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Rassismus im Fußball
"Die Entwicklung ist in meinen Augen dramatisch"

Rassismus bleibt im Fußball ein großes Problem - von der Fankurve bis zu VIP-Tribüne, bei Jugendlichen und Erwachsenen. Ein Spieler, eine Politikerin und eine Anhängerin diskutieren im Dlf-Sportgespräch über Vorfälle, Entwicklungen und Gegenmaßnahmen.

Pablo Thiam, Monika Lazar und Susanne Franke im Gespräch mit Jonas Reese |
FC Erzgebirge Aue - 1. FC Dynamo Dresden am Sonntag (02.04.2006) im Auer Erzgebirgsstadion. Dresdner Fans zünden während der ersten Halbzeit ein Feuer in ihrem Block, ein Fan mit schwarzem Dynamo-Pullover (r) benutzt den verfassungsfeindlichen "Hitler-Gruß"
Ausschreitung während eines Spiels zwischen FC Erzgebirge Aue und dem 1. FC Dynamo Dresden, 2006: Wie lassen sich rassistische Handlungen verhindern? (Thomas Eisenhuth dpa/lsn)
Pablo Thiam, hat früher in der Bundesliga für den 1. FC Köln, den VfB Stuttgart, Bayern München und den VfL Wolfsburg gespielt. Heute ist er Nachwuchsleiter und Integrationsbeauftragter beim VfL. "Ich hatte das Gefühl, dass mit den Jahren das Ganze besser geworden ist. Die Entwicklung war positiv", sagt er im Sportgespräch. "Seit ein paar Jahren erleben wir aber, dass die Sprachkultur, die in der Politik begonnen hat, mittlerweile beim einfachen Volk angekommen ist." Man werde mittlerweile selbst bei B-Jugend-Spielen beschimpft. "Eine Entwicklung, die in meinen Augen dramatisch ist."
Thiam, der Wurzeln in Guinea hat und in Bonn aufgewachsen ist, spricht auch über persönliche Erfahrungen. Das Problem sei oft kleingeredet worden. "Ich hatte Glück, selbstbewusst genug zu sein, die Themen aufzuarbeiten, ohne das was hängen geblieben ist. Das Glück hat nicht jeder." Er forderte härtere Strafen wie Punktabzüge. "Jeder Verein, der so etwas zulässt, muss etwas zu verlieren haben."
Pablo Thiam ist Nachwuchsleiter beim VfL Wolfsburg.
Pablo Thiam ist Nachwuchsleiter beim VfL Wolfsburg. (www.imago-images.de)
Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete der Grünen und sportpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sieht im Fußball kein Spiegelbild der Gesellschaft. "Bestimmte Probleme treten beim Fußball aber besonders intensiv und hart an die Oberfläche." Sie habe den Eindruck, dass sich das Problem aus dem großen Fußball in die unteren Ligen verschoben habe.
Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar von den Grünen
Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar von den Grünen (www.imago-images.de)
Susanne Franke, die sich mit der Schalker Fan-Initiative gegen jegliche Art von Diskriminierung einsetzt, sieht zumindest eine positive Entwicklung: "Die Tatsache, dass überhaupt darüber berichtet wird, dass der Anspruch überhaupt da ist. " Bei der Gründung der Fan-Initative Angang der 90er Jahre sei sie angefeindet worden, dann habe eine Entwicklung eingesetzt. "In den 2000ern glaubten wir, wir hätten Boden gewonnen, wir hätten ein gemeinsames Menschenbild", sagt Franke. "Wir müssen jetzt feststellen, dass wir das nicht haben. Dieser Chauvinismus ist ein Grundübel, dass neben Rassismus auch Antiziganismus, Antisemitismus und Homophobie befördert. Das ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, das ist unser Problem." Es brauche eine starke Zivilgesellschaft. "Wir brauchen Fans in der Kurve, die bei Vorfällen sagen: 'Du bist doch wohl bescheuert, halt die Schnauze.'"
Ärger über Äußerungen von Clemens Tönnies
Die rassistische Äußerung von Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies kritisierten alle drei Diskutanten. Franke beklagte, dass es sich um einen medialen Diskurs gehandelt habe, bei dem untergegangen sei, was Rassismus sei und was man dagegen tun wolle. Thiam kritisierte, dass Tönnies bis heute nicht bei denen, die er beleidigt hat, um Entschuldigung gebten habe. "Ein wohlhabender Mann wie Herr Tönnies, der eine Machtfülle hat, haut so einen Spruch raus. Dass der Tönnies sich drei Monate rauszieht, wahrscheinlich war der irgendwo auf der Karibik schippern und hat Sachen gemacht, die wir uns alle zusammen nicht erlauben können. Und kommt dann irgendwann wieder und die Sache ist gegessen. Das ist eine Frechheit!" Die Leute würden sehen, dass so etwas keine Konsequenzen habe. Wenn Tönnies sich das erlauben könne, würden auch weiter unten Leute mit ähnlichen Sprüchen durchkommen.
Schalker Fans zeigen "Rassismus die Rote Karte" in Bezugnahme auf die Äußerungen von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies.
Schalker Fans zeigen "Rassismus die Rote Karte" in Bezugnahme auf die Äußerungen von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. (www.imago-images.de)
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.