Als Trevor Noah die Daily Show von Vorgänger Jon Stewart übernahm, kam das für viele überraschend. International war der junge, gutaussehende Südafrikaner noch nicht allzu bekannt. In seiner Heimat dagegen war er bereits ein Star, der erste Stand-up-Comedian, der mit einem Soloprogramm große Hallen füllte, einfach indem er Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend als nicht ganz weißer und auch nicht ganz schwarzer Junge erzählte. Genau das tut er auch in seinen Memoiren, aber darin zielt er nicht – oder zumindest nicht nur - auf komische Effekte. "Ich habe mich gefragt: Wie ehrlich kann ich sein? Ich wollte mein Leben nicht schönlügen, und am Ende war es auch leichter, bei der Wahrheit zu bleiben."
Erstaunlich ernsthaft und vor allem spürbar um Wahrhaftigkeit bemüht berichtet Trevor Noah davon, wie er in den ersten sechs Lebensjahren bei seiner Großmutter in Soweto versteckt wurde, dem rein schwarzen und sehr armen Township in Johannesburg. Hellhäutig wie er war, konnte er nicht auf der Straße mit den anderen Kindern spielen. Denn auf keinen Fall durfte die Polizei den lebenden Beweis des Verbrechens entdecken, das seine Mutter und sein Vater gegen die Rassentrennung begangen hatten.
"Meine Großmutter erzählt heute noch die Geschichte, wie ich mit drei Jahren genug hatte vom Eingesperrtsein und ein Loch unter dem Tor an der Auffahrt buddelte, mich hindurchquetschte und weglief. Ich hatte keine Ahnung, dass ich alle in große Gefahr gebracht hatte. Die Familie hätte deportiert werden können, meine Großmutter wäre wahrscheinlich verhaftet worden, meine Mom wäre womöglich ins Gefängnis gekommen, und ich wäre wahrscheinlich im Waisenhaus für farbige Kinder gelandet."
Ausgegrenzt von Weißen, Schwarzen und "Farbigen"
"Farbige" oder "Coloureds" waren eine eigene Gruppe, eine Extra-Kategorie in der rassistischen Logik des Apartheidstaats. Seit den Anfängen der Kolonialisierung hatten sich weiße Männer immer schon schwarze Frauen genommen, schreibt Noah, die Ergebnisse dieser Beziehungen aber wurden isoliert und bildeten über Generationen ihre eigene Kultur. Der kleine Trevor sieht aus wie ein Coloured, ist aber keiner. Als seine Mutter mit ihm in ein Viertel zieht, das hauptsächlich von Farbigen bewohnt wird, fühlt er sich dort noch stärker ausgestoßen als jemals zuvor. "Die Feindseligkeit und Ablehnung, die Farbige mir entgegenbrachten, war mit das Schwerste, mit dem ich je fertigwerden musste. Ich lernte daraus, dass es einfacher ist, ein Außenseiter zu sein, der irgendwie dazugehört, als jemand, der eigentlich dazugehört, aber als Außenseiter behandelt wird."
Als Trevor sechs Jahre alt ist, fällt das Apartheidsregime, als er zehn ist, wird Nelson Mandela Präsident. Jetzt kann seine schwarze Mutter mit ihm in den Park gehen, ohne so zu tun, als sei sie nur seine Nanny. Trevor kann mit weißen, schwarzen, farbigen, indischen und asiatischen Kindern zur Schule gehen. Doch er gehört zu keiner dieser Gruppen wirklich dazu.
"Als Außenseiter kann man sich in sein Schneckenhaus zurückziehen, anonym sein, unsichtbar. Oder man macht es genau umgekehrt. Man schützt sich, indem man sich öffnet. Man will nicht komplett akzeptiert werden, sondern nur für das, was man mit den anderen zu teilen bereit ist. Für mich war das der Humor. Ich lernte, dass ich zwar nicht zu einer bestimmten Gruppe gehörte, aber Teil jeder Gruppe sein konnte, die lachte. Ich stellte mich dazu, machte ein paar Witze. Ich gab den Comedian für sie."
Der politische Blick
Nie bedient der Comedian in seinen Aufzeichnungen das Klischee des traurigen Clowns. Stattdessen erzählt er, wie er seine Außenseiterrolle zu seinem Vorteil nutzte. Bis heute. Ausgestattet mit Witz und Intelligenz, entwickelte er einen besonders klaren und auch ungnädigen Blick für die Absurditäten des alltäglichen Rassismus, im neuen, demokratischen Südafrika ebenso wie später in den USA. Dort nahm er Donald Trump als Kandidat schon ernst, als andere noch kaum an dessen Wahlsieg glaubten. "Ich sehe in Donald Trump einen der Politiker, wie wir sie nur zu gut kennen in Afrika. Ein Populist, der behauptet, für alles eine Lösung zu haben. Scheinbar unbesiegbar und unangreifbar."
Die Geschichte der Mutter
Dass aus dem Kind, das sich vor dem institutionalisierten Rassenwahn verstecken musste, ein vor positiver Energie sprühender Weltstar geworden ist, hat vor allem mit Trevor Noahs Mutter zu tun. Und das ist gleichzeitig eine sehr traurige Geschichte. Patricia Nombuyiselo Noah schaffte es, ihrem illegalen Wunschkind trotz allem eine glückliche Kindheit zu bereiten. Sie widersetzte sich den Gesetzen der weißen Regierung ebenso wie den Vorschriften ihrer eigenen Familie. Und doch landete diese starke Frau nach dem Ende der Beziehung mit Trevors weißem Vater in einer Ehe voller Gewalt und Brutalität, die sie beinahe das Leben kostete. Trevor Noahs Mutter ist bis heute die zentrale Gestalt in seinem Leben.
"Das ist das eigentliche Thema des Buches. Meine Mutter ist die wahre Heldin meiner Geschichte. Ich war immer bloß ihr kleiner dummer Sidekick. Am Ende habe ich die verschiedenen Stories zusammengestellt und gemerkt: Das Ganze ist eigentlich ein Liebesbrief an meine Mum."
Über alles macht sich Trevor Noah lustig, nur über das Thema häusliche Gewalt nicht. Bei der Frauenfeindlichkeit von patriarchalen Gesellschaften wie der afrikanischen hört für ihn der Spaß auf. In den anderen Geschichten aus seiner Kindheit kann er seinen subversiven Witz glücklicherweise nicht immer zurückhalten.
Leider trifft die deutsche Übersetzung von "Born a crime" diesen Ton nicht besonders gut, sondern ist zu brav, zu harmlos ausgefallen. Ebenso der Titel: "Farbenblind" ist Trevor Noah ganz sicher nicht. Sondern besonders hellsichtig für jede Form von Vorurteilsbereitschaft und Rassismus. Auf der Bühne zieht er viel Komik aus der gesellschaftlichen Krankheit, wie er es nennt. Sein Buch verrät, dass es ihm ernst ist.
Trevor Noah: "Farbenblind"
Blessing Verlag, 336 Seiten, 19,99 Euro.
Blessing Verlag, 336 Seiten, 19,99 Euro.