Owen ist 17. Seine Haare sind kurz geschoren, er steht hinter Gittern. Owen ist im Jugendgefängnis von San Pedro Sula. Die Stadt gilt als die gefährlichste der Welt. Die höchste Mordrate in dem Land mit der höchsten Mordrate auf dem gesamten Globus. Honduras. Owen hat seinen Teil beigetragen zum Verbrechen, wie er prahlt:
"Raub, Mord, Erpressung. Jahrelang. Schon als Kind habe ich mich den Mara 18 angeschlossen."
Die Maras, das sind die Jugendbanden in Zentralamerika. Eingeschworene Gangs, meist streng organisiert, die dem perspektivlosen Nachwuchs aus den Armenvierteln das Gefühl von Macht verleihen. Für viele Honduraner sind die Maras Synonym für Angst und Schrecken. In US-Städten wie Los Angeles wurden sie einst gegründet. Von jungen Migranten meist aus Zentralamerika. Und als die US-Behörden Anfang der neunziger Jahre viele Maras abschoben, übernahmen sie die Kontrolle auf den Straßen von Honduras und El Salvador. Raub, Mord, Erpressung. Und es ging um Einflusssphären. Die beiden dominierenden Banden, die Mara 18 und die Mara Salvatrucha sind tief verfeindet, kämpfen brutal um ihre Stadtviertel.
Daniel Hernandez ist Taxifahrer in San Pedro Sula. Die schwül-heiße Stadt gilt als das Wirtschaftszentrum von Honduras. Zehntausende arbeiten hier in den großen Fabriken der Industriezonen am Rand, die billig vor allem für den US-Markt produzieren. Kleidung oder Elektronik. San Pedro mit seinen 700.000 Einwohnern wirkt auf den ersten Blick ganz normal, nicht gefährlicher als andere Großstädte in Lateinamerika auch. Aber die Wahrscheinlichkeit hier umgebracht zu werden, liegt etwa 20 Mal höher als in einer US-Stadt. Aber es werde immer schlimmer, sagt der Taxifahrer Hernandez:
"Die Busfahrer hier müssen zum Beispiel Schutzgelder zahlen. Und auch die Leute, die ein kleines Geschäft in den barrios haben. Irgendjemand kreuzt auf und sagt, wie viel wann fällig ist. Und wer sich weigert, spielt mit dem Leben. Das Risiko ist ziemlich real."
Monsenor Romulo Emiliano ist Weihbischof von San Pedro Sula. Das Bistum hat seinen Sitz gleich hinter dem Hauptplatz der Stadt. Nachts traut sich niemand mehr ins Zentrum. Zu gefährlich. Die Armut sei schuld, sagt der Weihbischof. Die verleite viele junge Leute zum Verbrechen. Und etwas habe sich grundlegend geändert: Die Mordrate sei in den letzten Jahren steil angestiegen, weil das große Drogenverbrechen Fuß gefasst habe. Honduras gilt als Drehscheibe für den Kokainschmuggel Richtung USA. Und San Pedro liegt genau auf der Route:
"Es gibt die alten Kartelle aus Kolumbien und die neueren aus Mexiko, die hier operieren. 80 Prozent der Drogen werden über Honduras transportiert. Aber die Maras sind nur die kleinen Wachhunde der großen Kartelle. Die machen das richtige Geschäft. Und sie benutzen die Maras für Auftragsmorde und um ihre Routen abzusichern."
Knapp 5000 Maras gibt es in Honduras nach einer offiziellen Schätzung. 5000 finstere Jung-Brutalos, die wohl kaum in der Lage seien, ein ganzes Land aus den Angeln zu heben, sagt der Politologe Graco Perez. Er lehrt an einer Privat-Uni, ein Mann des Bürgertums, das die Kriminellen normalerweise besonders fürchtet. Graco Perez ist überzeugt: Um das Verbrechen zu bekämpfen, reicht es nicht aus, sich auf die Maras zu konzentrieren. Der groß anlegte Drogenhandel sei nur möglich, weil ganz andere Kreise ihre schützende Hand über allem hielten:
"Es gibt Personen und Gruppen mit sehr viel Macht, die direkt in die Geschäfte verwickelt sind. Große Teile sind infiltriert. Parlamentsabgeordnete, die Justiz, Bürgermeister. Wir bräuchten zum Beispiel viel mehr Transparenz, wenn es um die Frage geht, wo Politiker ihr Geld herbekommen. Man lässt die Kartelle ihre Arbeit machen, ohne die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen."
Und seit dem Putsch vor drei Jahren habe sich die Lage deutlich verschlechtert, sagen viele in Honduras. 2009 stürzte das Militär Präsident Manuel Zelaya, einen Politiker aus der traditionellen Oberschicht, der einen unerwarteten Linksschwenk vollzogen hatte. Direkter Auslöser für den Putsch war Zelayas Versuch, die Verfassung zu ändern, damit der Präsident nicht nach einer Amtszeit abtreten muss.
