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Raumfahrt
Europa muss das Raketen-Recycling noch lernen

Das Recyclen von Raketenstufen spart Kosten. In den USA ist das schon möglich, nun will auch Europas Weltraumagentur wiederverwendbare Stufenraketen bauen. Die Flugkörper sollen aus zwei Teilen bestehen, wovon einer Flügel hat, mit denen er zum Boden hinuntergleiten kann.

Von Guido Meyer |
Zwei SpaceX Falcon-Heavy-Raketen landen wieder in Cape Canaveral in Florida nachdem sie einen saudiarabischen Satelliten ins All gebracht haben
Ausgebrannte Raketenstufen der Falcon-Heavy-Rakete kehren vollautomatisiert zurück zum Startplatz (dpa / Planet Pix / Spacex)
Kein Baseballmatch, kein Footballspiel, kein Stadion weit und breit – es sind zwei ausgebrannte Raketenstufen, die zurückkehren zum US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral und dabei von SpaceX-Mitarbeitern regelrecht angefeuert werden. "Der Falke ist gelandet", sagt die SpaceX-Sprecherin, und meint: Beide Stufen der Falcon-Heavy-Rakete sind wohlbehalten und vollautomatisch zurückgekehrt zum Startplatz, dorthin, von wo sie wenige Minuten zuvor abgehoben waren. Dann werden sie überholt, aufgetankt und wiederverwendet. Das funktioniert seit mehr als zwei Jahren wie am Schnürchen. SpaceX spart so ungefähr ein Drittel der Startkosten. So etwas würde Europa auch gerne können:
"Ich glaube, dass wir es auf jeden Fall könnten, aber wir sind noch nicht so weit, dass wir es jetzt schon bauen könnten, sondern wir sind noch dabei, die Phänomene zu verstehen."
Ansgar Marwege arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, und zwar am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Über- und Hyperschalltechnologien. Was SpaceX bei den amerikanischen Raketen der Falcon-Reihe kann, das möchte auch Europas Weltraumagentur ESA bei ihren Ariane-Raketen realisieren:
"Man fliegt mit einer kompletten Rakete aus zwei Teilen bestehend in den Orbit. Und auf dem Weg trennt man einen Teil davon ab. Der zweite, der fliegt weiter in den Zielorbit. Und der erste Teil, der wird wieder gelandet."
Gleitende Raketenstufe mit Flügeln
Für Europa käme eine Rückkehr zum europäischen Weltraumbahnhof nach Kourou in Frage, an der Küste von Französisch-Guyana gelegen. Nach Brennschluss würde sich die ausgebrannte erste Stufe zunächst von der Hauptstufe lösen:
"Dann hat man eine Phase, in der man sich fallen lässt und das ein bisschen steuert mit den Steuerflächen, die man hat, also mit den Flügeln im Prinzip. Und dann im Landeanflug bremst man noch einmal ab, um dann wirklich den Rest abzudämpfen und möglichst sanft die Rakete abzusetzen."
Bis dahin ist es für Europas Raumfahrt noch ein langer Weg. Zunächst einmal stehen ab März Tests mit ersten Modellen im Windkanal beim DLR in Köln an:
"Die Windkanalmodelle sind so ungefähr ein halber Meter, bisschen kleiner."
Die Europäer hinken der privaten Konkurrenz aus den USA derzeit also noch meilenweit hinterher, wenn es um das Recyceln ihrer Raketen geht. Frühestens die Zusatzstufen einer späteren, hypothetischen "Ariane 7", irgendwann im nächsten Jahrzehnt, könnten über Flügel verfügen, mit denen sie zum Startplatz zurückkehren, ergänzt Martin Sippel, Leiter des Bereichs Systemanalyse Raumtransport beim DLR in Bremen.
"Die Flügel liefern Auftrieb, wie beim Flugzeug, und verzögern dabei auch die Geschwindigkeit. Na ja, man kann sagen, sie gleiten."
Abschleppen mit einem Flugzeug
Dieser Gleitflug einer ausgebrannten Raketenstufe bietet noch eine andere Möglichkeit, sie wohlbehalten zurück auf den Boden zu bekommen, um sie später wieder einzusetzen:
"In acht bis zehn Kilometer Höhe wartet ein Unterschallflugzeug darauf, dass die Raketenstufe kommt und sich ihm nähert. Und dann wird aus dem Schleppflugzeug eine Einrichtung ausgeklinkt, die sich dann vorsichtig der Raketenstufe nähert."
Es handelt sich um ein "Schleppflugzeug", weil genau das die Absicht ist: Es soll sich mittels einer Greifvorrichtung in der Raketenstufe verhaken und diese zurück zum Startplatz schleppen. Dieser Abschlepphaken befände sich vorne oben auf der Raketenstufe – also genau dort, wo ihn das über der Raketenstufe fliegende Flugzeug erreichen kann. Dass dieses Verfahren funktioniert, hat das DLR in den vergangenen Monaten im Rahmen des Projekts Falcon mit kleinen, einmotorigen Flugzeugen und Raketenstufenmodellen demonstriert:
"Und dann kurz vor der Landung, sagen wir in einigen Tausend Metern Höhe, wird die geflügelte Stufe ausgeklinkt. Und die kann ja fliegen, als Segelflugzeug, und landet dann auf der Rollbahn."
Vertikale Landung am Startplatz oder Abschleppen in der Luft – zwei Möglichkeiten, mit denen das DLR derzeit experimentiert, um herauszufinden, was der beste Weg ist, um künftig auch in Europas Raumfahrt des Recyceln einzuführen.