Deren Raub hat nicht nur materielle Verluste zur Folge, sondern führt zu einem Ausverkauf der kulturellen Identität eines Landes. Und noch mehr: Ohne den Fundkontext zu kennen, ist das Objekt für die Wissenschaft verloren. Dank laxer gesetzlicher Bestimmungen war die "Kulturnation" Deutschland bislang ein beliebter Umschlagplatz für diese Güter. Das soll sich jetzt mit einem neuen Gesetz ändern.
Eine internationale Tagung in Berlin brachte die unterschiedlichen Standpunkte aus Sicht der verschiedenen Akteure zusammen: die der Politiker, der betroffenen Länder, die der Wissenschaft und die des Handels und mündete in einem Appell der Archäologen, eine Art "Antikenpass" für jedes Objekt zu erstellen.
Eine internationale Tagung in Berlin brachte die unterschiedlichen Standpunkte aus Sicht der verschiedenen Akteure zusammen: die der Politiker, der betroffenen Länder, die der Wissenschaft und die des Handels und mündete in einem Appell der Archäologen, eine Art "Antikenpass" für jedes Objekt zu erstellen.
"Allen an der Konferenz beteiligten Rednern geht es um den offenen und wissenschaftlichen Meinungsaustausch, sodass während der Tagung auch das Gebot der akademischen Freiheit gilt."
Prof. Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts und Vizepräsidentin des Deutschen Verbandes für Archäologie.
"Es ist mir wichtig, dies zu betonen, da ich im Vorfeld der Tagung wie auch andere Institutionen ein Schreiben bekam, in dem die Anwälte eines deutschen Kunsthändlers höflich angeregt haben, entsprechende Maßnahmen zu diskutieren, um eine Verbreitung gerichtlich verbotener Behauptungen auf dieser Tagung gegebenenfalls zu verhindern."
Dabei geht es um eine einstweilige Verfügung, die es dem Teilnehmer und Wissenschaftler Dr. Michael Müller-Karpe verbietet, bestimmte Behauptungen, "wörtlich, auch wenn er dies so nicht gesagt hat, sinngemäß zu wiederholen. Ich zitiere mit Zustimmung von Herrn Müller-Karpe die einstweilige Verfügung: Erstens: Er darf nicht sagen, derzeit im Handel angebotene Altertümer des Nahen Ostens können nur illegaler Herkunft sein. Zweitens: Der Kunsthandel veräußere in vornehmen Repräsentanzen, auf Antikenmessen und in Auktionshäusern im Westen aktuell in Krisengebieten geplündertes Kulturgut. Drittens: Der Antikenhandel fördere mit Objekten, an denen Blut kleben würde, die Zerstörung archäologischer Stätten und finanziere damit den Terrorismus. Hiermit, denke ich, bin ich der höflichen Anregung der Anwälte des Kunsthändlers in ausreichendem Maße gefolgt (Beifall, Rufe) und möchte selbst noch anregen, dass wir uns in den kommenden Tagen intensiv mit den Fragen, die dieses Schreiben inhaltlich aber auch, so denke ich, prinzipiell aufwirft, befassen sollten. Herzlichen Dank!"
Milliardengeschäft mit Raubkunst
Es geht um Milliarden aber auch um Kulturgut und Wissenschaft. Nach Drogen und Waffen ist der Handel mit geraubten Antiken der drittgrößte auf einem Markt mit teilweise mafiösen Strukturen. Sein Gesamtvolumen wird auf zehn Milliarden US-Dollar geschätzt. Und er wächst rasant, auch deshalb, weil die aktuellen Krisenregionen gleichzeitig die Wiege der Menschheit sind: Irak und Syrien.
"Wie viele illegale Grabungen gibt es? Wie viele Sammlungen wurden aufgrund einer Ideologie wie beispielsweise der von ISIS oder anderen extremen Gruppen zerstört? - fragt Maamoun Abdulkarim, Generaldirektor der syrischen Staatlichen Verwaltung für Antiken und Museen."
Und er fährt fort: Wir haben in Syrien 10.000 archäologische Stätten. Wie sollen wir die beschützen? Die Geschichten ähneln sich, ob aus dem Irak, aus Nigeria, aus Mosambik, aus Ägypten oder aus Mexiko. Betroffen von Raubgrabungen sind aber auch Länder in Europa wie Griechenland, Italien oder Deutschland. Friederike Fless:
"Wenn in Deutschland gegraben wird, und man gräbt ein Gräberfeld, dann muss nachts immer irgendein Student Wache halten, damit nicht nachts die Grabräuber kommen, also es ist ein internationales Phänomen."
Drehkreuz Deutschland
Doch nicht die Ausgräber vor Ort machen das große Geld. Die Traummargen mit antiken Schätzen erzielt der Handel. Ein Drehkreuz für den Handel mit Objekten aus Raubgrabungen ist Deutschland. Das hat seinen Grund in einer bislang sehr laxen, händlerfreundlichen Gesetzgebung.
"Deutschland hat sich bisher, da gibt es nichts zu beschönigen, nicht gerade als Pionier hervorgetan, was gesetzliche Regelung zum Schutz von Kulturgut betrifft", sagt Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien.
"Die UNESCO-Konvention zum Kulturgutschutz aus dem Jahr 1970 wurde hierzulande erst 2007 ratifiziert."
