Kampfgeist, Hassliebe, Eiskalt. Die Titel von "Kontra K" klingen ganz typisch für deutschen Gangster-Rap. Zu hören sind sie auf dem neuen Album "Aus dem Schatten ins Licht". Anfang Februar ist das erschienen - nachdem ja gerade auch Kool Savas und Eko Fresh ihre neuen Alben herausgebracht haben. Kontra K bescheinigen die Kritiker allerdings, dass er sich mit seiner aktuellen Musik entfernt vom Brutalo-Image. Immerhin ist er inzwischen Vater und mit 27 Jahren nicht mehr ganz der Junge von der Straße. Mit dem Album "Aus dem Schatten ins Licht" hat er es tatsächlich auch nach ganz weit oben in den Charts geschafft. Sören Brinkmann hat mit dem Rapper Kontra K gesprochen.
Sören Brinkmann: Kontra K, Sie haben gerade ihr neues Album herausgebracht: "Aus dem Schatten ins Licht". Ihnen wird immer konstatiert, dass Sie damit einen großen Wandel durchgemacht hätten. Es heißt in einer Textzeile: "Die besten Diamanten findet man nur unter 1000 Tonnen Dreck." Haben Sie diesen Dreck, den Dreck der Vergangenheit vielleicht, jetzt beiseite geräumt?
Kontra K: Naja. Komplett beiseite räumen ist immer schwer, glaube ich. Deswegen heißt es ja "Aus dem Schatten ins Licht". Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Das heißt, man bringt den Dreck immer mit. Aber das soll auch heißen, dass unter diesem großen Druck auch sehr gute Sachen oder sehr resistente Sachen entstehen und so sehe ich mich in vielen Zeilen.
Brinkmann: Genau. Es ist Dreck, der diesen Druck ausgelöst hat, aber letztendlich auch Diamanten. Das heißt, Sie sind genau zu dem geworden...
Kontra K: ... nur durch die Taten und die Aktionen, die in der Vergangenheit passiert sind, bin ich genau der, der ich jetzt bin. Ich würde es auch nicht missen wollen. Sicher hätte vieles leichter sein können. Aber ich bin komplett zufrieden. Ich bin noch zu einem guten Menschen geworden und es ist alles richtig so wie es ist.
"Wir waren ein wildes, unzähmbares Rudel"
Brinkmann: Sie stammen aus Berlin und da aus einem schwierigen Umfeld auch. Das Album kann man jetzt verstehen als Abrechnung mit dem alten Leben.
Kontra K: Ja, das klingt immer so, als würde ich es hassen, wie es war. Es war einfach nur: Ich war ein anderer, wir waren alle keine Kinder von Unschuld. Das gibt es ja in 1.000 anderen Varianten genauso. Es klingt immer so, als wäre es Rio de Janeiro gewesen und wir hätten da in den schlimmsten Verhältnissen gelebt. So war es ja nicht. Wir sind hier in Deutschland, hier gibt es keine Gettos, uns allen geht es gut, wir kriegen Unterstützung. Wir waren halt einfach ein wildes, unzähmbares Rudel, aber wir haben uns alle in die Spur bekommen.
Brinkmann: Aber Sie möchten diese Vergangenheit auch nicht missen?
Kontra K: Missen... Ich möchte sicherlich einiges missen, aber ich möchte nicht missen, wer ich jetzt bin.
Brinkmann: Ich fand ein Stück ganz interessant: "Hassen ist leicht". Darin geht es darum, dass es viel schwieriger ist, ehrlich zu sein und wirklich was aus seinem Leben etwas zu machen. Woher kamen dieses Bewusstsein und diese Einstellung?
Kontra K: Woher es kommt, weiß ich nicht. Ich glaube das rührt vom Sport her. Es ist viel ehrlicher und es erfordert viel mehr Courage, jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er besser ist, als wie es heutzutage so der Fall ist. Gerade in unserer Generation - oder meine Generation vielleicht nicht mehr. Aber die Jüngeren, da läuft alles über das Internet ab und jeder hat im Internet bekanntlich eine Meinung und das Internet bietet die Möglichkeit, die Meinung da groß und breit darzustellen. Ich glaube, dass die Menschen dort viel schneller mit Urteilen sind als früher. Und wenn man sich eins zu eins sieht oder wenn man wirklich Größe hat, dann sagt man: Okay, es ist in Ordnung. Es muss einem nicht gefallen, was der andere macht. Aber wenn er es gut macht, dann hat das schon einen Grund, dass das alles Erfolg hat und eine Daseinsberechtigung. Wenn einer besser im Sport ist, dann gebe ich ihm danach die Hand, wenn er gewonnen hat.
"Wenn ich etwas blind hasse, verstehe ich es vielleicht einfach nicht"
Brinkmann: Gab es da bestimmte Momente, die dazu geführt haben, dass Sie das heute so sehen oder glauben Sie, das ist eine Altersfrage?
