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Raubkunst-Suche
Deutschland und Israel arbeiten zusammen

Deutschland und Israel wollen künftig bei der Suche nach NS-Raubkunst zusammenarbeiten. Beide Seiten werten das als "großen Vertrauensbeweis". Kulturstaatsministerin Monika Grütters fordert zudem, dass die deutschen Kulturinstitutionen ihre NS-Vergangenheit besser erforschen.

Von Stefan Koldehoff |
    Farbtöpfe und Pinsel stehen in einem Atelier.
    Auch der Etat für Provenienzforschung wurde stark erhöht. (picture alliance / Horst Ossinger - Horst Ossinger)
    Natürlich ist Kulturpolitik immer auch Politik – ganz gleich, wie erfolgreich sie in der Sache ist. Und erfolgreich ist schon jetzt, was Kulturstaatsministerin Monika Grütters in den ersten sechs Monaten ihrer ersten Amtszeit im Bereich der NS-Raubkunst angestoßen hat: Der Etat für Provenienzforschung wurde maßgeblich erhöht. Arbeitsstellen sollen enger zusammen arbeiten, Strukturen effektiver gemacht werden. Ein "Deutsches Zentrum Kulturgutverlust" wird entstehen .
    Das ist weit mehr, als in den Jahren zuvor stattgefunden hat. Und die Kunsthistorikerin Grütters ist bei diesem Thema Überzeugungstäterin: Sie will, dass die deutschen Kulturinstitutionen ihre NS-Vergangenheit erforschen und – wo und so das überhaupt noch möglich ist – nachträglich korrigieren.
    Politik bedeutet aber immer auch, das Umfeld mit zu beachten – und das heißt in diesem Fall: die Kolleginnen und Kollegen am Kabinettstisch, die mit staatstragenden Ressorts wie Verteidigung, Finanzen oder Innenpolitik die Kultur sicher immer wieder als das Sahnehäubchen auf der Thementorte sehen: Sieht nett aus, schmeckt auch lecker – ist aber nicht unbedingt notwendig fürs große Ganze. Zumal ja die Hoheit für viele kulturpolitische Themen ohnehin bei den Bundesländern und eben nicht beim Bund selber liegt. Warum also noch mehr Geld bewilligen?
    Dilettantischen Umgang mit dem Fall Gurlitt
    Deshalb braucht auch die Kulturpolitik symbolische Akte, die der Öffentlichkeit zeigen, dass es hier nicht um Interessenpolitik, sondern um das Selbstverständnis des demokratischen Staates geht. Dann ist auch vieles möglich – und finanzierbar -, was vorher unmöglich schien: Fortschritte beim Thema NS-Raubkunst gab es in dem Augenblick, als aus Washington und Tel Aviv Briefe im Berliner Kanzleramt eingingen, die den dilettantischen Umgang mit dem Fall Gurlitt monierten.
    Danach erst war es möglich, Etats zu erhöhen. Danach erst wurde schnell eine "Task Force" eingerichtet – deren Arbeit nach Angaben von jüdischen Erbenvertretern bislang allerdings auch eher symbolisch verläuft. Danach erst konnte die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, sagen: "Seit Gurlitt muss ich niemandem mehr erklären, dass wir in Deutschland nach wie vor ein NS-Raubkunst-Problem haben."
    Nun also der nächste symbolische Akt: Deutschland und Israel haben am Wochenende vereinbart, bei der Provenienzrecherche zusammenzuarbeiten. Politisch ist dieser Schritt gar nicht hoch genug zu bewerten, denn er belegt, wie wichtig der Bundesregierung dieses Thema tatsächlich geworden ist.
    Ist das aber endlich auch in den deutschen Museen tatsächlich angekommen, von denen nach wie vor nur ein geringer Teil feste unbefristete Raubkunstsuche finanziert? Von denen in diesem Jahr behauptet wurde, immerhin seien seit 1998 doch schon 12.000 Kulturgüter an Erben restituiert worden. Von denen aber verschwiegen wurde, dass darunter eine Plakatsammlung einfach mal aus zahlenkosmetischen Gründen als 4200 oder eine Bibliothek als 2000 Einzelstücke gezählt wurden – und tatsächlich seit 1998 gerade einmal bescheidene elf Anspruchsteller pro Jahr positiv beschieden wurden? Und von denen nach wie vor regelmäßig die zum Teil hoch betagten Erben jüdischer NS-Opfer, die heute zum Teil in Israel leben, nicht einmal Antworten auf ihre Anfragen oder Zugang zu den Museumsarchiven erhalten – nicht selten mit der Begründung, über das Thema werde gerade publiziert?
    Jede Kooperation im Bereich der NS-Raubkunstforschung ist gut und richtig, denn die zwischen 1933 und 1945 gestohlene Kunst befindet sich heute überall auf der Welt – auch und selbst in Israel, wie Bilder von Max Liebermann und Camille Pissarro im Israel Museum in Jerusalem in der Vergangenheit belegt haben.
    Den Eindruck aber, dass diese Aufgabe und die Menschen, die Hoffnung in sie setzen, in Deutschland immer noch nicht ernst genug genommen werden, kann die Absichtserklärung vom Wochenende trotzdem nicht völlig entkräften. Da ist Kulturpolitik dann eben doch auch wieder Politik.