Die Proteste gegen Polizeigewalt in den USA haben auch in Deutschland zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus in der Polizei geführt. Wie wird die Polizei in Deutschland gesehen - wird sie als Dienstleister und Ordnungshüter wahrgenommen oder eher bedrohlich für die Werte und die Ordnung, die eigentlich geschützt werden sollen? Darüber gibt es eine Kontroverse: Auf der einen Seite steht SPD-Co-Chefin Saskia Esken, die der Polizei systemischen Rassismus vorwarf - diese Aussage dann aber wieder relativierte. Auf der anderen Seite steht Bundesinnenminister Horst Seehofer, der der Autorin eines umstrittenen Artikels in der "taz" über die Polizei mit einer Klage gedroht hatte, sich dann aber doch noch besann.
"Unterscheiden zwischen Rassismus als Haltung und der Gewalt"
Rafael Behr war früher selber Polizist und ist heute Polizeisoziologe an der Hamburger Akademie der Polizei. Er sagte im Dlf, man müsse unterscheiden zwischen Rassismus als Haltung und der Gewalt, die daraus möglicherweise als Handlung folge. "Wenn Sie fragen, kommt Rassismus mehr vor als in anderen Berufen, dann muss man schlichweg sagen: Das weiß man nicht", sagte Behr. "Solange Rassismus unter sich bleibt und verbal ausgetauscht wird in den Sozialräumen oder in den Gruppenwagen, nehmen wir das überhaupt nicht so richtig zur Kenntnis."
Die Polizei habe ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie die Macht und Befugnis habe, Menschen zu kontrollieren und auch Gewalt anzuwenden - und wenn diese dann rassistisch motiviert sei, dann sei das brenzlig. "Da kommt es dann auch gar nicht auf die Zahl an, sondern überhaupt auf die Tatsache, dass es vorkommt."
"Es sind nicht die einigen, wenigen schwarze Schafe"
Stand heute könne man sicher eines ausschließen, so Behr. "Es sind nicht die einigen, wenigen schwarze Schafe, die mit den anderen nichts zu tun haben. Sie müssen sich Polizei als Kollegialorgan vorstellen, wo viele Leute immer zusammen sind - gerade in der Schutzpolizei." Es gebe Rassisten in der Polizei - explizit, es gebe Reichsbürger, es gebe "alles mögliche, was es in der Bevölkerung auch gibt".
"Das wäre aber nicht so das polizeiliche Problem, wenn es denn Strukturen gäbe, die frühzeitig dieses erkennen und abstellen", sagte Behr weiter. "Diese Strukturen erkenne ich im Moment nicht, weil sich im Prinzip die gesamte Polizei, insbesondere die Berufsvertretungen, gegen Aufklärung stemmen."
"Die jungen Menschen kommen nicht als fertig entwickelte Rassisten zu uns"
Es gebe wenige Strukturen, die rassistische Handlungen als solche identifizierten. "Und das ist ein Mangel", sagte Behr. An der Hamburger Akademie der Polizei bemühe man sich nach Kräften darum, sich dieses Themas anzunehmen. "Nur ist die Ausbildungszeit nicht der Zeitraum und der Prozess, in dem Rassismen zu Tage treten. Wir vermuten, dass es viel mehr Praxiserfahrungen sind, in denen kein Ausbilder mehr in der Nähe ist."
Vieles in der Ausbildung sei eher präventiv. "Die jungen Menschen kommen ja nicht als fertig entwickelte Rassisten zu uns. Im Gegenteil: Die meisten sagen, sie wollen mit Menschen arbeiten und helfen, unterstützen. Da gibt es diesen hohen Anteil soziale Motivation. Aber wir erkennen diejenigen, die schon rigide sind, die schon verhärtet sind, nicht gut. Da muss nachgesteuert werden."
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