Nach dem Sturz gab es Wahlen, die althergebrachte Oberschicht konnte sich dabei die Macht im Land sichern. Und die Gewaltspirale ging weiter – brutaler denn je. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International beklagen Morde, Übergriffe und Drohungen. Wer sich gegen Landnahmen von Großgrundbesitzern engagiert, muss mit dem Tod rechnen. Auch Journalisten leben gefährlich: Seit dem Putsch wurden 16 Reporter umgebracht nach Angaben einer US-Journalistenvereinigung. Und fast keines dieser Verbrechen wurde aufgeklärt. In Honduras herrscht praktisch Straflosigkeit.
Octavio Ruben Sanchez ist Kabinettssekretär von Staatschef Porfirio Lobo. Sanchez weiß: Der Putsch, die beklagten Menschenrechtsverletzungen haben den Ruf des Landes schwer angeschlagen. Viele Beobachter im Ausland betrachten Honduras inzwischen als gescheiterten Staat. Das will Sanchez aber nicht gelten lassen. Die Regierung tue einiges für mehr Rechtssicherheit:
"Ja, ohne Zweifel versuchen wir das Problem anzugehen. Es gab Gesetzesänderungen, auch Reformen im Polizeiapparat. Wir haben jetzt ein Ministerium für Menschenrechte und wollen mehr für den Schutz von Journalisten tun. All das soll dazu dienen, Verbesserungen einzuleiten."
Honduras und das Verbrechen. Zumindest Owen sitzt ein. Der 17-jährige Mara. Verurteilt wurde er allerdings nicht, wie so viele andere in den Gefängnissen. Die Polizei hat ihn einfach hochgenommen. Wann es jemals zu einem Prozess kommt, weiß er nicht. Owen hat Angst und Schrecken verbreitet. Aber letztlich ist er nur ein kleiner Fisch. Leicht wegzusperren. Anders als viele andere und mächtigere Verbrecher im Land. Der Jung-Kriminelle Owen will weitermachen auf seinem Weg. Sein Leben in Honduras wird wohl ein Leben der Gewalt bleiben:
"Einen Ausstieg gibt es für mich nicht, das würde ich sowieso nicht überleben. Wenn ich mal rauskomme hier, werde ich einfach mehr aufpassen, dass sie mich nicht wieder einsperren. Aber ich werde immer ein Mara 18 bleiben."
"Raub, Mord, Erpressung. Jahrelang. Schon als Kind habe ich mich den Mara 18 angeschlossen."
Die Maras, das sind die Jugendbanden in Zentralamerika. Eingeschworene Gangs, meist streng organisiert, die dem perspektivlosen Nachwuchs aus den Armenvierteln das Gefühl von Macht verleihen. Für viele Honduraner sind die Maras Synonym für Angst und Schrecken. In US-Städten wie Los Angeles wurden sie einst gegründet. Von jungen Migranten meist aus Zentralamerika. Und als die US-Behörden Anfang der neunziger Jahre viele Maras abschoben, übernahmen sie die Kontrolle auf den Straßen von Honduras und El Salvador. Raub, Mord, Erpressung. Und es ging um Einflusssphären. Die beiden dominierenden Banden, die Mara 18 und die Mara Salvatrucha sind tief verfeindet, kämpfen brutal um ihre Stadtviertel.
Daniel Hernandez ist Taxifahrer in San Pedro Sula. Die schwül-heiße Stadt gilt als das Wirtschaftszentrum von Honduras. Zehntausende arbeiten hier in den großen Fabriken der Industriezonen am Rand, die billig vor allem für den US-Markt produzieren. Kleidung oder Elektronik. San Pedro mit seinen 700.000 Einwohnern wirkt auf den ersten Blick ganz normal, nicht gefährlicher als andere Großstädte in Lateinamerika auch. Aber die Wahrscheinlichkeit hier umgebracht zu werden, liegt etwa 20 Mal höher als in einer US-Stadt. Aber es werde immer schlimmer, sagt der Taxifahrer Hernandez:
"Die Busfahrer hier müssen zum Beispiel Schutzgelder zahlen. Und auch die Leute, die ein kleines Geschäft in den barrios haben. Irgendjemand kreuzt auf und sagt, wie viel wann fällig ist. Und wer sich weigert, spielt mit dem Leben. Das Risiko ist ziemlich real."
