Während einst Programmdirektoren den Zuschauern vorgaben, wann sie was gucken konnten, schaffen Video-On-Demand-Dienste neue Freiheiten. "Binge watching", also das Schauen vieler Folgen einer Serien hintereinander, ist für viele inzwischen zum Synonym für diese neue Freiheit geworden. Zum ersten Mal ist im vergangenen Jahr die klassische TV-Nutzung rückläufig gewesen.
Gleichzeitig gilt der Markt für On-Demand-Angebote in Deutschland als hart umkämpft. Netflix, Amazon und Sky sind mit ihrem On-Demand-Angebot schon erfolgreich, Disney+ und AppleTV+ kommen dieses Jahr auf den US-Markt und auch Time Warner und 21st Century Fox stehen in den Startlöchern.
Ist das mediale Lagerfeuer, das zentrale Fernsehereignis, erloschen? Wer und was wird sich auf dem deutschen Markt durchsetzen? Linear oder On Demand?
@mediasres diskutierte live auf der re:publica in Berlin mit:
- Florian Kerkau, Goldmedia Research, Geschäftsführer
- Daniel Rosemann, ProSieben, Senderchef
- Wolf-Dieter Jacobi, MDR, Programmdirektor und ARD-Spielfilmkoordinator
- Elke Walthelm, Sky, Executive Vice President Content
Im letzten Jahr ist der lineare Fernsehkonsum in Deutschland zum ersten Mal leicht zurückgegangen. Goldmedia Research-Geschäftsführer Florian Kerkau ist davon nicht überrascht. Die Entwicklung habe sich in vielen Ländern schon abgezeichnet - aber: "in Deutschland passiert alles immer ein bisschen später und etwas langsamer".
Erfolg von Video-On-Demand - auch für TV-Sender
Die Sender seien heute anders aufgestellt, meint Medienforscher Kerkau. Es habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht mehr ausreiche, nur Programm ausstrahlen und lizensierte Ware vertreiben. Zunehmend werde im TV auf Eigenproduktionen, "Senderfarbe" und den Ausbau von Streaming-Angeboten gesetzt. In Zukunft sei die Frage wichtig: "Wer kann sich mit den guten Titeln durchsetzen?"
ProSieben-Senderchef Daniel Rosemann beispielsweise will wieder mehr auf die Produktion eigener fiktionaler Inhalte setzen. Die deutschen Fernsehsender seien hier nämlich nicht machtlos gegenüber Netflix und Amazon: "Wir haben schon vor vielen Jahren angefangen, uns zu positionieren", so Rosemann.
Auch der Bezahlsender Sky sei dazu übergegangen, eigenproduzierte Serien nicht nur linear zu zeigen und neue Folgen wöchentlich zugänglich zu machen, sondern komplette Staffeln "vom ersten Tag an" auch On Demand abrufbar zu machen, sagte Programmchefin Elke Walthelm. Dieses Angebot werde von den Sky-Kunden "extrem stark genutzt".
Rosemann: "Mediatheken sind kein Nebenprodukt"
Mediatheken seien für die Fernsehsender "ein aktives und wichtiges Geschäftsfeld" und "kein Abfall- oder Nebenprodukt" mehr, meint ProSieben-Chef Rosemann: "Wir kommen aus einer Phase, in der all das was im linearen Fernsehen lief, dann noch mal abrufbar ist, - das ist die On-Demand-Basic-Version - und jetzt geht man dazu über und füttert die eigenen Mediatheken mit sogenannten Originals an, also Dingen, die es nur in der Mediathek gibt".
Für Wolf-Dieter Jacobi, Programmdirektor beim Mitteldeutschen Rundfunk und ARD-Spielfilmkoordinator, biete das On-Demand-Angebot den Vorteil der Vielfalt - für verschiedene Alters- und Zielgruppen, aber "auch für kleine Gruppen und Nischen". Viele Serielle Produktionen zeige man mittlerweile vorab in der Mediathek.
Die ARD wolle ihr Angebot zudem in Zukunft in einer Mediathek bündeln, so Jacobi: "Der erste Schritt wird sein, über gemeinsames Login und ähnliche Themen nutzerfreundlich zu sein."
Angriff der neuen On-Demand-Plattformen?
Im Hinblick auf neue Streaminganbieter wie Disney+ und Apple TV+ sagte Sky-Programmchefin Elke Walthelm: Es werde schwierig, den Kunden dazu zu bringen, dass er zehn bis 15 Abonnements hat - "irgendwann verliert er auch den Überblick". Wichtig sei es, frühzeitig Kundenbeziehungen aufzubauen und weiterzuentwickeln.
Daneben könne es auch Partnerschaften zwischen verschiedenen Streaminganbietern geben. Beispielsweise habe Sky eine Partnerschaft mit Netflix - "das wäre vor fünf Jahren noch sehr überraschend gewesen".
Der Deutsche Markt sei hier anders als in den USA, ergänzt Medienforscher Kerkau. Netflix und Amazon hätten hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft der Nutzer "eine ganz große Pionierleistung" erbracht: "Diese Firmen haben geschafft, dass Leute für das Angebot bezahlen - ein Budget, dass es vorher nicht gab".
Doch die Zahlungsbereitschaft sei begrenzt, meint Kerkau: Für die "zweite Generationen der Plattformen" wie Disney+ und Apple TV+ sei es "gar nicht so einfach, wie sie sich das erhoffen".
Am Ende seien es Marken und Ideen, die sich laut ProSieben-Chef Rosemann durchsetzen: "Viele tolle Formate, Filme und Shows liegen vor uns. Wir stehen nicht an der Wand und müssen nicht vor Apple+ und Disney+ unser Medium begraben".
Durchsetzen werde sich außerdem, so Sky-Programmchefin Walthelm, wer neben guten Inhalten auch auf eine bequeme Nutzbarkeit und Auffindbarkeit dieser Inhalte setze.