Thomas Elbern: Der Titel Ihres neuen Albums "Berühmte letzte Worte" klingt ein wenig wie ein Abschied. Wie ist das gemeint?
Samy Deluxe: Es ist nicht als Abschied gemeint. Ich mochte immer schon dieses Statement: "Famous last words". Ich war im letzten Jahr, während ich an dem neuen Album gearbeitet habe, in London. Ich habe dieses tolle Street-Art-Plakat dort gesehen, wo dieser Spruch stand: "Berühmte letzte Worte" - das bringt das, was ich gerade machen will und meine Emotionen gut auf den Punkt. Dann habe ich versucht, das mit Inhalt zu füllen. Für mich heißt das so viel wie: Wenn ich nur noch eine Chance hätte, ein Album zu machen, dann sollte es so eins sein, wie das, was ich gerade fertiggestellt habe.
Elbern: "Zynischer Lyriker" - Zitat aus "Berühmte letzte Worte" - trifft das den Punkt, was die Texte von Ihnen angeht?
Deluxe: Bestimmt teilweise, besonders wenn ich über ernste, problematische und emotional belastende Themen rede, dann mache ich das in der eigenen Wahrnehmung nicht auf die pessimistische Art. Es ist immer das Augenzwinkern drin, aber auch Zynik und Sarkasmus. Auch wenn es auch nicht direkt beim Hörer rüberkommt. Ich sehe da, wo andere Wut reininterpretieren, viel Humor in meinen Texten.
"Es ist ein Selbstfindungsprozess"
Elbern: Welche Erkenntnis steckt hinter ihrem Song "Haus am Mehr"? Sie drehen die Aussage ja während des Songs herum, ist das so etwas wie ein Reifeprozess?
Deluxe: Es ist der ewige Kampf mit sich selber. Es ist ein Selbstfindungsprozess. Das ist ein Tenor, der sich durch all meine Alben durchzieht. Auf dem "Schwarzweiß"-Album von 2011 hatte ich diesen Song "Ego", in dem es um den Konflikt zwischen dem Ego und der Seele geht. Das Ego, das immer mehr will und die Seele, die glücklicher ist, wenn sie nur diese ganz essenziellen Dinge hat und nicht all den ganzen Schnick Schnack, Glamour und Glitter drumherum. "Haus am Mehr" ist ein Resümee, wo ich jetzt gerade stehe: Meine Kunst treibt mich dazu, auch im Rahmen meiner Karriere immer mehr zu wollen, aber meine Seele hat oft das Bedürfnis, alles das, was mit Ruhm und dem Showbusiness zusammenhängt, nicht an sich heranzulassen. Das ist ein Konflikt, der immer in mir ist.
Elbern: "Mimimi" - Mitbürger mit Migrationshintergrund - betrifft Sie dieser Text eigentlich selbst noch?
Deluxe: Der Text geht eben komplett um mich, viele Leute interpretieren da jetzt auch die Flüchtlingsproblematik mit rein, aber das hat für mich gar nichts damit zu tun, obwohl es darauf übertragbar ist. Für mich geht es in diesem Text um das Selbstverständnis, das ganz viele Leute in diesem Land hier haben. Es gibt ganz viele Mimimis, die morgens aufwachen, auf Deutsch denken, deutsch reden, sich deutsch fühlen und ab dem Moment, wo sie auf die Straße gehen damit konfrontiert werden, das sie nicht deutsch sind. Viele Deutsche wollen halt unbedingt diesen Unterschied machen. Sie fragen dann: 'Wo kommst du her?' Dann sag ich: 'Aus Hamburg.' - 'Nein, du weißt schon, was ich meine.' - 'Dann frag doch, warum meine Haut so dunkel ist, und nicht wo ich herkomme. Denn ich komme aus Hamburg, aber meine Haut ist dunkler als deine, weil mein Vater Afrikaner war.' Es war mir mal wieder wichtig, dieses Thema wieder auszugraben. Bei mir funktioniert das immer über ein Schlagwort oder die Musik. Es war so, dass ich dieses Wort "Mimimi" irgendwo mitbekommen habe und es auch ziemlich witzig fand, weil es auf der einen Seite so maschinell und kategorisierend ist und auf der anderen Seite so niedlich klingt. Es klingt netter als "Ausländer" oder "Flüchtling". Der Tenor, in dem es gerappt ist, klingt nach Wut, aber ich finde es auch unglaublich witzig. Jede Zeile in dem Song ist ein Teil von meinem Leben, den ich eher mit Augenzwinkern und Humor nehme als mit Frust oder Pessimismus.
