Die Kritik von Sharon Beck ist eindeutig: "Für mich kommt es so rüber, als ob die Gesundheit hinten angestellt wird und dass es nur darum geht, dass diese Liga durchgezogen wird."
Sagt die Spielerin des SC Freiburg im SWR-Fußballpodcast Steil. Zum einen befürchtet sie, dass sich Spielerinnen verletzten – angesichts von sechs Spielen in vier Wochen und der kurzen Zeit im Mannschaftstraining. Ein weiteres Problem: Viele Spielerinnen sind keine Vollprofis. Nur beim VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München verdienen alle Spielerinnen genug mit dem Fußball – bei den anderen Vereinen gibt es nicht nur Schülerinnen und Studentinnen im Kader, sondern auch Polizistinnen, kaufmännische Angestellte oder Lehrerinnen. Beim Tabellenletzten Jena habe jede Spielerin irgendeine Nebentätigkeit, berichtet Spielerin Anja Heuschkel.
"Ich persönlich bin zum Beispiel Studentin und habe nebenbei trotzdem einen Nebenjob, weil das Gehalt des Vereins einfach nicht voll ausreicht. Und in den kommenden Wochen muss ich halt wirklich gucken: Wie bekomme ich das mit meinem Nebenjob unter, wie sind meine Uni-Vorlesungen und Uni-Praxiskurse. Das betrifft jede Spielerin von uns, die jetzt sehr in Planungsschwierigkeiten stecken, was ihre Nebentätigkeit angeht."
Spielerinnen konnten nicht am ersten Spiel teilnehmen
Nicht bei allen Spielerinnen klappt das. Eine Deutschlandfunk-Abfrage bei allen Bundesligisten zeigt, dass bei mindestens der Hälfte der Vereine eine oder mehrere Spielerinnen am ersten Spiel nach der Corona-Pause nicht teilgenommen haben - weil sie aufgrund ihrer Verpflichtungen nicht in das einwöchige Quarantäne-Trainingslager konnten. Der häufigste Grund: Abiturprüfungen. Selbst Trainer sind betroffen: Bei der Niederlage gegen Bayern fehlt Hoffenheim-Coach Jürgen Ehrmann. Er ist Berufsschullehrer und könne Mitten in der Vorbereitung auf die Prüfungen nicht einfach eine Woche aus dem Job raus.
Wer einen zweiten Arbeitgeber habe, komme in der aktuellen Situation fast zwangläufig in die Lage, eine seiner Vertragspflichten zu verletzten, meint Philipp Fischinger, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Mannheim. Deshalb sei jetzt Kooperation wichtig, denn der Verein könne in so einem Fall seine Spielerinnen und Trainer auch nicht zwingen, für ihn zu arbeiten.
"Man kann zwar die Arbeitspflicht einklagen als Arbeitgeber, aber das Urteil ist natürlich nicht vollstreckbar, das muss ja jedem klar sein. Wie soll das auch gehen? Soll der Gerichtsvollzieher die Spielerin auf den Platz tragen und dann versuchen, sie zum Spielen zu bewegen?"
Im Zwiespalt zwischen Club und anderem Arbeitgeber
Auch eine Kündigung sei für den Verein kein gutes Druckmittel – die Spielerin könnte dann nämlich ablösefrei wechseln. Der Verein könne aber das Gehalt einbehalten, wenn die Spielerin ihre Leistung nicht erbringt.
Und grundsätzlich habe der Club auch ein Recht darauf, dass sich die Spielerin an die Vorgaben aus dem DFB-Hygienekonzept hält. Das Konzept sieht unter anderem vor, dass die Spielerinnen ihre Wohnung nicht verlassen und die Öffentlichkeit meiden soll.
"Nur, für die Spielerin ist der Interessenskonflikt weiterhin gegeben. Sie kann gegenüber ihrem normalen Arbeitgeber nicht argumentieren, dass sie aus diesem Grund gar nicht erst zur Arbeit fahren kann, weil sie kein Auto hat und die S-Bahn nehmen muss. Das würde wieder nicht funktionieren."
