Existence is futile, so we don’t engage
But it was our boats that sailed, killed, stole, and made frail
It was our boots that stamped
It was our courts that jailed
And it was our fuckin’ banks that got bailed
It was us who turned bleakly away
Looked back down at our nails and our wedding plans
In the face of a full-force gale, we said
"Well it’s not up to us to make this place a better land
It’s not up to us to make this place a better land.”//
But it was our boats that sailed, killed, stole, and made frail
It was our boots that stamped
It was our courts that jailed
And it was our fuckin’ banks that got bailed
It was us who turned bleakly away
Looked back down at our nails and our wedding plans
In the face of a full-force gale, we said
"Well it’s not up to us to make this place a better land
It’s not up to us to make this place a better land.”//
Justice, justice, recompense, humility
Trust is, trust is something we will never see
Till love is unconditional
The myth of the individual has left us disconnected, lost, and pitiful
I’m out in the rain
It’s a cold night in London
And I’m screaming at my loved ones to wake up and love more
I’m pleading with my loved ones to wake up and love more
Trust is, trust is something we will never see
Till love is unconditional
The myth of the individual has left us disconnected, lost, and pitiful
I’m out in the rain
It’s a cold night in London
And I’m screaming at my loved ones to wake up and love more
I’m pleading with my loved ones to wake up and love more
(…)
Glanz und Elend des modernen Großstadtlebens
So klingt die Stimme von Kate Tempest: klar und deutlich, appellierend und hypnotisch. Auch in ihrem Vortrag wird deutlich, was die beeindruckend produktive Künstlerin in ihrem Werk zum Thema macht: Menschliche Unzulänglichkeit, die Leere des Einzelnen, die aus dem Rückzug ins Private entstanden ist. Es ist ein Appell zur Empathie, den Tempest an ihr Publikum richtet:
"Ich schreie meinen Liebsten ins Gesicht, sie möchten doch endlich aufwachen und mehr lieben".
Kate Tempest ist in London aufgewachsen, sie kennt Glanz und Elend des modernen Großstadtlebens. In ihrem Debüt-Gedichtband "Brand New Ancients", mit dem sie in England 2013 rasch bekannt wurde und der nun in deutscher Übersetzung erscheint, sieht sie die Ursachen für Rohheit, Schmerz, Leid und Einsamkeit nicht nur in den gegenwärtigen Verhältnissen, sondern begreift sie als Konstante der Menschheitsgeschichte: "Wir sind immer noch mythisch."
Früher machten wir uns mit Mythen verständlich.
Heute fehlen uns die Worte für den unendlichen Hass
auf uns selbst, auf das, was wir selbst aus uns machten,
für die krasse Selbstverachtung.
Wir fallen uns selbst zur Last und verstricken
uns in uns selbst und ersticken daran fast.
Und doch: Wir sind immer noch mythisch.
Wir schwanken immer noch pausenlos zwischen Heldentum
und Elend.
Wir sind immer noch göttlich;
das macht uns so schrecklich.
Heute fehlen uns die Worte für den unendlichen Hass
auf uns selbst, auf das, was wir selbst aus uns machten,
für die krasse Selbstverachtung.
Wir fallen uns selbst zur Last und verstricken
uns in uns selbst und ersticken daran fast.
Und doch: Wir sind immer noch mythisch.
Wir schwanken immer noch pausenlos zwischen Heldentum
und Elend.
Wir sind immer noch göttlich;
das macht uns so schrecklich.
Alte Erzählfäden von Liebe und Tod
Unter einem Mythos versteht man eine überlieferte Erzählung aus der Geschichte eines Volkes oder einer Kultur. Häufig wird im Mythos die Schöpfungsgeschichte einer Welt erzählt, er erklärt das Weltbild einer Gesellschaft. Götter und Göttinnen greifen in das Geschehen ein.
Kate Tempest kann insofern als moderne Mythologin gelten, als sie alte Erzählfäden von Liebe und Tod, von Geburt und Sterben für unsere Zeit fortspinnt. In "Brand New Ancients" hören wir in Form metrisch strukturierter Langgedichte die Geschichten von Jane und Kevin und ihrem Sohn Tommy, von Brian und Mary und ihrem Sohn Clive. Wir treffen Gloria, ein Barmädchen, und Jemma, eine Politaktivistin. Alle Figuren sind in gewisser Weise verbunden, was sie aber selbst oft nicht wissen. Und alle eint ihr Menschsein, ihr Wunsch, gottgleich zu sein. Alle eint auch ihr Scheitern. Wir sind also, könnte man frei nach Tempest sagen, alle wie Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl, um ihnen gleich zu sein, und dafür an einen Stein gefesselt lange Zeit grässliche Qualen erleiden musste.