Kontra K: Altersfrage ist schwer. Deswegen sage ich ja "unter 1.000 Tonnen Dreck", das kann man auch wieder darauf zurückführen, denn nur wenn man gelernt hat zu verlieren oder weiß, wie es ist zu verlieren, dann schätzt man es auch, zu gewinnen.
Und genauso ist es auch mit dem Hassen. Wenn ich etwas so blind hasse - vielleicht verstehe ich es einfach nur nicht. Man sollte es nur genauer hinterfragen. Vielleicht liegt es auch am Alter bei mir jetzt, aber so alt bin ich ja auch noch nicht. 27, das geht noch.
Und genauso ist es auch mit dem Hassen. Wenn ich etwas so blind hasse - vielleicht verstehe ich es einfach nur nicht. Man sollte es nur genauer hinterfragen. Vielleicht liegt es auch am Alter bei mir jetzt, aber so alt bin ich ja auch noch nicht. 27, das geht noch.
Brinkmann: Nicht mehr direkt Teenager, aber auch noch nicht in den 30ern...
Kontra K: ...ja, fast.
Brinkmann: Welche Rolle hat denn die Musik gespielt in ihrem Leben und auch bei diesem vermeintlichen Wandel?
Kontra K: Einen sehr großen. Wobei die Musik immer auch wie ein Schatten gewesen ist. Ich habe immer Musik gemacht. Ich therapiere mich damit eigentlich nur selber. Ich drücke aus, was ich vielleicht anderen Menschen so nicht ins Gesicht sagen kann. Das schreibe ich lieber auf und in der Musik gibt mir das den Freiraum, den ich brauche, um mich auszudrücken. Das kann ich so als Mensch vielleicht nicht und deswegen hat sie mich immer begleitet, aber ich glaube, viel wichtiger waren die Aktionen oder die Ereignisse, die mir so im Leben widerfahren sind. Die haben mich ja zu dem gemacht, der ich bin.
Die Musik ist immer nur der Spiegel meines momentanen Ichs und so wird es auch immer sein und deswegen werde ich auch immer Musik machen.
Die Musik ist immer nur der Spiegel meines momentanen Ichs und so wird es auch immer sein und deswegen werde ich auch immer Musik machen.
Brinkmann: Darauf kommen wir gleich noch mal zurück. Ein anderer großer Aspekt ist natürlich der Sport, Kickboxen zum Beispiel.
Kontra K: Ja, Boxen nur noch...
Brinkmann: ... wobei Kickboxen in vielen Ihrer Videos ja immer auch auftaucht?
Kontra K: Ja, generell Kampfsport. Also ich bin da sehr affin.
"Manchmal bin ich eher Beispiel als Vorbild"
Brinkmann: Welche Rolle spielt das?
Kontra K: Eine sehr große. Das ist mein Hobby, meine große Liebe. Ich bin dem sehr verfallen. Ich bin Trainer in einem Boxverein. Wir sind ein sehr armer Boxverein, aber wir haben trotzdem die meisten Erfolge und das sagt ja auch viel über uns aus. Also ich mag es einfach dort, sich zu messen mit anderen und das ist eine Weisheit, die man auch immer wieder auf das Leben projizieren kann. Was ja nicht heißt, dass unbedingt jeder Kampfsport machen soll. Aber generell im Sport und Leistungssport wird dir immer wieder direkt gezeigt, wie hart du dafür gearbeitet hast und du erreichst halt dein Ziel nur, wenn du wirklich hart arbeitest. Das ist auch wieder zum Thema "Hassen ist leicht": Wenn jemand besser ist, dann hat er einfach härter trainiert. Und da kriegt man immer direkt die Quittung und wenn man das aufs Leben projiziert, dann hat man eigentlich schon das Rezept, das ich so für viele meiner Songs habe. Du musst halt einfach viel tun, dann kannst du viel erwarten.
Brinkmann: Und diszipliniert sein?
Kontra K: Genau, richtig.
Brinkmann: Sind Sie immer so diszipliniert, wie Sie sich das gerne wünschen?
Kontra K: Sicherlich nicht immer, aber ich bin in vielen Dingen sehr diszipliniert. Ich bin eher schon so, dass ich zu viel will und dann schneller enttäuscht bin, weil das nicht alles so klappt. Aber ich stecke mir halt sehr große Ziele und die möchte ich erreichen.
Brinkmann: Und Sie wollen damit auch Vorbild sein?
Kontra K: Vorbild sein, ja. Manchmal bin ich eher Beispiel als Vorbild. Das hat ein sehr guter Freund von mir in einer Textzeile immer gesagt: Wir sind Beispiele statt Vorbilder. Aber wenn es so ist und ich manchen Menschen, Kindern oder Teenagern, Vorbild sein kann, dann ist das in Ordnung, also es gibt sicherlich schlechtere.
