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RBB-Serie "Warten auf'n Bus"
Lehrgut von Hannes und Ralle

Eine Busendhaltestelle in der brandenburgischen Provinz ist Schauplatz der achtteiligen RBB-Serie "Warten auf`n Bus". Hannes und Ralle, zwei Endvierziger, philosophieren hier über ihr Leben. "Es klingt wie vom Bordstein gekratzt", sagte Hauptdarsteller Felix Kramer im Deutschlandfunk.

Von Jörg Albrecht und Benedikt Schulz |
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Warten auf bessere Zeiten? Jördis Triebel, Ronald Zehrfeld, Felix Kramer an der Bushaltestelle (ARD)
"Wie geht denn der Spruch? Jeder sucht sein Unglück und man soll ihn dabei nicht stören."
"Ein feiges Aas bist du, Alter! Versteckst dich wieder hinter deinen Sinnsprüchen."
"Das war Aristoteles."
Sitzen zwei Männer an einer Bushaltestelle. So könnte ein Witz beginnen. Vielleicht aber ist es auch der Auftakt zu einem absurden Spiel, inspiriert von Samuel Becketts Warten auf Godot. Der Serientitel "Warten auf`n Bus" legt das zumindest nahe. Im Unterschied zu Wladimir und Estragon aus Samuel Becketts Theaterstück "Warten auf Godot" sind diese beiden Figuren real.
"Ich kenne diese Leute", sagte Ralle-Darsteller Felix Kramer im Deutschlandfunk. Wenn man aufmerksam durchs Land fahre, oder in die Kneipen schaue, "da sitzen solche Leute. Ich habe immer schon ein zärtliches Gefühl gehabt für diese Leute." Mit der Serie könnne man mit zwei solcher Typen am Tisch sitzen, bzw. an einer Bushaltestelle.
Gelebtes Leben, Hackfresse
Statt Wladimir und Estragon jetzt also Hannes und Ralle: zwei Endvierziger, deren Lebensmittelpunkt seit einer halben Ewigkeit eine Bushaltestelle in der brandenburgischen Pampa ist. Dort – entweder im oder am Wartehäuschen aus DDR-Zeiten – hängen sie tagtäglich herum. Zwei Freunde, die sich den Spiegel vorhalten. Nicht nur sprichwörtlich:
"Du hast einen Taschenspiegel dabei?"
"Was siehst du?"
"Ich werde alt, kriege Hängebacken."
"Mann, das kann doch nicht so schwer sein! Du siehst nicht dich, sondern?"
"Sondern gelebtes Leben, innere Werte, Hackfresse – was denn?!"
Ehrliche Dialoge in Berliner Dialekt. Voll aus dem Leben. Das ist die Besonderheit, die Stärke dieser Serie. Sätze werden nicht zu Ende gebracht, Worte ganz verschluckt. Die beiden von Roland Zehrfeld und Felix Kramer gnadenlos gut gespielten Alltagsphilosophen erinnern an "Dittsche" und den "Tatortreiniger".
"Guck mal, wir sind schon wie so ein verdammtes altes Ehepaar."
"Die eigentliche Arbeit war Text lernen", erklärt Felix Kramer. Improvisation sei gar nicht nötig gewesen, die beiden redeten sich aneinander ab. "Wie beim Musiker, der ein gutes Stück zur Verfügung hat, warum dann ausbüchsen?" Es klinge "wie vom Bordstein gekratzt".
Zwei Wendeverlierer
Hannes und Ralle verbindet nicht nur eine jahrzehntelange Freundschaft. Sie teilen auch ihr Schicksal: zwei Wendeverlierer, verlassen von ihren Frauen, vom Glück sowieso. Hannes ist Frühinvalide, Ralle langzeitarbeitslos. Seit ihrer Jugend trifft man sie kaum ohne Bierflasche in der Hand an.
"Du hast eine Webseite?"
"Du nicht?"
"Visitenkarten?"
"Ja, selber designt."
"Und was steht da drauf? Sir Ralle, uralter Hartz-4-Adel, oder was?"
"Ralf."
"Einfach Ralf? Ich meine, Ralf steht für sich. Das sagt alles."
