion abgestimmt?
Fuchs: Nein, es ist nicht in der Fraktion abgestimmt. Das sind Vorschläge. Jeder hat das Recht, Vorschläge zu machen. Das habe ich ja auch eben zu Peter Ramsauer gesagt.
Klein: Und für wie realistisch halten Sie das, was Sie gerade gesagt haben? Für wie umsetzbar?
Fuchs: Ich würde mir wünschen, dass wir das machen, denn wir wissen genau, dass die deutsche Wirtschaft nicht gerade in einer rosigen Situation ist. Unsere Arbeitsplatzsituation, die wir haben, ist positiv. Das muss aber auch so bleiben, und das ist kein Selbstläufer. Dafür müssen wir jetzt uns Gedanken darüber machen, wie wir die deutsche Wirtschaft weiter unterstützen können. Dazu gehört Bürokratieabbau. Das kostet den Staat nichts, aber hilft der Wirtschaft enorm. Dazu gehört mit Sicherheit eine Verbesserung der Investitionen, der Strukturinvestitionen, die wir notwendig haben. Dafür habe ich einen Vorschlag gemacht, wie man die gegenfinanzieren kann. Dazu gehört, dass wir uns alle Maßnahmen, die noch im Koalitionsvertrag stehen, überlegen, ob und inwieweit sie der Wirtschaft schaden, oder wie wir ihr nutzen können.
"Zusätzliche Schwierigkeit" Frauenquote
Klein: Herr Fuchs, ich würde gern noch mal abschließend auf einen Punkt kommen, der gestern auch eine Rolle gespielt hat. Die Frauenquote in Aufsichtsräten wurde ja auch von Herrn Ramsauer infrage gestellt, weil es im übertragenen Sinne ein Wirtschaftshemmnis sei. Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, hat gestern ganz klar gesagt, das ist auf den Weg gebracht und das wird jetzt kommen. Können Sie noch mal erklären, weshalb das eine Bedrohung für die Wirtschaft ist, diese Quote?
Fuchs: Ich sehe es nicht als Bedrohung an. Ich sehe es nur als eine Schwierigkeit an, die zusätzlich auf die Wirtschaft zukommt.
Klein: Worin besteht diese Schwierigkeit?
Fuchs: Es ist schlicht und einfach so, dass es sehr schwierig ist, in vielen Bereichen jemand Geeignetes zu finden. Ich nenne mal einen Bereich. Bei den Banken muss jemand den Bankbefähigungsnachweis haben, wenn er überhaupt in einen Aufsichtsrat oder gar in den Vorstand hinein will. Da ist erst das BAFIN, was beispielsweise freigeben muss, dass jemand in einen Aufsichtsrat beziehungsweise in einen Vorstand hineinkommt. Das ist nicht ganz so einfach, die findet man nicht unbedingt jeden Tag.
Klein: Aber klar geworden ist noch nicht, was hat das mit der Konjunktur und der Wirtschaftslage zu tun.
Fuchs: Das sehe ich auch nicht und das war ja auch nicht meine Äußerung, glaube ich.
Klein: Sie unterstützen die Frauenquote so, wie sie jetzt beschlossen ist, voll und ganz?
Fuchs: Ich stehe zum Koalitionsvertrag und alles, was im Koalitionsvertrag drinsteht, machen wir, aber nichts darüber hinaus.
Klein: Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk zu den aktuellen Streitpunkten in der Koalition. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Fuchs, heute Morgen.
Fuchs: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.