Umfrage über Rassismus gegen DFB-Elf
Sozialwissenschaftler Laing: "Wir sollten diese Fragen stellen"

Bundestrainer Julian Nagelsmann kritisiert, dass die ARD in einer Umfrage rassistische Einstellungen gegenüber Nationalspielern erhoben hat. Es helfe aber nicht, Rassimus unsichtbar zu machen, sagt der Sozialwissenschaftler Lorenz Narku Laing.

Lorenz Narku Laing im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Jonathan Tah,  Antonio Rüdiger,  Marc-Andr Ter Stegen, Ilkay Gündogan singen vor dem Testländerspiel gegen die Niederlande die Nationalhymne
Jonathan Tah (l.), Antonio Rüdiger (2.v.l.), Ilkay Gündogan (r.) stehen zusammen mit Marc-Andr Ter Stegen im EM-Kader (picture alliance / Chai von der Laage / Gladys Chai von der Laage)
Wie blicken die Bundesbürger auf die deutsche Nationalmannschaft? Diese Frage löst wenige Tage vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland eine Debatte aus. Ausgelöst wurde sie durch eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap zu Migration und Fußball. Die 1.304 Befragten sollten sich in der Umfrage zu folgenden Aussagen positionieren:
"Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen."
"Ich finde es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben."
"Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft türkische Wurzeln hat."
Das WDR-Format "Sport inside" hatte die Befragung für die ARD-Doku "Einigkeit und Recht und Vielfalt" über Nationalspieler mit migrantischen Wurzeln in Auftrag gegeben. In der ARD-Doku sprechen Jonathan Tah, Gerald Asamoah und Shkodran Mustafi über ihre Erfahrungen mit Rassismus in deutschen Fußballstadien.

Jeder Fünfte will mehr "weiße" Nationalspieler

Jonathan Tah steht im Kader für die Heim-EM, genauso wie Antonio Rüdiger oder Ilkay Gündogan, der seit Sommer 2023 Kapitän der Nationalmannschaft ist. Sie alle bereiten sich gerade auf die Heim-EM vor und sind Nationalspieler, die einen sichtbaren Migrationshintergrund haben.
Die repräsentative Umfrage im Auftrag der ARD zeigt jetzt aber: 21 Prozent der Menschen in Deutschland wünschen sich, dass in der Nationalmannschaft mehr weiße Spieler mit dabei wären.

Joshua Kimmich und Julian Nagelsmann kritisieren Fragestellung

Bundestrainer Julian Nagelsmann zeigte sich schockiert, "dass solche Fragen gestellt werden - und dass Menschen darauf antworten auch." Das sei rassistisch. "Eine Fußball-Mannschaft kann Vorbild sein, wie man verschiedenen Kulturen, religiöse Hintergründe und Hautfarben in eine Gruppe vereint. Jeder der top Fußballspielen kann, ist eingeladen, A-Nationalspieler zu sein und für sein Land alles zu geben", sagte Nagelsmann.
Auch Nationalspieler Josua Kimmich hatte gesagt, dass solche Haltungen, wie von Teilen der Befragten geäußert, rassistisch seien. Aber auch er kritisierte, dass solche Frage gestellt würden. 

Rassismusforscher Laing: "Wunsch, Rassismus unsichtbar zu machen, ist nachvollziehbar"

Kimmich habe auf der Pressekonferenz am Samstag viel Richtiges gesagt, sagt Lorenz Narku Laing. Er ist Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung an der Evangelischen Hochschule Bochum und zertifizierter Diversitytrainer. Nichtsdestotrotz müsse man die Fragen stellen.
"Diesen Wunsch, Rassismus unsichtbar zu machen, kann ich nachvollziehen. Das Thema ist schwer, es ist unangenehm, und es ist auch konfliktreich. Aber wenn wir Rassismus wirklich überwinden wollen, müssen wir ihn bearbeiten. Das kostet viel Energie und Zeit und die wollen die Leute vielleicht nicht immer reinstecken", sagt Laing.

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Diversitytrainer Laing: Fragen müssen gestellt werden

"Wir sollten diese Frage stellen, weil wir viel besser verstehen, was Menschen, die mit uns in diesem Land leben, erleben müssen. Ein Schwarzer Mann, wie ich es bin, war weder überrascht noch schockiert von dieser Umfrage", sagte Laing.
Zudem müsste man diese Frage stellen, weil sie aufzeige, dass es hier ein Problem gebe. Aber so Laing: "Es gibt auch eine überschwängliche Solidarität." Denn nach Angaben der ARD finden es 66 Prozent gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben.
Diese Mehrheitsverhältnisse, die sich ganz klar gegen Rassismus aussprechen, sind nach Angaben von Laing "keine Selbstverständlichkeit. "In gewisser Art und Weise ist das Ergebnis sogar besser, als es in den 1990er-Jahren gewesen wäre", unterstreicht der Rassismusforscher.

Laing: DFB sollte sich ganz klar hinter Spieler stellen

Gerade jetzt vor der Europawahl am 9. Juni, nach einen jahrelangen Konflikt um Diskriminierung und Rassismus, der Migrationsdebatte und unlängst dem Sylt-Video "sollten wir nicht davor zurückscheuen, Rassismus klar sichtbar zu machen und ihn bearbeitbar zu machen", sagt Laing.
Laing erzählt, dass er zusammengezuckt sei, als er in der ARD-Dokumentation den Satz hörte: "Ein richtiger Deutscher ist hellhäutig".
Für ihn höre sich dieser Satz "unangenehm und furchtbar" an. "Weil ich daran dachte, als ich mich das erste Mal öffentlich als Schwarzer Deutscher bezeichnete, das war im Rahmen eines Zeitungsartikels, den ich verfasste. Und ich war schockiert über die Reaktion, wie viele Menschen Unwohlsein daran empfanden, zu sagen, dass ein schwarzer Mensch deutsch sein kann."
An diesem Beispiel sei sichtbar, dass für manche Menschen, jemand, der so aussehe wie er, nie dazugehöre. "Das nimmt Solidarität, es nimmt Zugehörigkeit, es nimmt Wohlempfinden, es nimmt auch ein Gefühl von Gemeinschaft an, das wir jetzt gerade vor einer Meisterschaft so dringend brauchen. Ich glaube, was der DFB an dieser Stelle leisten kann, ist ganz klar sich hinter seine Spieler zu stellen, gerade dann, wenn es wieder zu rassistischen Vorfällen kommt", sagt Laing.