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Raus aus der Einwegstraße

Im Supermarkt sind nicht alle Pfandflaschen gleich: Nur echte Mehrwegflaschen werden wiederverwendet, der Rest landet auf dem Müll. Paradoxerweise ist der Anteil der Einwegverpackungen seit Einführung des sogenannten Dosenpfands aber gestiegen. Eine neue Kennzeichnungspflicht soll den Trend stoppen.

Von Anja Nehls |
    Im Getränkegroßmarkt stapeln sich die Bierkisten neben den Sektflaschen, den Dosen und den Saftpackungen. Die Plastikflaschen mit Wasser im Sechserpack sind Einwegverpackungen, die Colaflaschen daneben sind auch aus Plastik, aber Mehrwegverpackungen, genauso wie die Seltersflaschen aus Glas. An den Pappschildchen, die groß darüberhängen, steht lediglich der Preis - und in Zukunft auch, ob es sich um Einweg- oder Mehrwegverpackungen handelt. Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund Deutschland findet das gut:

    "Es kommt darauf an, zu sagen, ich kaufe ein und ich muss möglichst einfach auch in die Lage versetzt sein auch das zu kaufen, was ich haben will. Und wenn die Motivation ist, ich möchte ein umweltfreundliches Produkt oder eine Verpackung haben, dann muss ich das auch schnell erkennen können und da nicht lange rumsuchen."

    Denn Mehrwegflaschen sind grundsätzlich umweltfreundlicher als Einwegflaschen, findet das Bundesumweltministerium - und will deren Verkauf mit der Kennzeichnung ankurbeln. Denn auch laut einer Umfrage des NABU wollen fast Dreiviertel aller Verbraucher umweltfreundliche Getränkeverpackungen, aber nur die Hälfte kann Einweg und Mehrweg schnell unterscheiden. Die Kunden im Getränkemarkt bestreiten das allerdings - für sie kommt es auf Inhalt und Preis der Flaschen an:

    "Man sieht es ja, ist ja gekennzeichnet".

    "Unser Sehvermögen ist noch so, dass wir das noch so feststellen können."

    "Ich sage mal, die einen Flaschen werden gereinigt, desinfiziert, die anderen werden zerschreddert."

    "Ich kaufe nur das, was ich brauche, ob ich das nun so oder so - das spielt keine Rolle."

    "Ist doch auch jetzt schon deutlich genug beschriftet meine ich."

    In der Tat: Mehrwegflaschen haben einen entsprechendes Piktogramm. Das ist aber klein und relativ unauffällig. In Zukunft soll es genauso groß wie der Preis auf dem Schild stehen. Dafür sollen die Händler sorgen. Der Inhaber eines kleinen Tante-Emma-Ladens in Berlin glaubt allerdings nicht an den erhofften Umweltnutzen:

    "Ich könnte das natürlich handeln, so wie wir das jetzt mit dem Pfand auch handeln, aber es ist halt mühselig, und der Aufwand ist für umsonst. Also wenn die Leute das mit dem Pfand auch ernst nehmen würden, würde es nicht soviel Flaschensammler geben, und das ist das Ding."

    8 oder 15 Cent Pfand kosten Mehrwegflaschen, 25 Cent Einwegflaschen. Mit dem Zurückbringen der Flaschen ist für die meisten Verbraucher das Umweltgewissen beruhigt - und die Handelsketten freuen sich. Die Kunden werden zurück ins Geschäft gelockt, kassieren Pfand und kaufen vielleicht noch ein bisschen mehr. Je mehr Einwegflaschen, desto mehr lohnt sich durch das hohe Pfand das Zurückbringen. Der Anteil der Einwegflaschen ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, der Anteil der Mehrwegflaschen liegt inzwischen bei unter 50 Prozent. Das könnte sich durch die neue Kennzeichnung ändern, hofft Benjamin Bongardt vom NABU:

    "Und im Übrigen könnte die Kennzeichnungspflicht auch einen positiven Effekt auf die Händler haben, dass die sich bewusst machen, ob sie eine umweltschädliche Verpackung in ihre Regale stellen oder eine umweltfreundliche. Und vielleicht erhoffen wir uns davon, dass der Handel als entscheidender Verbraucher auch wieder mehr Mehrwegflaschen ins System reinschießt."

    Der Inhaber des Berliner Getränkegroßmarktes sieht das ähnlich. Aber er richtet sich auch nach der Nachfrage seiner Kunden. Wenn Mehrweg in Zukunft deutlich am Preisschild steht, könnte die Nachfrage nach diesen Flaschen wieder steigen.

    "Ich bin nicht nur Händler, ich bin auch Bürger. Ich finde die Auszeichnungspflicht auch deshalb jetzt auch gut, dann kann sich hinterher keiner mehr rausreden, ich habe es nicht gewusst. Der erste Gedanke, ach wieder mehr Arbeit, das mag sein, aber man muss ja auch mal weiterdenken. Und die Fragen kommen, also es kann sich jetzt keiner mehr rausreden, nicht umweltbewusst handeln zu könne, weil er keine Ahnung hat."

    Gekennzeichnet werden sollen allerdings nur Pfandflaschen, an pfandfreien Einwegflaschen soll es keinen Hinweis geben. Zurzeit ist die Idee noch ein Kabinettsentwurf. Großen Widerstand erwartet das Umweltministerium allerdings nicht. Noch in dieser Legislaturperiode könnte die neue Kennzeichnungspflicht in Kraft treten.