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Rassismus-Debatte
Polizei buhlt um Bewerber mit Migrationshintergrund

Die Polizei ist wegen Rassismus-Skandalen in den Schlagzeilen. Dabei will man doch eigentlich vielfältiger werden und wirbt gezielt um Anwärter mit Migrationshintergrund. In Berlin liegt der Anteil dieser Beamten schon bei 32 Prozent. Eine Lösung für das Rassismus-Problem ist das aber nicht.

Von Luise Sammann |
16.03.2020, Schweiz, Kreuzlingen: Deutsche Polizisten kontrollieren Einreisende am Grenzübergang in Kreuzlingen.
Inzwischen allerdings werben fast alle Bundesländer gezielt um Anwärter mit Migrationshintergrund. (Felix Kästle/dpa)
Der 22-jährige Malik aus Berlin hört am liebsten alte bosnische Volksmusik. "Also viele in meinem Alter hören jetzt diese neue Musik, was sehr trendy ist so. Aber ich hör das, was mein Vater früher gehört hat, was wir gehört haben, wenn wir nach Bosnien gefahren sind", sagt Malik.
"Es ist einfach eine Herzenssache so, dass ich mit Stolz meinen Nachnamen trage und auch diesen Migrationshintergrund habe. Das hat auch nichts damit zu tun, dass ich gegen Deutschland oder gegen deutsche Kultur bin. Sondern ich wollte nie, dass an mir die Kultur verloren wird. Ich wollte immer alles weiterführen. Also wenn ich zum Beispiel Fußball gucke, bin ich für Bosnien. Aber wenn Deutschland spielt, bin ich für Deutschland."
Deutscher Polizist mit bosnischen Wurzeln
Was für viele Menschen immer noch wie ein Widerspruch klingt, ist für Malik und die meisten seiner Freunde in Berlin Alltag. Loyalitätskonflikte kennt er nicht. Und so schließen sich auch seine Liebe zu Bosnien und sein Berufswunsch nicht aus: Malik wird Polizist. Deutscher Polizist. Gerade sitzt er an seiner Bachelorarbeit.
Malik hat einen bosnischen Migrationshintergrund. Er wird Polizist. Deutscher Polizist.
Maliks Vater kommt aus Bosnien. Malik wird Polizist. Deutscher Polizist. (Deutschlandradio / Luise Sammann)
"Klar hatte man früher dieses Bild auch durch Freunde oder so. Dieses: Scheiß Bullen oder so. Wir mit Migrationshintergrund, wir werden immer kontrolliert. Solche Klischees halt. Aber bei mir haben sich alle Freunde, Familie, Bekannte, alle eigentlich sehr darüber gefreut und meinten, dass das was Gutes ist", so Malik.
Statistiken bestätigen den Trend
Malik steht für einen Trend, der sich inzwischen in vielen Großstädten bemerkbar macht: Ganze 32 Prozent der neueingestellten Polizeianwärter in Berlin hatten nach einer Studie des Mediendienst Integration im Jahr 2019 einen Migrationshintergrund. In Baden-Württemberg waren es 27 Prozent und im Saarland, als Schlusslicht dieser Statistik, immerhin noch zwölf Prozent.
Idil Baydar in der ARD-Talkshow maischberger
Kein Vertrauen mehr in die Polizei
Die Kabarettistin Idil Baydar hat Drohmails erhalten, die offenbar mithilfe von Daten von einem Wiesbadener Polizeicomputer erstellt wurden. Der hessische Polizeipräsident Udo Münch wusste von den Datenabfragen, gab die Information dazu allerdings nicht weiter.
"Für die Herkunftsfamilien ist das ein sichtbarer sozialer Aufstieg. Man rückt ja vor in die staatlichen Berufe. Und da sind viele Familien auch zu Recht sehr stolz auf ihre Kinder, wenn ihnen das gelingt",so Daniela Klimke, Soziologin und Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen.
"Wir haben sehr hohe Einstellungshürden, und es haben dann eben die Polizeianwärter die besten Chancen, die sehr hohe Leistungen erbringen. Wenn Menschen mit Migrationshintergrund in sichtbarer Zahl in der Polizei aufgenommen werden, dann zeigt das einen kollektiven sozialen Aufstieg."