"Es ist mir wichtig, dass ich eine Individualität darin höre"
Elbern: Sie reichen aktuellen deutschen Rappern wie Megaloh, Chefket oder Eko Fresh die Hand. Was unterscheidet die von den vielen anderen, die es mittlerweile in der deutschen Hip-Hop-Szene gibt? Was macht einen guten, was macht einen schlechten Rapper aus?
Deluxe: Das Musikempfinden ist so subjektiv. Es ist im Endeffekt wie beim Essen: alles Geschmackssache. Es ist nicht so wie beim Sport, wo es einen Messwert gibt, an dem alle die Leistung erkennen können. Wenn jemand am schnellsten rennt, dann ist er der schnellste Mensch der Welt. Wenn jetzt ein Rapper herauskommt und am meisten Platten verkauft, heißt das nicht, dass er automatisch der beste Rapper ist, sondern dass er gerade etwas richtig macht, um die Teenies zu erreichen. Da können viele andere Dinge mit zusammenhängen. Für mich sind die Kriterien, dass ich Rapper mag, die eine große Liebe für die deutsche Sprache haben und bei denen ich mich über den nächsten Reim freuen kann. Wenn sich jemand so viel mit Reimen beschäftigt, wie ich, dann kann ich oft, wenn ich die erste Zeile höre, die Zweite schon ahnen, weil ich in Reimen denke. Gaspedal - okay, dann kommt meist Basketball.
Eko, Megaloh, Motrip, alias Afrob, das sind Leute, die mit der Sprache interessante Sachen machen, interessante Stimmen, eine gute Rhythmik und nicht immer den gleichen Wortfluss haben. Es ist mir wichtig, dass ich eine Individualität darin höre. Mittlerweile gibt es viele Rapper, die auf einem guten Reimniveau sind, aber alle genau gleich reimen, diese alle gleich setzen und sich ähnliche Arten von Beats aussuchen. Das klingt dann wie bei 20 anderen Rappern gerade. Das finde ich dann echt langweilig. Rap ist zwar etwas extrem textlastiges, aber am Ende ist es auch Musik. Und dieser Musikaspekt geht in Deutschland im Rap oft verloren.
Elbern: Samy Deluxe, Herr Sorge, ASD - man hat das Gefühl, sie hören nie auf zu arbeiten? Was treibt sie an?
Deluxe: Ich habe komischerweise immer das Bedürfnis, jeden Tag Musik zu machen. Wenn ich nicht auf Tour bin und andere Verpflichtungen habe, die mich aus dem Studio weghalten, dann bin ich tatsächlich wieder im Studio. Vor ein paar Wochen habe ich mein Album abgegeben und seit dem Moment habe ich wieder 30 bis 40 Songs gemacht, weil es einfach mein Tagesrhythmus ist. Ich produziere gerade viel und habe ein Netzwerk mit vielen anderen Künstlern und in meinem Studio passieren immer so viele Dinge, dass es eigentlich nie aufhört.
"Unterbewusst schränkt mich Sicherheit mehr ein als dieses Risiko des Künstlerlebens"
Elbern: 20 Jahre Samy Deluxe, was sind spontan die Tiefen, was die Höhen dieser Zeit gewesen?
Deluxe: Für mich ist das ein konstanter Fluss. Da gab es Höhen und Tiefen, aber nie so hoch, dass ich nicht wieder auf den Boden kommen konnte und nie so tief, dass ich nicht wieder aufstehen konnte. Das ist für mich das Wichtigste. Ich bin nicht so ein Analysetyp, der jetzt schaut, was geklappt hat, und dann mache ich das jetzt wieder. Ich hatte eigentlich immer, wenn ich gerade eine Sicherheit hatte, den Drang etwas ganz anderes zu machen. Ich glaube, unterbewusst schränkt mich Sicherheit mehr ein als dieses Risiko des Künstlerlebens. Dieses Leben birgt ja dieses Risiko, dass es jeden Moment vorbei sein könnte. Es kann sein, dass mich morgen alle scheiße finden, oder vielleicht jetzt schon, aber ich habe es heute beim Aufstehen noch gar nicht gemerkt. Das Wichtige ist, dass man selber Spaß an dem hat, was man macht. Du solltest dich daran messen, was dein Kopf von dir will, was ist dein nächstes Ding, wie kannst du dich selber übertreffen? Ich weiß, ich bin heute faktisch viel besser, als ich am Anfang meiner Karriere war. Man wird allerdings trotzdem oft damit konfrontiert, dass diese ewig gestrigen Menschen einem abverlangen, dass man ihnen die Renaissance-Schelle bietet, aber das ist nicht mein Motiv.
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