Monsenor Romulo Emiliano ist Weihbischof von San Pedro Sula. Das Bistum hat seinen Sitz gleich hinter dem Hauptplatz der Stadt. Nachts traut sich niemand mehr ins Zentrum. Zu gefährlich. Die Armut sei schuld, sagt der Weihbischof. Die verleite viele junge Leute zum Verbrechen. Und etwas habe sich grundlegend geändert: Die Mordrate sei in den letzten Jahren steil angestiegen, weil das große Drogenverbrechen Fuß gefasst habe. Honduras gilt als Drehscheibe für den Kokainschmuggel Richtung USA. Und San Pedro liegt genau auf der Route:
"Es gibt die alten Kartelle aus Kolumbien und die neueren aus Mexiko, die hier operieren. 80 Prozent der Drogen werden über Honduras transportiert. Aber die Maras sind nur die kleinen Wachhunde der großen Kartelle. Die machen das richtige Geschäft. Und sie benutzen die Maras für Auftragsmorde und um ihre Routen abzusichern."
Knapp 5000 Maras gibt es in Honduras nach einer offiziellen Schätzung. 5000 finstere Jung-Brutalos, die wohl kaum in der Lage seien, ein ganzes Land aus den Angeln zu heben, sagt der Politologe Graco Perez. Er lehrt an einer Privat-Uni, ein Mann des Bürgertums, das die Kriminellen normalerweise besonders fürchtet. Graco Perez ist überzeugt: Um das Verbrechen zu bekämpfen, reicht es nicht aus, sich auf die Maras zu konzentrieren. Der groß anlegte Drogenhandel sei nur möglich, weil ganz andere Kreise ihre schützende Hand über allem hielten:
"Es gibt Personen und Gruppen mit sehr viel Macht, die direkt in die Geschäfte verwickelt sind. Große Teile sind infiltriert. Parlamentsabgeordnete, die Justiz, Bürgermeister. Wir bräuchten zum Beispiel viel mehr Transparenz, wenn es um die Frage geht, wo Politiker ihr Geld herbekommen. Man lässt die Kartelle ihre Arbeit machen, ohne die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen."
Und seit dem Putsch vor drei Jahren habe sich die Lage deutlich verschlechtert, sagen viele in Honduras. 2009 stürzte das Militär Präsident Manuel Zelaya, einen Politiker aus der traditionellen Oberschicht, der einen unerwarteten Linksschwenk vollzogen hatte. Direkter Auslöser für den Putsch war Zelayas Versuch, die Verfassung zu ändern, damit der Präsident nicht nach einer Amtszeit abtreten muss.
Nach dem Sturz gab es Wahlen, die althergebrachte Oberschicht konnte sich dabei die Macht im Land sichern. Und die Gewaltspirale ging weiter – brutaler denn je. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International beklagen Morde, Übergriffe und Drohungen. Wer sich gegen Landnahmen von Großgrundbesitzern engagiert, muss mit dem Tod rechnen. Auch Journalisten leben gefährlich: Seit dem Putsch wurden 16 Reporter umgebracht nach Angaben einer US-Journalistenvereinigung. Und fast keines dieser Verbrechen wurde aufgeklärt. In Honduras herrscht praktisch Straflosigkeit.
Octavio Ruben Sanchez ist Kabinettssekretär von Staatschef Porfirio Lobo. Sanchez weiß: Der Putsch, die beklagten Menschenrechtsverletzungen haben den Ruf des Landes schwer angeschlagen. Viele Beobachter im Ausland betrachten Honduras inzwischen als gescheiterten Staat. Das will Sanchez aber nicht gelten lassen. Die Regierung tue einiges für mehr Rechtssicherheit:
"Ja, ohne Zweifel versuchen wir das Problem anzugehen. Es gab Gesetzesänderungen, auch Reformen im Polizeiapparat. Wir haben jetzt ein Ministerium für Menschenrechte und wollen mehr für den Schutz von Journalisten tun. All das soll dazu dienen, Verbesserungen einzuleiten."
Honduras und das Verbrechen. Zumindest Owen sitzt ein. Der 17-jährige Mara. Verurteilt wurde er allerdings nicht, wie so viele andere in den Gefängnissen. Die Polizei hat ihn einfach hochgenommen. Wann es jemals zu einem Prozess kommt, weiß er nicht. Owen hat Angst und Schrecken verbreitet. Aber letztlich ist er nur ein kleiner Fisch. Leicht wegzusperren. Anders als viele andere und mächtigere Verbrecher im Land. Der Jung-Kriminelle Owen will weitermachen auf seinem Weg. Sein Leben in Honduras wird wohl ein Leben der Gewalt bleiben:
"Einen Ausstieg gibt es für mich nicht, das würde ich sowieso nicht überleben. Wenn ich mal rauskomme hier, werde ich einfach mehr aufpassen, dass sie mich nicht wieder einsperren. Aber ich werde immer ein Mara 18 bleiben."