14 Kilometer pro Sekunde – mit diesem Tempo nähert sich die amerikanische Raumsonde New Horizons derzeit Pluto. 14 Kilometer pro Sekunde, das ist 14 Mal so schnell wie eine Gewehrkugel - eine Geschwindigkeit, die noch kein anderes von Menschen gebaute Objekt erreicht hat. Deswegen kann die Sonde am Ziel auch nicht abbremsen und in eine Umlaufbahn um den Zwergplaneten eintreten. Stattdessen wird sie an ihm vorbeifliegen. Dieses flüchtige Treffen böte aber genügend Zeit für genaue Beobachtungen, findet William McKinnon von der Washington University in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri aus dem New-Horizons-Wissenschaftlerteam. "Wir wollen den geologischen Aufbau von Pluto verstehen, Veränderungen wie Frost oder Wolken auf seiner Oberfläche verfolgen, und wir können nach aktiven Vulkanen Ausschau halten."
"Genaugenommen werden wir durch Plutos Atmosphäre hindurch fliegen"
Nach der langen Anreise wird morgen alles sehr schnell gehen. Um 13.50 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit wird New Horizons in 10.000 Kilometern Entfernung an Pluto vorbei fliegen. "Genaugenommen werden wir durch Plutos Atmosphäre hindurch fliegen. Sie ist nämlich nicht vollständig an den Himmelskörper gebunden. Vielmehr verflüchtigt sie sich langsam in den offenen Weltraum und reagiert dort mit den Elektronen und Protonen des Sonnenwindes. Diese Wechselwirkung der Atmosphäre mit den hochenergetischen Partikeln der Sonne sollen unsere Instrumente SWAP und PEPSSI untersuchen."
PEPSSI steht dabei für Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation, eine wissenschaftliche Untersuchung der geladenen Partikel rund um Pluto also. SWAP bedeutet Solar Wind Around Pluto. Der Zwergplanet dreht seine elliptische Bahn um die Sonne in einer Entfernung, die dem 30- bis 50-fachen Abstand der Erde von der Sonne entspricht. Entsprechend schwach wird der Sonnenwind dort draußen ausfallen, in einer Entfernung von rund sechs Milliarden Kilometern. "Unser Ziel ist zu verstehen, wie Planeten ihre Atmosphäre verlieren. Denn das betrifft nicht nur kleine Planeten. Auch der Mars hat einen Großteil seiner Atmosphäre in den Weltraum abgegeben, genauso wie die Erde vor Urzeiten ihre ursprüngliche Atmosphäre verloren hat."
Vorbeiflug am Pluto-Mond Charon
Nur 14 Minuten nach dem Vorbeiflug an Pluto, um genau 14.04 Uhr morgen, wird die Sonde bereits Plutos größten Mond Charon passieren. Alle anschließenden Experimente werden aus der Rückschau aufgenommen. "Wenn wir Pluto schon hinter uns gelassen haben, drehen wir die Sonde noch einmal um, sodass ihre Instrumente einen Sonnenaufgang auf Pluto beobachten können. Die Strahlen der Sonne scheinen dann durch seine Atmosphäre und geben uns Hinweise auf ihre Zusammensetzung."
Mit dem kurzen Rendezvous am Dienstagmittag sind die Beobachtungen vor Ort also keinesfalls abgeschlossen. Nach dem eigentlichen Vorbeiflug, wenn sich die Sonde wieder von Pluto entfernt und weiter in den Kuiper-Gürtel vordringt, wird New Horizons noch bis Mitte August weitere Messungen des Pluto-Systems vornehmen, eben solange die Instrumente noch etwas registrieren und aufnehmen können. Es wird bis Mitte November dauern, ehe alle Daten auf der Erde eingetroffen sind. Am eigentlichen Tag der Begegnung jedoch, morgen also, heißt es erst einmal warten, so Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, der Chef-Wissenschaftler der Mission. "Am Tag des Vorbeiflugs wird sich die Sonde nicht auf der Erde melden. Sie ist ganz einfach beschäftigt. Erst ganz spät am Abend wird es eine kurze Bestätigung geben, dass sie alle Arbeiten durchgeführt hat. Mittwochmorgen dann werden die ersten Daten auf der Erde eintreffen."