Archiv


Re-act feminism in Berlin

Diese Ausstellung ist zweifellos ein Highlight des Winters. Sie hat etwas von einer archäologischen Untersuchung in ideologisch dicht vermintem Gelände. Die beiden Kuratorinnen Beatrice Stammer und Bettina Knaup haben durch eine differenzierte Recherche die feministische Kunst seit den sechziger Jahren aus den Archiven befreit und zu einer genuinen Kunstform erhoben, die mittlerweile eine eigene Tradition ausgebildet hat.

Von Carsten Probst |
    Dass diese Ausstellung und dieses ganze Projekt im großen Maßstab in der Berliner Akademie der Künste stattfinden kann, kann man getrost als einen besonderen Coup bezeichnen. Gesteht Johannes Odenthal, Leiter der Kunstsektion der Akademie, doch freimütig ein...

    "... dass die Akademie nicht die Speerspitze des Feminismus ist. Oder muss ich vielleicht nicht... Ich muss auch sagen, dass das Projekt nicht als "Re-act Feminism" zu uns kam, sondern als "Performance Returns"... "

    Das nennt man dann wohl die Strategie des "Trojanischen Pferdes". Sie verhilft der Akademie allerdings unverhofft einmal zu einer bahnbrechenden Schau. Bei Re-Act-Feminism geht es zunächst um den weiblichen Blick auf den weiblichen Körper und seinen Indienstnahme für die klassischen Rollenmuster der Gesellschaft. Valie Export, die Grande Dame der Medienkunst, ist mit einer dramatischen Performance zu sehen , bei der sie wie eine Schmerzensfrau nackt durch eine Installation aus lauter Stromdrähten läuft und schmerzverzerrt kriechend mit letzter Kraft schließlich das andere Ende erreicht. Yoko Ono, die sich auf einer Bühne von Zuschauern Teile ihres Kleides herausschneiden lässt, thematisiert dies ebenso ernst wie Martha Wilson in ihrem "Portfolio of Models" (1974) sich bereits in Ironie versucht, einer Fotoserie, in der sie klassische Frauenkarrieren in Kostümierungen inszeniert und dadurch vieles von dem vorweg nimmt, was eine Cindy Sherman seit den späten achtziger Jahren dann berühmt gemacht hat.

    Dass sie die weibliche Existenz als Leidensgeschichte reflektiert, ist dieser Kunst im männlich dominierten Kunstbetrieb immer als Getue vorgehalten worden. Dabei unterscheidet sich diese Kunst gar nicht von jeder anderen Form politischer und anklagender Kunst. Besonders deutlich wird dies im Fokus auf feministische Künstlerinnen in den einstigen sozialistischen Staaten, deren Werk erstmals in großer Tiefe von den Kuratorinnen recherchiert wurde:

    "Wir beide fanden das so extrem wichtig, dass sozusagen der ehemalige Underground der DDR ja letztendlich auch gerade was die Frauen angeht, nie zu einem Mainstream geworden ist und die Frauen eigentlich auch wirklich nicht sichtbar geworden sind, mit wirklich Arbeiten, die in der DDR sanktioniert, mit Repressalien belegt worden sind, die Künstlerinnen zum Teil im Gefängnis saßen und sehr, sehr viel mit der Stasi zu tun hatten, und das sollte man, wenn man auf diese Arbeiten schaut, vielleicht auch im Hinterkopf haben. "

    Der Titel "Re-act Feminism" verweist dabei ebenso auf eine Reaktivierung, Reinszenierung wie auf eine Reaktion. Zur bewussten Strategie vieler feministischer Künstlerinnen zählte es, sich einer ephemeren Kunstform zu bedienen, die autonom gegenüber den Strategien des Kunstmarktes ist. Ihre flüchtigen, oft einmaligen Perfomances gibt es heute nur noch, weil sie fotografisch oder filmisch gespeichert und in Archiven bewahrt wurden. Schon das Öffnen und Zeigen dieser einzigartigen Archive ist eine Reinszenierung in einer Zeit, in der Feminismus in der Kunst eigentlich als abgeschrieben gilt. Indem aber Künstlerinnen der älteren und jüngeren Generation diese Performances der sechziger bis achtziger Jahre heute nochmals für dieses Projekt interpretieren, holen sie sie gleichsam aus dem Dunkel der Archive in den Diskurs zurück - nicht als künstlerische Nische, sondern als Teil der jüngsten Kunstgeschichte. Und dass diese noch immer aktuell ist, zeigt der Blick auf die globale Szene. Mona Hatoum aus Libanon oder Shirin Neshat aus Iran und viele weniger bekannte Künstlerinnen weltweit, die hier nicht zu sehen sind, zeigen, dass dieses Projekt erst ein guten, aber noch bescheidener Anfang gewesen sein kann.