Einen "Zugang für künftige amerikanische Raketen" solle dieser Flug von SpaceX schaffen, so der Sprecher der US-Raumfahrtbehörde NASA beim Start der Falcon 9 am Sonntag. Damit gemeint ist ein neuer Adapter für die Internationale Raumstation, an den künftig die Kapseln von SpaceX und die des Konkurrenten Boeing docken sollen, wenn sie in zwei Jahren damit beginnen, Astronauten zur ISS zu fliegen. Verstaut war dieser Adapter im unbemannten Nutzlastcontainer Dragon, oben auf der Spitze der Falcon 9. Deren Lift-off verlief einwandfrei, die erste Stufe leistete ganze Arbeit, bis genau 148 Sekunden nach dem Start die Fluguhr stehen blieb.
Die Zuschauer in Cape Canaveral, Florida, brachen in Jubel aus und hielten das Schauspiel am Himmel für die gelungene Trennung der ersten von der zweiten Stufe. Tatsächlich jedoch war der Flug der Falcon zu diesem Zeitpunkt beendet. An den Motoren der beiden Stufen lang es nicht; so viel ist sicher; denn die funktionierten auch weiter. Vielmehr hatte sich im mit flüssigem Sauerstoff gefüllten Tank der zweiten Stufe der Druck erhöht, aus bislang unbekannten Gründen.
Kurz nachdem die Rakete die Schallmauer durchbrochen und Max Q erreicht hatte - den Zeitpunkt der höchsten Belastung beim Start -, brachte der Druck die weiße Tankverkleidung der zweiten Stufe zum Abplatzen. Durch diese Instabilität löste sich die Dragon-Kapsel oben auf der zweiten Stufe, woraufhin auch der Rest der Rakete auseinanderbrach. Es gab keine Explosion und keine Sprengung, sondern eine Kettenreaktion von Ereignissen, denen die Rakete bei einer Geschwindigkeit von fast 5000 Kilometern pro Stunde nicht standhalten konnte.
"Das ist ein ziemlicher Schlag für uns. Wir haben den Dockingadapter verloren, einen neuen Raumanzug und eine ganze Menge von Experimenten."
William Gerstenmaier, stellvertretender NASA-Chef und zuständig für bemannte Raumfahrt, musste den Verlust der Nutzlast gestern erst einmal verdauen. Denn dieser Fehlstart war nicht der erste Rückschlag bei der Versorgung der Raumstation.
"Erst hatten wir den Fehlstart der Firma Orbital mit ihrem Cygnus-Container im Herbst, dann den Verlust einer russischen Progress-Kapsel im Mai und nun den Misserfolg von SpaceX. Wir haben zwar damit gerechnet, im Rahmen des kommerziellen ISS-Cargo-Programms einige Raumschiffe zu verlieren. Ich hätte aber nicht damit gerechnet, sie alle binnen eines Jahres zu verlieren."
Dieser Fehlstart kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, sowohl für die NASA wie für SpaceX. Denn der amerikanische Kongress will die Gelder kürzen, mit denen die NASA Firmen wie SpaceX, Orbital und Boeing derzeit unterstützt, damit diese eigene Kapseln entwickeln, die in Kürze auch Menschen zur Raumstation bringen sollen. Solch ein Rückschlag erhöht nicht gerade das Vertrauen der politischen Entscheidungsträger in Washington.
"Die gute Nachricht ist: Wir haben einen zweiten Dockingadapter. Und wir werden alles daran setzen, ihn ins All zu bekommen, damit die kommerziellen Mannschaftskapseln künftig an die ISS docken können."
Michael Suffredini ist bei der NASA Manager für das Raumstationsprogramm. Und es gibt noch weitere gute Nachrichten: Die Dragon-Kapsel dürfte das Auseinanderbrechen der Falcon 9 relativ intakt überstanden haben und wahrscheinlich auch den Aufprall auf den Atlantischen Ozean. Derzeit suchen Schiffe der NASA vor der Küste Floridas nach ihr. Womöglich lässt sich so einiges der Nutzlast noch retten. Und: Der Crew an Bord der ISS geht es auch ohne frischen Nachschub gut. Die Vorräte reichen bis Oktober. Bereits am Freitag wollen die Russen die ISS wieder anfliegen, im August ist Japan wieder an der Reihe, und der nächste Start eines Cygnus-Containers von Orbital im Dezember soll vielleicht vorverlegt werden, so ein geradezu philosophischer Michael Suffredini.
"Es geht nicht darum, ob man stolpert und fällt. Was wir tun, nachdem wir gestolpert und gefallen sind - das ist es, was Erfolg und Größe ausmacht."