Home Office im Quarantäne-Hotel
Angesichts des Zwiespalts plädiert Fischinger dafür, mit allen Beteiligten eine solidarische Lösung zu finden - wenn dies nicht gelänge, ließe man die Spielerin in einer ungerechten Situation im Regen stehen.
"Da steht die Spielerin, die einerseits genau weiß, dass sie selbst als Fußball-Bundesligaspielerin kein Vermögen verdienen wird, nicht ausgesorgt haben wird, aber es ist halt ihre Leidenschaft. Und auf der anderen Seite steht ihr normaler Beruf, den sie noch viele Jahre ausüben muss. Sie vor diesem Zwiespalt zu bewahren, finde ich, ist eigentlich die Aufgabe und die moralische Pflicht, nicht juristisch, aber die moralische Pflicht, von allen Beteiligten."
In vielen Vereinen scheint das zu klappen. Die SGS Essen habe schon lange gute Kontakte zu den Schulen und den Arbeitgebern der Spielerinnen, teilt Vereinspräsident Ulrich Meier mit. So habe man es geschafft, dass die Abiturprüfug im Fach Sport für eine Spielerin verlegt werden konnte. Andere Vereine berichten, dass ihre Spielerinnen im Quarantäne-Hotel wie im Home Office weiterarbeiten.
VfL Wolfsburg sieht Chancen des Restarts
Denn auch wenn die Situation schwierig ist: 11 von 12 Teams haben dafür gestimmt, die Saison fortzusetzen – nur Köln hat sich enthalten, aus Sorge vor den vielen Spielen. Auch der zuständige DFB betont, man wolle die Saison nicht am Grünen Tisch beenden. Dementsprechend professionell wollen die Teams damit umgehen, wenn einzelne Spielerinnen fehlen.
Hundertprozentige Chancengleichheit könne es im Moment nicht geben, meint Ralf Kellermann, der sportliche Leiter des VfL Wolfsburg, im NDR. Für ihn überwiegen allerdings die Chancen: "Ich denke, dass alle Vereine diese Chance sehen, dass wir als Berufssportler wahrgenommen werden und das sich die Liga deutlich sichtbar weiterentwickelt hat. Und auch die Spielerinnen kämpfen ja seit Jahren für Anerkennung."
DFB-Vorgaben nicht für alle Vereine leicht zu erfüllen
Die hat es nun gegeben – wie die Männer dürfen die Frauen auf dem Platz ihren Beruf ausüben. Mit größerem Interesse als vor der Pause: Eurosport überträgt einige Spiele in voller Länge, und der DFB berichtet, dass die Spiele auch in 16 anderen Ländern gezeigt werden. Für den VfL Wolfsburg ist es aufgrund der Infrastruktur allerdings auch deutlich leichter, alle DFB-Vorgaben zu erfüllen, als für den USV Jena.
Der USV hatte zwar auch für die Fortsetzung gestimmt, allerdings nur, wenn die Rahmenbedingungen passen würden. USV-Spielerin Anja Heuschkel zweifelt, ob das der Fall ist: "Ich finde persönlich, die Liga ist wahrscheinlich noch nicht so professionell, dass die Spiele einfach so durchdrücken kann und jede Spielerin da jetzt voll mitzieht. Ich finde, da muss der DFB auch sehen, dass es halt einfach Einbußen gibt, gerade bei uns im Verein, wenn nicht alle Spielerinnen mitziehen können. Und daran sieht man auch, dass es die Liga nicht geschafft hat, so ein professionelles Auftreten einfach zu haben."
Dem Frauen-Fußball in Deutschland geht es also wie vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen: Die Coronakrise bringt bestehende Unterschiede nochmal deutlich stärker zum Vorschein.