Brinkmann: Aber das gehört ja eben auch dazu, dass man im Sport zum Beispiel etwas weitergibt und damit auch immer eine Bezugsperson ist.
Kontra K: Richtig.
"Authentizität ist das Wichtigste"
Brinkmann: Wenn wir jetzt auf die Musik noch mal zu sprechen kommen: Kampfsport, das ist ein Aspekt, der bei Ihnen auch dazu gehört. Inwieweit braucht Rap auch immer dieses Gangster-Image?
Kontra K: Naja, gar nicht. Also ich meine, was ist ein Gangster-Image und sind Rapper zwangsläufig immer Gangster, das ist auch die Frage.
Viele erschaffen sich dort Bilder oder erschaffen ein Bild nach außen. Wir haben sicherlich unsere Sachen gemacht, aber ich sehe mich sicher nicht als Gangster-Rapper, auf gar keinen Fall. Ich mache Musik, ich bin Musiker und die Musik hat damals widergespiegelt, wie ich damals war und sie spiegelt jetzt wider, wie ich jetzt bin. Ob das das braucht, ist eine andere Frage. Rap ist halt, wir drücken uns aus, den Hass der Generationen. Man hat eine Freiheit, da etwas zu sagen. Und ob das dann immer zwangsläufig mit Gangster zu tun haben muss? Das muss nicht sein. Es ist halt gerade so, dass es sich in diese Richtung entwickelt hat, aber es ist auf jeden Fall kein muss. Ich glaube, Authentizität ist das Wichtigste. Wenn man wirklich ist, was man sagt, dann gibt es nicht viel zu hinterfragen.
Viele erschaffen sich dort Bilder oder erschaffen ein Bild nach außen. Wir haben sicherlich unsere Sachen gemacht, aber ich sehe mich sicher nicht als Gangster-Rapper, auf gar keinen Fall. Ich mache Musik, ich bin Musiker und die Musik hat damals widergespiegelt, wie ich damals war und sie spiegelt jetzt wider, wie ich jetzt bin. Ob das das braucht, ist eine andere Frage. Rap ist halt, wir drücken uns aus, den Hass der Generationen. Man hat eine Freiheit, da etwas zu sagen. Und ob das dann immer zwangsläufig mit Gangster zu tun haben muss? Das muss nicht sein. Es ist halt gerade so, dass es sich in diese Richtung entwickelt hat, aber es ist auf jeden Fall kein muss. Ich glaube, Authentizität ist das Wichtigste. Wenn man wirklich ist, was man sagt, dann gibt es nicht viel zu hinterfragen.
Brinkmann: Ich habe gelesen in einem Interview, dass Sie nicht so richtig an Glück glauben. Aber man muss doch sagen: Natürlich gehört Können dazu, aber eben auch eine Portion Glück, oder?
Kontra K: Naja. Es klingt immer so, als würde ich überhaupt nicht an Glück glauben. Es gibt immer irgendwo ein Quäntchen Glück. Es gibt Menschen, die haben kein Glück, die haben es schwieriger, aber da zähle ich ja auch zu. Alles, was ich gemacht habe und jedes Glück resultiert ja aus dem Weg, den ich gegangen bin und ich bin ja den schwierigen Weg gegangen und ich habe viel dafür gearbeitet und letzten Endes ergeben sich ja diese Zufälle auch nur, weil ich das so gemacht habe. Also kann man es wieder hinterfragen und sich überlegen, war es jetzt wirklich Glück oder resultiert das nur daraus, dass ich viel getan habe, dass ich viel gearbeitet habe. Man weiß es nicht. Vielleicht war es auch Glück und ich bin dankbar dafür. "Ich hab mir das alles selbst zu verdanken" klingt so selbstverliebt und ein bisschen wie auf einem Höhenflug. Deswegen: Ich bin sehr dankbar, ich bin zufrieden und ich weiß es zu schätzen.
Brinkmann: Sie haben jetzt gerade das neue Album herausgebracht: "Aus dem Schatten ins Licht", gehen im März und April auf Tour durch Deutschland. Wie sollten die nächsten Monate aussehen im Idealfall für Sie?
Kontra K: Ich bin froh, wenn ich zuhause bin und meinen Sohn sehe. Ich vermisse ihn sogar jetzt schon, ich bin erst zwei Tage weg. Ansonsten: Wir fahren im Nightliner los, gehen auf Tour. Ich freue mich, wenn die Hallen voll sind. Es sieht sehr gut aus. Ich freue mich über eine gute Show und mal sehen, was das Jahr noch so bringt und was noch alles so kommt mit der Platte.
Brinkmann: Aber viel Stress gehört auch dazu und dann braucht man wieder Disziplin.
Kontra K: Richtig.
Brinkmann: Kontra K, vielen Dank für das Gespräch.
Kontra K: Danke auch.