Es ist der Moment, auf den Eberhard Grün lange gewartet hat: Die Raumsonde Rosetta ist in Sichtweite von Komet 67P / Tschurjumow-Gerasimenko gelangt. Vor 30 Jahren beschäftigte sich der heute 72-jährige Planetologe zum ersten Mal mit dieser Mission.
"Da ergab sich dann auch der Name Rosetta: Den hab ich mir überlegt. Da war ich dann einige Nächte in der Universitätsbibliothek und habe über Rosetta gelesen. Denn das Symbol Rosetta war schon bekannt. Das passte nämlich sehr genau."
Der Stein von Rosetta nämlich, eine 1799 im Niltal gefundene antike Steinstele mit einer dreisprachigen Inschrift – und somit der Schlüssel, die Hieroglyphen zu entziffern.
"Das, was man eigentlich wissen will: Wie ist unser Zusammenhang mit dem Universum, mit der Galaxie, mit den Sternen – das Material, was die Sterne ausstoßen? Wie hängt das zusammen mit dem meteorotischen Material, was wir ja schon in den Händen haben? Und die Kometen sind praktisch das Bindeglied dazu."
Kometen gelten als urtümliche Körper, die irgendwo am Rand des Sonnensystems entstanden sind und dort Jahrmilliarden überdauerten: Es sind Boten aus der Entstehungszeit der Planeten. Die meisten von ihnen sind nur wenige Kilometer groß und bestehen aus einem Gemisch aus Staub, Eis und etwas organischem Material. Gelegentlich gelangt einer dieser Brocken auf eine Umlaufbahn, die ihn der Sonne näher bringt – und hier fangen die Wissenslücken an.
"So ein Komet ist ja nicht einfach ein Brocken aus Eis und Staub – ein Gemisch -, sondern der lebt. Wenn der in die Nähe der Sonne kommt, fängt das Eis zu sublimieren an und Staub geht weg."
Das feste Eis wird also gasförmig, reißt Staubpartikel mit – und ein Kometenschweif prägt sich aus. Wie das genau funktioniert, ist aber bislang unklar. Denn die äußerste Schicht fester Kometenkerne besteht vor allem aus Staub. Das Eis lagert gut isoliert darunter.
Eberhard Grün:
"Die Wärme muss ins Innere dringen, die wird abgeschirmt. Der Körper, selbst wenn er vorher die Milliarden Jahre im äußeren Sonnensystem verbracht hat, wird sich sehr stark verändern, sobald er ins Innere Sonnensystem kommt und diese starke Sublimation anfängt."
Am 11. November soll die Sonde Philae von Rosetta abdocken
Insgesamt zehn Instrumente an Bord von Rosetta erkunden den Staub des Himmelskörpers, seine innere Struktur und auch die organischen Moleküle: Moleküle, die Kometen eventuell vor Jahrmilliarden als erste Grundbausteine des Lebens auf die Erde lieferten. Kameras erstellen eine zentimetergenaue Karte des Kometenkerns. Dann am 11. November soll die huckepack getragene Sonde Philae von Rosetta abdocken – und auf der Oberfläche landen. Für Ekkehard Kührt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist das ein Höhepunkt der Mission – und zugleich ein riskantes Manöver.
"Das ist was Spektakuläres, was Einmaliges. Aber man muss auch sagen: Die Haupterkenntnisse für die Kometenforschung werden aus den zehn Orbiterinstrumenten kommen. Denn Philae kann nur einen ganz begrenzten Landeplatz untersuchen. Das sind ein paar Quadratmeter. Während die Orbitführung – die Sonde soll den Kometen ja eine ganze Weile umkreisen – dagegen eine komplette Abdeckung mit allen Instrumenten erreichen kann."
Doch auch der Rundumblick von Rosetta ist nicht frei von Risiken: Tschurjumow-Gerasimenko nähert sich in den nächsten Monaten der Sonne und wird dabei immer wärmer. Bis zum nächsten Sommer wird sich der Schweif ausbilden, Staub und Eis sprühen – und das nicht nur ins Sonnensystem, sondern auch auf Rosetta mit seinen 32 Meter langen Solarzellen.
"Wir kommen sehr nah ran und werden mit viel Staub in Berührung kommen. Selbst wenn der sich sehr sanft dem Raumschiff nähert, kann er doch eine Menge Schaden anrichten. Die Solarzellen blind machen oder auch die Objektive blind machen, einfach indem sich eine Staubschicht darauf legt."
Rosetta wird wohl vom ersten Tag an eine fordernde Mission für die Planetologen. Der Kometenkern kann sich täglich verändern. Schon vor der Ankunft beobachteten die Forscher für mehrere Wochen eine Staubwolke um den Kometen, die plötzlich wieder verschwand. Eberhard Grün ist dennoch überzeugt, einen sicheren Landeplatz für Philae finden zu können. Nach der Ankunft morgen wird sich Rosetta aus einer Höhe von 100 Kilometern langsam nach unten schrauben und danach Ausschau halten.
"Der Körper ist schon – das muss man sagen – bizarr: Er hat viel Oberflächenstruktur bis runter zu der Auflösungsgrenze der jetzigen Bilder. Das muss man jetzt abwarten, was die nächsten Bilder zeigen. Also bis jetzt würde ich nicht sagen wollen, wo man landen soll."