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Raumpolitik im Neuen Berlin
Globaler Sehnsuchtsort?

Die Ausstellung "1989–2019: Politik des Raums im Neuen Berlin" untersucht wie Berlin zu dem geworden ist, was es heute ist. Sie will "die Mythen, die sich seit der Wende um Berlin gebildet haben, dekonstruieren", erklärte Anh-Linh Ngo, einer der beiden künstlerischen Leiter, im Dlf.

Anh-Linh Ngo im Corsogespräch mit Achim Hahn |
Ausstellungsansicht Neuer Berliner Kunstverein, 2019:
Ausstellungsarchitektur von ARCH+ in Zusammenarbeit mit Peter Grundmann (© Neuer Berliner Kunstverein / Jens Ziehe)
Der Ausgangspunkt der Ausstellung "1989–2019: Politik des Raums im Neuen Berlin" im Neuen Berliner Kunstverein sei eine Frage, die derzeit alle großen Städte bewegt, nämlich die Wohnungs- und Bodenpolitik, erklärte Anh-Linh Ngo, der zusammen mit Marius Babias künstlerischer Leiter ist, im Dlf.
"Der Fall der Berliner Mauer bedeutet nicht nur eine geopolitische Zäsur in der Konfrontation zwischen Ost und West, sondern hatte auch ganz konkrete Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Stadt." Es gehe den Ausstellungsmachern um die Frage, warum heutzutage täglich über Wohnungskrise, Mietendeckel oder Enteignung geredet werde, wo doch nach der Wende der Freiraum im räumlichen wie kulturellen Sinne groß war.
Erfolg mit Nebenwirkungen
Der Erfolg, den Berlin in den letzten 30 Jahren verbuchen konnte, habe auch zu Problemen wie Verdrängung und der Wohnungskrise geführt. Mit einer Stadthistorikern hätten die Ausstellungsmacher zum Beispiel nach den Ursachen geforscht, indem alle Grundstücke in öffentlichem Besitz, die nach der Wende privatisiert wurden, kartiert worden seien. "Die Ergebnisse sind wirklich erschreckend. Sie hat ungefähr 90 Prozent der Verkaufsfälle aufdecken können, und wenn man diese Flächen addiert, ergibt es die Größe eines gesamten Stadtbezirks." Diese Privatisierung habe dazu geführt, "dass die Leute, die eigentlich zum Erfolg der Stadt beigetragen haben, Künstlerinnen und Künstler, Initiativen - Leute, die das kulturelle Kapital der Stadt erschaffen haben - verdrängt wurden."
Wir haben länger mit Anh-Linh Ngo gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Umgesetzt wurde das in der Ausstellung zum Beispiel durch eine raumgreifenden Kartografie, die auf dem Boden im Eingangsbereich ausgelegt ist und durch konkretes Zahlenmaterial zur Diskussion führen solle. Außerdem wurde fotografisch in einer Mehrkanalinstallation, die sich mit den historisierenden Architektur, durchaus auch "körperlich spürbar zu machen, was das eigentlich für eine Stadt ist, die gewünscht wird". In einer weiteren Arbeit gehe es darum, mit welcher Sprache diese Architekturen der Spekulation verkauft würden, die dann audiovisuell durch eine Schauspielerin umgesetzt worden seien.
Wohnen sei nicht mehr das Grundrecht in der Stadt zu sein, sondern es werde mit Begriffen wie "Lobby" und "Valleyparking" umgewandelt. Damit werde deutlich, dass "dieses elitäre Image einer urbanen Elite, die im Grunde nur in der Stadt ist für kurze Zeit und dann wieder weiterzieht, dass das hier intendiert wird".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.