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Raumfahrt
Wie kommen Astronauten möglichst unbeschadet zum Mars?

Innerhalb der kommenden 20 Jahre könnten Menschen zum Mars fliegen - das nächste große Ziel im Weltall. Doch viele Fragen sind noch offen, zum Beispiel, wie die Astronautinnen und Astronauten möglichst gut vor der Strahlung im All geschützt werden können. Eine aktuelle Studie liefert Antworten.

Yuri Shprits im Gespräch mit Kathrin Kühn |
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Auf dem Weg zum Roten Planet stellt die Weltraumstrahlung ein großes Risiko für Menschen dar. (imago images | StockTrek Images)
Die USA, Russland oder China: Mehrere Länder streben in der Zukunft eine bemannte Mission zum Mars an. Eine entscheidende Frage dabei: Wie überstehen die Menschen die Reise zum Roten Planet, besonders die Strahlung im All? Wie Astronautinnen und Astronauten auf dem Weg zum Mars geschützt werden können, untersucht der Weltraumphysiker Yuri Shprits. Gerade hat er mit einem Team eine Studie Fachjournal "Space Weather" dazu vorgelegt.
Demnach gibt es zwei Arten gefährlicher Strahlung, vor denen die Astronauten geschützt werden müssten, um eine jahrelange Mission zum Mars zu überstehen. Dabei könnte eine Aluminiumhülle zum Einsatz kommen. Die sollte eine bestimmte Dicke haben, um vor der Außenstrahlung abzuschirmen und gleichzeitig keine hohe Sekundärstrahlung im Inneren des Raumschiffs erzeugen.

Das Interview in voller Länge:

Kathrin Kühn: Ist eine Reise zum Mars für Menschen zu schaffen, was die Strahlung angeht?
Yuri Shprits: Ja, also es wird viel zu diesem Thema geforscht, mit viel Aufmerksamkeit auf die biologischen Auswirkungen der Strahlung und wie sie sich im Raumschiff ausbreitet. Wir haben für unsere Studie das Wissen von Raumfahrtingenieuren und Nuklearingenieuren kombiniert, um zu verstehen, ob eine solche Reise möglich wäre. Wir modellieren also die Strahlung. Und unsere Schlussfolgerung ist: Es ist technisch ziemlich schwierig, aber es ist möglich!

Zwei Arten von gefährlicher Strahlung

Kühn: Es ist möglich, aber schwierig. Was ist denn so schwierig, was wäre für eine Crew so gefährlich im All?
Shprits: Es gibt da zwei Arten von gefährlicher Strahlung. Die erste Art von Strahlung sind hochenergetische Teilchen, die die Sonne in den Weltraum schleudert. Und das ist eine große Menge an Strahlung. Und wenn die Astronauten davor nicht geschützt sind, kann das sehr gefährlich sein. Die andere Art ist die galaktische kosmische Strahlung. Sie kommt von außerhalb des Sonnensystems. Und obwohl der Teilchenfluss hier viel geringer ist als der der Sonnenenergie, kann sich diese Strahlung bei Langzeitflügen akkumulieren und ebenfalls sehr gefährlich werden. Es ist also wichtig, sich vor diesen beiden Strahlungsarten zu schützen.
Kühn: Was sagen denn Ihre Berechnungen, wie lange könnten Menschen dieser Strahlung überhaupt ausgesetzt sein, ohne ein Schutzkonzept?
Shprits: Wenn es gar keine Abschirmung gibt, dann kann sogar eine einzige Sonneneruption gefährlich sein. Wenn es eine leichte Abschirmung gibt oder ein Raumschiff, das die Astronauten etwas abschirmt – dann könnten die gefährlichen Strahlungszeiten ungefähr innerhalb eines Jahres erreicht werden. Aber es gibt Möglichkeiten, die Reise zu verlängern.
Kühn: Wie lange würde denn eine Mars-Mission überhaupt dauern, um das jetzt einzuschätzen?
Shprits: Es gibt unterschiedliche Schätzungen für verschiedene Mars-Missionen. Und das hängt auch davon ab, wie viel Treibstoff zur Verfügung steht und wie schnell die Raumfahrzeuge fliegen. Aber es ist realistisch, zum Mars zu fliegen, auf dem Mars zu landen und innerhalb von zwei Jahren zurückzukehren. Es hängt natürlich davon ab, ob eine Landung geplant ist oder es nur ein Vorbeiflug sein soll. Aber unsere Berechnungen zeigen, dass es bei optimaler Abschirmung, wenn man das am besten abgeschirmte Raumschiff hat, möglich ist, die Reise auf fast vier Jahre zu verlängern.

