"The World Today" war gerade auf Sendung gegangen. Jeden Mittag berichtet das Nachrichtenmagazin der "ABC", des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Australien, aus aller Welt. Doch letzte Woche kam die aktuellste Eilmeldung aus dem eigenen Haus. Im zehnten Stock der "ABC"-Sendezentrale in Sydney durchsuchten Polizeibeamte die Redaktionsräume und verschafften sich Zugang zu den Computern von "ABC"-Journalisten.
"In den USA wäre so etwas nicht möglich", wetterte "ABC"-Journalist John Lyons.
"Dort verhindert die US-Verfassung, daß das FBI Zugang zu Informationen des Rundfunks oder etwa der 'New York Times' hat. Die Befugnisse dieses Durchsuchungebefehls aber gehen so weit, daß die Polizei den Inhalt von Dokumenten verändern oder löschen kann. Das ist eine Vergewaltigung der freien Presse."
"Der Überbringer der Nachricht wird kriminalisiert"
Ziel der Razzia waren tausende E-Mails, Interviewabschriften, Filmmaterialien und Recherchedokumente dreier "ABC"-Reporter. Sie hatten 2017 mit Hilfe von zugespielten, vertraulichen Informationen darüber berichtet, wie australische Elite-Soldaten beim Einsatz in Afghanistan mutmaßlich unbewaffnete Zivilisten getötet hätten, darunter Frauen und Kinder.
Neil Gaughan, der Vizechef der Bundespolizei, betonte die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung - die Beschlagnahme der Dokumente sei im Interesse der nationalen Sicherheit. Die konservative, australische Regierung will von den Zugriffen nichts gewusst haben. Medienorganisationen und Journalisten sind empört. Chris Uhlmann, der Chef-Politikreporter des Fernsehsenders Channel Nine, wirft Premier Scott Morrison vor, alles getan zu haben, um die Überbringer der Nachricht zu kriminalisieren - aber zu wenig, um mögliches kriminelles Verhalten aufzuklären.
"Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, was 'nationales Interesse' ist und was im Interesse der Regierung, denn die Regierung will so viel geheim halten wie möglich. Unser Premier hat den gesetzlichen Rahmen geschaffen, die Arbeit von Journalisten zur Straftat zu machen."
Hohe Strafen für Whistle-Blower
Australiens Sicherheitsgesetze wurden in den letzten Jahren extrem verschärft. Anti-Spionage-, Anti-Terror-, Datensicherheits-, und Geheimhaltungsgesetze: Beamten, die klassifiziertes Material weitergeben, drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Vor der Razzia bei der "ABC" hatten Polizisten die Wohnung einer "News Corp"-Reporterin nach Dokumenten durchsucht. Sie hatte vergangenes Jahr mehrere als "geheim" eingestufte Pläne veröffentlicht, die es den Behörden erleichtern sollen, australische Staatsbürger abzuhören. Medienwissenschaftler Johan Lindberg spricht von Australien als eine der autoritärsten Demokratien der westlichen Welt.
"Wie viele Rechte und Freiheiten sollen wir noch im Namen der nationalen Sicherheit aufgeben? Diese Razzien sollen Journalisten und Informanten nur einschüchtern und ihnen sagen: 'Hände weg von Missständen bei unserern Sicherheitsbehörden'. Ein schrecklicher Gedanke."
Razzien sorgen für Aufschrei der Öffentlichkeit
Die Leitung der "ABC" will rechtlich gegen die Durchsuchung vorgehen: Quellen-, Informantenschutz und eine unabhängige Berichterstattung seien unerläßlich für eine Demokratie - und müssten um jeden Preis verteidigt werden.
"Die Razzien haben das Gegenteil bewirkt", glaubt "ABC"-Journalist Barrie Cassidy.
"Die Gesetze werden zugunsten von Journalisten aufgeweicht werden müssen, die Regierung hat den Aufschrei der Öffentlichkeit gehört. Die Presse muss im öffentlichen Interesse ungestraft recherchieren und berichten können, wenn sie das Fehlverhalten des Staates und dessen Behörden aufdeckt."