Also 37 Jahre später, flankiert von einem deutschen Gesetz mit weichen Regelungen und Vorschriften, die "obendrein ganz offensichtlich, das hat die Evaluation ja jetzt auch ergeben, wenig praktikabel sind. Denn obwohl es Beschlagnahmungen und ganz berechtigte Rückgabeansprüche gegeben hat, ist bisher leider kein einziges Objekt, auf Grundlage dieses Gesetzes jedenfalls, zurückgegeben worden. Zwar gab es in den vergangenen Jahren freiwillige Rückgaben."
Ankeraxt des Königs Schulgi
Wie beispielsweise die über 4000 Jahre alte Ankeraxt des Königs Schulgi, quasi das Gründungszeichen der antiken Stadt Ur. Die Axt hatte das BKA auf der Kunstmesse TEFAF in Maastricht entdeckt. Sie wurde dann in Deutschland sichergestellt und bei der Staatsanwaltschaft Köln gelagert. Doch dann sah sich der irakische Staat nicht in der Lage, sein rechtmäßiges Eigentum an der Axt nachzuweisen. Gleichzeitig war klar, dass die Bronze nur aus einer Raubgrabung stammen konnte. Mangels Beweisen wurde das Verfahren gegen Auflagen gegen den Kunsthändler eingestellt.
Nach Interventionen des Wissenschaftlers Dr. Michael Müller-Karpe vom Römisch Germanischen Zentralmuseum Mainz, und einer Sendung im Deutschlandfunk, übergab Außenminister Steinmeier die Axt in Bagdad dem damaligen Ministerpräsidente Maliki. Es gab also freiwillige Rückgaben.
"Doch das Gesetz, das eigentlich dafür geschaffen wurde, kam nicht zum Zuge."
Denn Objekte, die illegal ausgegraben werden, können nicht auf vom Gesetz geforderten offiziellen Listen stehen.
"Deshalb werden wir nun mit der Gesetzesnovelle zum Kulturgutschutz, die ich in der ersten Jahreshälfte 2015 der Öffentlichkeit, auch dem Bundestag, vorlegen werde, einen längst überfälligen Paradigmenwechsel einläuten."
Einfuhr in Zukunft nur mit Erlaubnis des Herkunftslandes
Jeder, der in Zukunft ein antikes Objekt einführen will, benötigt die Erlaubnis des Herkunftslandes, eine Regelung, die auch im Sinne der Wissenschaftler ist. Nicht ganz so begeistert reagiert der Handel. Dr. Ursula Kampmann ist Kulturgüterschutzbeauftragte der IADAA, der International Association of Dealers in Ancient Art.
"Ein Händler, der legal handelt, der richtet sich selbstverständlich nach allen deutschen Gesetzen", sagt die Vertreterin der IADAA. "Und wir haben in Deutschland eine hervorragende Gesetzgebung. Und deswegen gibt es genaue Auflagen, die man befolgt, und es gibt darüber hinaus zum Beispiel meine Organisation, die IADAA, wir haben uns schon 1993 einen Code of ethics gegeben, einen Ethikcode, nach dem wir besonders verantwortungsvoll vorgehen, wenn es sich um Kulturgüter handelt."
Es war übrigens ein Vorstandsmitglied der IADAA, bei dem die Schulgi-Axt auf der Messe TEFAF vom BKA entdeckt wurde. Um vor solchen Überraschungen gefeit zu sein, empfiehlt Michael Müller-Karpe Sammlern antiker Objekte:
"Sammler sollen Fragen stellen. Sie sollen Fragen stellen, wo kommen die Dinge her, die sie kaufen wollen. Archäologische Objekte legaler Herkunft, die haben Dokumente des Landes der Fundstelle."
Goldhut aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin
Nicht nur Privatsammler kaufen womöglich illegale Antiken, auch Museen haben lange Jahre Objekte unklarer Herkunft erworben. Ein Beispiel ist der Goldhut aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Prof. Matthias Wemhoff ist Direktor des Museums und Landesarchäologe von Berlin.
"Wir haben einige Objekte angekauft in den vergangenen Jahren, mein Vorgänger Wilfried Menghin, noch ganz besonders unter dieser Maßgabe des Museums of last resort, also was passiert eigentlich mit Objekten, deren Herkunft aus den deutschen Gebieten ziemlich sicher ist, aber die nicht mehr lokalisiert werden können, also die auch nicht mehr in die Zuständigkeit eines Bundeslandes fallen, die aber so elementar eigentlich wichtig sind, wie zum Beispiel der Goldhut, weil sie so exzeptionelle Stücke darstellen, und da lässt ja schon die Berliner Resolution den Weg zu, es muss für jede Nation auch ein Museum of last resort geben."
In dieser Resolution haben sich die Museen 2003 verpflichtet, dass keine Stücke unklarer Provenienz mehr von deutschen Museen erworben werden.
"Wir sind jetzt aufgrund dieser Explosion auch von Raubgrabungen mit einer geradezu schon perfiden Logistik auch dahinter für einen Markt, ganz klar zu der Haltung gekommen, es muss generell unterbunden werden, und es darf damit keinen Handel geben. Kulturgüter sind mehr als Wertobjekte, und sie dürfen jetzt nicht in diesen Hype wie man ihn bei moderner Kunst oder anderen Sachen erlebt als Geldanlage mit hineinkommen. Sie dürfen diesem kommerziellen Faktor eigentlich nicht unterworfen werden."