Verschiedene Möglichkeiten, die Strahlung abzuschirmen

Kühn: Was heißt denn ein optimaler Schutz, wie müsste ein Raumschiff gebaut sein, was ist da wichtig?
Shprits: Also es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Strahlung abzuschirmen. Wir haben uns ein Aluminium angesehen, das von unseren Ingenieuren normalerweise für Raumfahrzeuge verwendet wird. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass für einen solches Aluminiumschutz eine Materialstärke von 30 Gramm pro Quadratzentimeter nötig wären. Und das ist eine ziemlich schwere Abschirmung, etwas, wie man es auf der Internationalen Raumstation finden würde.
Kühn: Jetzt habe ich in diese Studie geschaut und habe gesehen – das passt zu diesem Spruch in Deutschland - Viel hilft viel, dass das eben oft nicht so ist. Also diese Schutzhülle da noch dicker zu machen, da sagen Sie, das wäre sogar ein Risiko – warum?
Shprits: Das ist wahr. Das ist ein wirklich interessantes Ergebnis, denn es zeigt sich, dass man nicht einfach die Abschirmung erhöhen kann, um die Astronauten besser vor Strahlung zu schützen. Also wenn das Raumschiff schwerer oder die Abschirmung dicker ist als optimal, dann würde das eine viel stärkere sogenannte Sekundärstrahlung erzeugen. Das ist die Strahlung, die im Inneren des Raumschiffs oder in den Wänden des Raumschiffs entsteht. Und das würde die Dinge nur noch gefährlicher machen.
Kühn: Könnten Sie erklären, was da passiert, bei einer secondary radiation, also einer sekundären Strahlung?
Shprits: Also - diese Teilchen, die von außerhalb des Sonnensystems stammen, die sind so schwer und energiereich, dass sie, wenn sie mit dem Abschirmungsmaterial zusammenstoßen, eine ganze Kaskade neuer Teilchen erzeugen. Sie erzeugen also neue Teilchen in der Abschirmung. Und das ist dann schädlich für die Astronauten. Unsere Modellierung zeigt, dass also zu dicke Schutzwände nur zu einer höheren Strahlung führen und die mögliche Dauer der Marsmission also sogar verkürzen.

Milliarden Tonnen ionisiertes Gas

Kühn: Was dann auch wichtig ist – der Reisezeitpunkt. Also noch ein wichtiger Faktor, was sollte da beachtet werden?
Shprits: Ja, das war auch eine spannende Erkenntnis. Normalerweise ist die gefährlichste Zeit im Weltraum während des Sonnenmaximums, wenn die Sonne am aktivsten ist, wenn sie Milliarden Tonnen ionisiertes Gas in den Weltraum schleudert. Da wissen wir jetzt, dass wir die Astronauten davor schützen können. Aber wir können sie nicht schützen vor den Teilchen, die von außerhalb des Sonnensystems kommen. Sie sind einfach so energiereich, dass wir sie nicht abschirmen können. Und während des Sonnenmaximums werden eben einige dieser Teilchen aus dem Sonnensystem abgelenkt, so dass diese extrasolaren Teilchenflüsse geringer sind. Unsere Ergebnisse zeigen also, dass der beste Zeitpunkt für einen Flug zum Mars tatsächlich genau dann wäre, wenn die Sonne im Massefluss am aktivsten ist.
Kühn: Viel neues Wissen, um einen Marsflug zu planen dank ihrer Studie – abschließend die Frage, was denken Sie denn – wann fliegen die ersten Menschen zum Mars?
Shprits: Das ist eine interessante Frage. Die Raumfahrtagenturen planen das für in etwa 15 bis 20 Jahren. Aber die kommerziellen Unternehmen sagen, dass sie vielleicht schon in fünf oder vier Jahren zum Mars fliegen können. Ich denke, es gibt da noch eine Reihe von unbeantworteten technologischen Fragen. Es bleibt immer noch unklar: Wie bauen wir dieses Raumschiff? Wie fliegen wir dorthin? Es ist klar, dass die Strahlung uns Grenzen setzt. Aber kommerzielle Unternehmen haben uns in der Vergangenheit schon überrascht. Und im Allgemeinen wollten die Menschen schon immer zu weit entfernten Orten reisen. Wir waren schon auf den höchsten Bergen und auf dem Mond. Ich denke also, dass wir sicherlich bald dorthin gelangen werden, denn das liegt in unserer menschlichen Natur.
Kühn: Yuri Shprits – vielen vielen Dank für dieses Gespräch.
Shprits: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.