"Bitte schön, Herr Abgeordneter Tischner!"
Der Thüringer Landtag in seiner letzten regulären Sitzung vor der Landtagswahl. Einzig verbliebenes Thema: Der Bericht der Enquete-Kommission "Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen".
"Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen …"
Christian Tischner von der CDU wird der Letzte sein, der hier noch sachlich bleibt; als Berichterstatter ist er dazu verpflichtet. Nach Tischner beginnt die Debatte darüber, ob Behörden, Gerichte, die Polizei strukturell rassistisch sein könnten und deshalb generell diskriminieren: Die perfekte Gelegenheit für alle Parteien im Landtag, ihre ideologischen Leitlinien noch einmal offenzulegen. Sabine Berninger von den Linken eröffnet.
"Lassen Sie mich gleich zu Beginn – dann habe ich es hinter mir – auf die Beteiligung der autoritär-nationalradikale Fraktion hier im Thüringer Landtag zu sprechen kommen: Die AfD lehnte die Einsetzung der Enquete-Kommission ab. Man liest es direkt zu Beginn ihres sogenannten ‘Sondervotums‘, mit dem sie unter anderem die wissenschaftlich längst widerlegte Existenz von Menschenrassen verteidigt. Sie bezieht sich in ihrem Pamphlet auf Rassismus-Definitionen von unter anderem 1947 und offenbart damit ganz genau ihren eigenen Rassismus. Wie zum Beispiel die Behauptung, Juden seien eben ‘von Natur aus so‘, so sei das ‘genetisch ererbt‘."
AfD eint die anderen Parteien
Gegen die AfD sind sich alle Parteien im Thüringer Landtag einig - ein Konsens auch zwischen der rot-rot-grünen Koalition und der oppositionellen CDU. Deren Fraktionsvorsitzender Mike Mohring erinnert an die Opfer der Schoah.
"Wer diese verachtungsvollen Taten relativiert oder eben auch – wie ein Kollege in diesem Haus – fordert, ‘wir brauchen nichts‘, ich zitiere, ‘anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘; wer der Meinung ist, dass die deutsche Geschichte ‘mies und lächerlich‘ gemacht wird, der muss es hinnehmen, als Person als ‚Faschist‘ bezeichnet zu werden, wie es das Verwaltungsgericht Meiningen festgestellt hat."
Doch Mohrings Hauptgegner in der Wahl sind die Linken. Er will anstelle von Bodo Ramelow in die Staatskanzlei einziehen.
"Was uns jedoch tatsächlich überrascht hat, ist der Umstand, wie offen und unverhüllt die Kommission durch einige Kommissionsmitglieder – wir schauen dabei besonders auf die Linksfraktion – als verlängerter Arm der linksextremen Antifa missbraucht wurde."
"….Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Mike Mohring hat jetzt das Wort!"
"Genau! Vielen Dank, Frau Präsidentin! Wissen Sie, die Linke, das was Sie wollen, die ganz Linke: Auf sanften Sohlen wollen Sie eine Systemtransformation vorbereiten. Sie wollen einen anderen Staat! Sie wollen einen anderen Staat! Wir wollen den nicht; wir wollen diesen Staat besser machen; wir wollen diese Gesellschaft besser machen. Sie wollen das System überwinden; Sie wollen ihren alten ideologischen linken Ansatz umsetzen. Das ist mit uns nicht zu machen!"
Mohring ereifert sich so, dass er allein die ganze Redezeit seiner Fraktion ausschöpft. Denn auch die kleinen Koalitionspartner der Linken, die SPD und die Grünen, nimmt er sich noch vor.
"Liebe Kolleginnen von Rot-Rot-Grün, die wollen eine andere Gesellschaft! Die benutzen euch dazu, das umzusetzen! Ihr seid nur Mittel zum Zweck, weil sie eine andere Gesellschaft wollen. Das ist die Wahrheit! Das ist die Wahrheit!"
Madeleine Henfling von den Grünen will sich das nicht gefallen lassen.
"Was war das denn eben, Mike Mohring? War das ein Möcke oder ein Hohring? Man weiß es nicht genau. Am Anfang kurz links geblinkt und tatsächlich was zu Rassismus gesagt, was gar nicht so dumm war, und dann doch rechts abgebogen. Wie schlecht muss es der CDU in Thüringen eigentlich gehen, dass sie die Mottenkiste aufmachen muss, die roten Socken wieder rausholen muss, und hier so tun muss, als würde sie gegen die ganzen Kommunisten der halben Welt kämpfen müssen!? Ich glaube, nach dieser Rede ist eines zumindest ziemlich deutlich: Es gibt nur noch eine Regierungsoption für die CDU nach dieser Wahl: Und die sitzt sehr weit rechts. Weil, allen anderen haben sie hier gerade richtig ins Gesicht gespuckt!"
CDU auf Partnersuche
Allen im Plenum ist klar, dass die CDU, wenn sie nach der Landtagswahl eine Machtoption haben sollte, auf SPD und Grüne angewiesen wäre – und in einer Minderheitsregierung vielleicht sogar auf die Linken. Das versucht Henfling Mohring klarzumachen.
"Mit wem wollen Sie denn regieren? Mit wem wollen Sie denn regieren, wenn Sie alle hier so behandeln?"
Und die SPD hat einen Redner, der zwischen allen Stühlen sitzt: Innenminister Georg Maier. Natürlich muss er zu seiner Koalition stehen, aber auch zu seinen Polizisten. Also muss er dem Votum auch seiner Partei sanft widersprechen.
"Es gibt auch meinerseits keinen Zweifel an der Wichtigkeit des Themas. Was die konkreten Empfehlungen anbelangt, insbesondere wo sie polizeiliche Themen betreffen, gibt es meines Erachtens noch Erörterungsbedarf."
Der Beifall kommt vor allem von der CDU.
"Und ich biete gerne an, hierbei den Fachverstand meines Hauses einfließen zu lassen."
Verdruckster geht es kaum. Die AfD hingegen kommt wieder mit der ganzen großen Keule. Unter "Neokommunismus", "Inquisition" und dem iranischen "Wächterrat" macht es Corinna Herold nicht. Und antisemitisch seien vor allem Muslime und Linke, aber kaum die Rechtsextremen.
"Rassismus und Diskriminierung sind schlimmstenfalls eine Verhaltensstörung, aber nichts, was ein staatliches Superprogramm rechtfertigt, das spaltet, das die Menschen in Opfer und Täter einteilt. Wir werden nicht ruhen, diesen neuen Totalitarismus zu demaskieren. Denn Antirassismus als staatliche sogenannte ‚Handlungsempfehlung‘ ist nichts anderes als Rassismus gegen die breite gesellschaftliche Mehrheit, gegen unser Land und gegen unser Volk."
Standortbestimmung vor der Wahl
Wenige Wochen vor der Landtagswahl haben die Thüringer Parteien noch einmal überdeutlich gemacht, wo sie stehen.
"Aber eine wehrhafte Demokratie …"
"Herr Abgeordneter, lassen Sie sich ganz kurz unterbrechen! Wir wechseln jetzt die Sitzungsleitung. Und bevor ich gehe – leider meine letzte Amtshandlung –, Herr Abgeordneter Adams, rüge ich Sie aufgrund des Rufes ‘Lügner‘!"