Diese Götter haben kein Orakel, das ihre Wünsche verkündet,
diese Götter haben Kopfschmerzen, Kredite und Streit,
darüber, wann sie ihre Kinder das nächste Mal sehen,
sie zanken sich nicht über Favoriten –
sie machen einfach nur weiter.
Wir sind die Brandneuen Klassiker.
Also los, such dir einen aus.
diese Götter haben Kopfschmerzen, Kredite und Streit,
darüber, wann sie ihre Kinder das nächste Mal sehen,
sie zanken sich nicht über Favoriten –
sie machen einfach nur weiter.
Wir sind die Brandneuen Klassiker.
Also los, such dir einen aus.
(...)
Such dir irgendeinen aus. Schau noch einmal hin,
und dann siehst du die Götter walten
in diesen Augen, die so menschlich und bescheiden sind.
und dann siehst du die Götter walten
in diesen Augen, die so menschlich und bescheiden sind.
Suchen wir uns also einen aus. Nehmen wir Brian, den Vater von Tommy. Er hat einen Job am Flughafen und ist mit der Supermarktkassiererin Mary verheiratet. Die einst hoffnungsvoll geschlossene Ehe ertrinkt in Lieblosigkeit, Langeweile und Seitensprüngen. Clive, der Sohn, wird der Tristesse seines Elternhauses nicht entfliehen. Und auch Brians und Marys Geschichte geht nicht gut aus.
Hier leben drei Seelen gemeinsam, doch alle sind einsam.
Brian schreit Mary an, Mary schreit Clive an,
und der kleine Clive saugt es auf wie ein Schwamm.
Brian schreit Mary an, Mary schreit Clive an,
und der kleine Clive saugt es auf wie ein Schwamm.
Johanna Wanges Übersetzung macht aus den englischen Versen: "Three souls under one roof all lonely. / Brian shouts at Mary, Mary shouts at Clive, / and little Clive soaks it up with wide eyes” eingängige deutsche Verse. Ihre deutsche Version von "Brand New Ancients” befördert vieles von der wütenden Lakonie des Originals. Dessen rhythmisch skandierbarer Bilderreichtum und sein Oszillieren zwischen exzellent formulierten Einzelbeobachtungen und weit ausgreifenden Reflexionen über die menschliche Existenz machen den Band zu einem Leseerlebnis. Johanna Wange holt dies ins Deutsche, indem sie die sporadischen Reime des Originals auch im Deutschen aufnimmt und ein Vokabular wählt, das zeitgemäß ist, ohne deshalb modisch zu klingen.
Kate Tempests Verse passen gut in unsere Zeit und weisen zugleich über sie hinaus. Sie zeigen einmal mehr Mythos und Aufklärung als zwei Seiten einer Medaille. Und sie fordern auf zum Hinschauen, fordern unser Empathievermögen entschieden heraus.
Erfreulich, dass der Verlag sich für eine zweisprachige Ausgabe entschieden hat. Das Englische, das mehr als das Deutsche dazu neigt, Wörter und Sätze zu einem Soundkontinuum zusammenzuziehen und mit seinen zahlreichen Diphthongen, also Doppelvokalen, einen ganz eigenen Ton hat, ist die eindeutig die Sprache, in der die entschiedene Wortaktivistin Kate Tempest ihre Verse am besten zum Klingen bringt.
"Dieses Gedicht wurde zum Laut lesen geschrieben", heißt es eingangs als Aufforderung. Lesen wir also Kate Tempest, vielleicht sogar laut!
Kate Tempest: "Brand New Ancients". Suhrkamp Verlag 2017, 112 S., 14 Euro
Kate Tempest: "Let them eat chaos". Caroline (Universal Music) 2016, 48 min, 12,99 Euro.
Kate Tempest: "Let them eat chaos". Caroline (Universal Music) 2016, 48 min, 12,99 Euro.