Behörde soll Gesellschaft widerspiegeln
Doch auch die Polizei selbst gewinnt. In einem Land, in dem jeder vierte Bürger eine Zuwanderungsgeschichte hat, kann eine Institution, die diese Vielfalt nicht spiegelt, auf Dauer nicht bestehen. Polizeianwärter wie Malik werden daher dringend benötigt.
Dossier: Rassismus
Dossier: Rassismus (picture alliance / NurPhoto / Beata Zawrzel)
"Ich würde sagen, dass wir einen Zugang natürlich auch möchten zu unterschiedlichen Kulturkreisen und auch zu unterschiedlichen Lebensweisen und Religionen", so Savas Gel, Leiter des Dezernats für Kriminalitätsbekämpfung und Prävention in Hannover.
"Das ist uns wichtig, weil wir eben auch in so einer Gesellschaft leben und weil wir natürlich auch darauf angewiesen sind, dass die Menschen da uns auch das Vertrauen entgegenbringen. Dann erhalten wir auch aus der Bevölkerung Hinweise und Anrufe zu bestimmten Problemstellungen und man kommt mit uns ins Gespräch."
Mit Imagefilmen zu mehr Vielfalt?
Dass man beim Thema kulturelle Vielfalt den Anschluss verloren hatte, ist eine Tatsache, der man sich bei der Polizei lange nicht stellen wollte. Inzwischen allerdings werben fast alle Bundesländer gezielt um Anwärter mit Migrationshintergrund.
In Imagefilmen werden bewusst mehr Beamte mit sichtbarem Migrationshintergrund einbezogen, Flyer und Broschüren erscheinen teilweise mehrsprachig und liegen in Botschaften oder Kulturzentren aus.
Bundesinnenminister Horst Seehofer während seines Besuches in Stuttgart, hinter ihm stehen Polizisten.
Rassismus bei der Polizei - Ganz genau will man es doch nicht wissen
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die angekündigte Studie zu "Racial Profiling" bei der Polizei einkassiert. Der Gegenwind sei wohl zu groß gewesen, mutmaßt der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr.
Savas Gel: "Also ich glaube, der Erfolg, den man damit haben kann in der Nachwuchswerbung, ist, dass auch so Vorbehalte gegenüber der Polizei abgebaut werden. Ich glaube, das gibt es in der ein oder anderen Community dann doch. ‚Was passiert da mit meinem Kind bei der Polizei?‘ sozusagen? Und da ist es, glaube ich, wichtig, dass die Menschen mit den Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen."
Die Strategie geht auf. Savas Gel selbst war noch einer der ersten, als er Anfang der 2000er Jahre sein Polizeistudium begann. Malik aus Berlin dagegen macht heute – fast zwanzig Jahre später – ganz andere Erfahrungen.
"Ich habe einen oder zwei in meinem Jahrgang kennengelernt, die auch bosnischen Migrationshintergrund hatten. Ex-Jugoslawien habe ich auch ein paar gehört. Sonst türkisch und weitere... Klar wird das so erwähnt und für viele ist das dann halt was Positives", sagt Malik.
Diversität verhindert nicht automatisch Rassismus
Bleibt die Frage, ob die neue Vielfalt bei der Polizei auch als Bollwerk gegen den immer wieder diskutierten Rassismus innerhalb der Organisation dienen kann. Professorin Daniela Klimke ist skeptisch. "Ich glaube, davon darf man sich nicht zu viel erwarten. Die Polizisten mit Migrationshintergrund sind wirklich kein Garant gegen Rassismus...". so die Expertin.
Sie verweist auf eine ‚homogenisierende Wirkung' der Polizei – einer bekanntlich stark auf Einheit ausgerichteten Organisation, in der Beamte nicht ohne Grund Uniform tragen und in Einheitslaufbahnen ausgebildet werden.
Klimke: "Das heißt, in Teilen werden Polizisten mit Migrationshintergrund auch in Scherze eingebunden, die eigentlich gegen ihre migrantische Herkunft gerichtet sind, weil die Kollegen gar nicht mehr dieses Merkmal Ethnizität wahrnehmen. Da gibt es einfach keinen Unterschied mehr, wenn sie in dem Polizeidienst drin sind. Und insofern werden sie auch nicht den Rassismus verhindern können."
Dass die deutsche Polizei insgesamt vielfältiger und damit auch repräsentativer wird, bleibt damit zwar notwendig und richtig. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus und möglicherweise rassistischen Strukturen wie etwa beim Thema Racial Profiling ersetzt das jedoch nicht.