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Ratzinger-Bibliothek in Rom
Schaffenskraft des Schreibwütigen

Ein Sortiment gut gespitzter Bleistifte darf auf seinem Arbeitstisch niemals fehlen: Joseph Ratzinger ist ein schreibwütiger Theologe. Ob als Priester, Professor oder Papst – schon immer hat er seine Gedanken zu Papier gebracht. Das umfangreiche literarische Werk des mittlerweile emeritierten Papstes wird nun in einer eigenen Bibliothek in Rom archiviert.

Von Thomas Migge |
    Der von seinem Amt zurückgetretene Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.
    Alles, was Joseph Ratzinger im Lauf der Jahre verfasst hat, wird nun in einer eigenen Bibliothek in Rom archiviert. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    "Auch der Glaubende ist natürlich nicht ein Mensch, der von Problemen, von Krisen, von Leiden, von inneren Nöten verschont ist, aber er hat doch dies Besondere zu wissen, dass er gewollt ist, dass er gebraucht wird, eine Aufgabe hat, dass eine Idee von ihm da ist."
    Sein Denken als Christ und Theologe hat Joseph Ratzinger nicht nur in Predigten, Vorlesungen oder wie hier 1980 in Interviews formuliert. Er hat es auch zu Papier gebracht und publiziert. Er war schon immer ein schreibwütiger Theologe, Priester, Bischof, Kardinal und Papst – und alles, was er im Lauf der Jahre verfasst hat, wird nun in einer eigenen Bibliothek in Rom archiviert. Untergebracht ist sie direkt neben dem Petersdom, auf dem Campo Santo Teutonico, dem sogenannten deutschen Friedhof im Kirchenstaat. Hans-Peter Fischer ist der Rektor dieser Einrichtung, die mit einem Friedhof nur bedingt etwas zu tun hat:
    "Hier wohnt am Campo Santo auch eine kleine Gemeinschaft von Kollegiaten. Das ist ein Priesterkolleg, wo weiterstudierende Priester ihre Doktorarbeit schreiben."
    Im Priesterkolleg auf dem deutschen Friedhof hat auch Joseph Ratzinger einmal gewohnt. Das war 1982, rund drei Monate lang, nachdem er zum neuen Präfekten der Glaubenskongregation ernannt worden war und auf die Fertigstellung seiner Dienstwohnung warten musste. Im Gebäude des Priesterkollegs sind nun die Werke aus 52 Jahren seines publizistischen Schaffens untergebracht. Ob als Professor in Freising und Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, als Erzbischof von München und Freising, als Kurienkardinal in Rom und später als Papst: Immer wieder fand er Zeit zum Schreiben - und immer schrieb und schreibt er mit einem Bleistift. Die Benedikt-Bibliothek auf dem römischen Campo Santo Teutonico umfasst u.a. 135 Bücher in 37 übersetzten Ausgaben. Darüber hinaus etwa 1400 Aufsätze, einige hundert Monographien und andere Texte. Hans-Peter Fischer:
    "Ein großer Raum. Ein Raum, der die Möglichkeit bietet, zu wachsen. Was wird hier vorhanden sein? Alle seine Werke, die er selbst geschrieben hat, bis hin zu den Predigten als Papst. Darüber hinaus all das, was heute und in der Vergangenheit, was in irgendeiner Weise mit ihm, mit seinen theologischen Ansätzen zu tun hat."
    Die neue Bibliothek wendet sich vor allem an Studierende und Wissenschaftler. Zum Beispiel an die Studenten des nahen Instituts für Patristik, das Augustinianum, wo neuerdings auch Einführungskurse in die Theologie Ratzingers angeboten werden. Vorgesehen ist auch eine Kooperation mit dem "Institut Papst Benedikt XVI." in Regensburg.
    Viele der Werke in der neuen Bibliothek spendete der Papst selbst. Rektor Fischer berichtet von 16 schweren Bücherkisten: Mitarbeiter des emeritierten Papstes hatten sie von seiner Wohnung in den vatikanischen Gärten, wo Ratzinger zurückgezogen im ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae lebt, auf den Campo Santo geschleppt.
    Finanziert wird die neue Bibliothek in der an theologischen Einrichtungen dieser Art nicht gerade armen Stadt auch von der römischen Ratzinger Stiftung, mit der man, so Campo-Santo-Rektor Fischer, eng zusammenarbeite:
    "Das ist eine vatikanische Stiftung, die erst 2010 von Joseph Ratzinger initiiert wurde. Die Bücher, all diese Rechte hat er eingehen lassen in diese Stiftung."
    Zahlen werden nicht genannt, doch das Vermögen aus den Publikationsrechten an Ratzingers Werken dürfte beträchtlich sein. Daraus vergibt die vatikanische Stiftung jährlich fünf Stipendien an Doktoranden in Theologie und Patristik. Jedes Jahr wird auch der "Ratzinger Preis" vergeben. Den teilten sich Ende November der brasilianische Theologe und Jesuit Mario de Franca Miranda und der libanesische Philosophieprofessor Nabil el-Khoury. Die Preisträger müssen sich durch ihr Verständnis der Theologie und des Denkens von Benedikt XVI. auszeichnen, was eine gewisse konservative Einstellung voraussetzen dürfte. Kardinal Gerhard Müller hat den Ratzinger-Preis 2015 überreicht, der Sekretär der Glaubensbehörde. Müller tat sich bei der vergangenen Familiensynode als einer der wichtigsten Wortführer gegen die von Papst Franziskus angeregten Reformen hervor. Der deutsche Kardinal ist ein guter Freund der Ratzinger-Stiftung. In ihr sehen er und auch andere Konservative im Vatikan eine Art Bollwerk gegen jeden Versuch, die Doktrinen der katholischen Kirche in Frage zu stellen.