Wendeverlierer - ist das ein Klischee, das die Westdeutschen mit Typen wie Hannes unr Ralle verbinden? "Auf jeden Fall", sagt Felix Kramer. Aber Geschichten - ob in Büchern oder Filmen - seien immer die Arbeit mit Konventionen. "Man braucht gewohnte Bilder und Emotionen", so Kramer. Erst denke man vielleicht, die beiden lassen sich hängen, aber dann würden Gedanken aufploppen, die genauso gut aus einem Büro kommen könnten. "Wir wissen doch alle, was gerade los ist auf dem Arbeitsmarkt", sagt Felix Kramer. Welche Zukunftsängste die Leute hätten. Da seien die beiden anfangs viellecht weit weg von einem, aber auf einmal ganz nah.
Endhaltestelle des Lebens
Zwei sympathische Verlierertypen, die nach der Hälfte ihres Lebens an der Endhaltestelle angekommen sind. Früher einmal war die das Tor zur Welt, jetzt – mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall – ist sie nur noch das traurige Symbol für zwei Abgehängte. Hannes und Ralle sind mal aggressiv, dann wieder nachdenklich und mitunter auch ziemlich kindisch.
"Das nennt sich Wendehammer", erklärt Kramer. Das sei wie eine Wendeschleife für den Bus, "das ist die Endhaltestellte. Für mich ist das die Dorfkneipe, die es nicht mehr gibt, der Schnaps ist aus, also sitzt man hier." Beim Warten könnne man sich einreden, man agiere, "da ist man dann wieder bei Beckett."
In ihren Gesprächen streifen sie Themen der Zeit wie Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Und das immer ganz beiläufig, niemals aufgesetzt.
"War halt normal. Ist eben menschlich."
"Was?"
"Na, der Schiss vor Fremden. Das Einigeln mit Grenzen und Burgwällen und so was. Das ist seit ein paar Jahrtausenden tief in uns festgelatscht. Das ist so eine Grundausstattung quasi."
"Wenn der rechte Ossi den Ausländer schlägt, meint er eigentlich den Wessi."
"Wo hast du denn das her?"
"Aus der Zeitung. Stimmt aber trotzdem."
Das Thema Rechtsextremismus mache ihm persönlich unheimlich Angst, sagt Felix Kramer. Weil in diesen unsicheren Zeiten die Stimmungsmacher die Leute abfischten. "Mein Wunsch ist: setzt euch an einen Tisch, redet miteinander, haltet unterschiedliche Meinungen aus." Aber das Rechtsradikale sei keine ostdeutsche Erfindung, so Kramer. "Sie können in jede Ecke Deutschlands fahren, und finden diesen Stammtisch, der einen schaudern lässt". Kramer findet, wir sollten aufhören zu sagen: "Ich als Ostdeutscher, Du als Feministin." Stattdessen sollte es heißen: "Ich als Bürger, Du als Bürgerin, ich als Mensch." Man müsse unterschiedliche Meinungen aushalten. "Dann ist es okay".
Vergiss es!
Es wird übrigens nicht beim flotten Zweier bleiben. Auf beide wartet in den acht Folgen eine Reihe skurriler Begegnungen. Und ein bisschen Spannung kommt sogar auch auf bei der Frage, wie es mit ihnen und Kathrin weitergeht. Kathrin ist die Busfahrerin, die täglich die Haltestelle anfährt und in die sich sowohl Hannes als auch Ralle ganz schwer verguckt hat.
"Zwei Hunde, ein Knochen."
Wladimir und Estragon haben auf Godot vergeblich gewartet. Der Bus, so viel sei verraten, wird am Ende der ersten Folge die Haltestelle ansteuern. Just in dem Moment, in dem Hannes und Ralle engumschlungen ein Tänzchen aufs Pflaster legen.
"Wir sind erledigt."
"Gib ihr noch fünf Sekunden! Vielleicht findet sie es ja gut und lächelt."
"Vergiss es!"
Die achtteilige RBB-Serie "Warten auf´n Bus" ist ab dem 15.04. in der ARD-Mediathek zu finden.
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