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Reaktion auf Kritik
Polen entschärft Holocaust-Gesetz

Die polnische Regierung hat das umstrittene Holocaust-Gesetz abgeschwächt. Nun drohen keine strafrechtlichen Konsequenzen mehr für bestimmte Aussagen über den Holocaust. Israels Premier Benjamin Netanjahu begrüßte den Schritt.

Von Florian Kellermann | 28.06.2018
    Das Polnische Parlament in Warschau am 05.03.2014. Der Premierminister Donald Tusk (bis September 2014) am Rednerpult.
    Das Parlament in Warschau stimmte für die von Ministerpräsident Morawiecki eingebrachte Neufassung des Holocaust-Gesetzes (imgago)
    Diesen Schritt hatte die polnische Regierung offenbar zuvor mit Israel ausgehandelt. Darauf wies die Stellungnahme des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu noch gestern Abend hin. Netanjahu begrüßte die Änderung des Holocaustgesetzes. Gleichzeitig gab er der polnischen Regierung jedoch in ihrem Kernanliegen recht:
    "Wir waren uns immer einig, dass es falsch ist, die deutschen Konzentrationslager in Polen als 'polnische Konzentrations- oder polnische Todeslager' zu bezeichnen. Das spielt die Verantwortung Deutschlands dafür, diese Konzentrationslager geschaffen zu haben, herunter. Die polnische Exilregierung während des Zweiten Weltkrieges versuchte, das Vorgehen der Nationalsozialisten zu stoppen. Sie wies die westlichen Alliierten auf den systematischen Mord an den polnischen Juden hin."
    Gesetz hatte zu Protesten geführt
    Netanjahu stimmte der Intention des Gesetzes also ausdrücklich zu: Die polnische Nation als Ganze dürfe nicht für den Holocaust mitverantwortlich gemacht werden. Dennoch hat das polnische Parlament gestern - auf Antrag der Regierung - die entsprechenden Paragrafen im Gesetz gestrichen. Sie hatten in Israel und den USA zu Protesten geführt, weil sie nicht nur eine polnische Mitverantwortung am Holocaust zurückwiesen - sondern anderslautende Behauptungen verboten. Eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren drohte für eine entsprechende Aussage.
    Ministerpräsident Mateusz Morawiecki machte im Parlament deutlich, dass er sich dem internationalen Druck beugte. Er verteidigte das Gesetz noch einmal:
    "Sie alle haben ja in den vergangenen 30 Jahren erlebt, wie sehr die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg verfälscht wurde. Deshalb war dieses Gesetz nötig. Es hat dazu geführt, dass die ganze Welt darüber gesprochen hat. Deshalb haben die deutsche Kanzlerin und wohl auch der Außenminister auf die ausschließliche Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und am Holocaust hingewiesen."
    Dass Deutschland seine historische Schuld teilweise auf Polen abwälzen wolle, hatten Vertreter der rechtskonservativen Regierungspartei PiS in den vergangenen Jahren immer wieder behauptet.
    Kritik von der Oppopsition
    Das Parlament stimmte der Änderung des Gesetzes gestern mit großer Mehrheit zu. Dennoch kritisierte die Opposition das Vorgehen der Regierung, so Kamila Gasiuk-Pihowicz von der liberalen Partei "Die Moderne":
    "Vor fast einem halben Jahr hat die Regierung die größte Krise für das Ansehen Polens im 21. Jahrhundert herbeigeführt. Und der Verantwortliche, Justizminister Zbigniew Ziobro, sitzt immer noch auf der Regierungsbank. Die verleumderische Bezeichnung der deutschen Konzentrationslager als 'polnische Vernichtungslager' wurde zigmillionenfach in Suchmaschinen im Internet eingegeben und in der internationalen Presse erwähnt."
    Auch wenn das Gesetz nun keine Haftstrafen mehr vorsieht: In Kraft bleiben die zivilrechtlichen Regelungen. Bestimmte Organisationen können Verleumdungsklagen anstrengen, wenn sie durch eine Äußerung den, so wörtlich, guten Ruf Polens verletzt sehen. Mögliche Entschädigungszahlungen kommen, wenn sie von einem Gericht verhängt werden, der Staatskasse zugute.