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Reaktionen auf Anschlag
"Wir waren nicht sehr überrascht"

Heiko Sakurai ist einer der bekanntesten deutschen Karikaturisten. Er war nach dem Anschlag von Paris schockiert - aber nicht sehr überrascht. Die entscheidende Schwelle sei schon 2006 überschritten worden, damals, beim Streit um die Mohammed-Karikaturen.

Der Karikaturist Heiko Sakurai im Gespräch mit Jörg-Christian Schillmöller für deutschlandfunk.de |
    Die Karikatur von Heiko Sakurai zum Anschlag auf "Charlie Hebdo"
    Der Anschlag auf "Charlie Hebdo" kann die Pressefreiheit nicht besiegen (Heiko Sakurai)
    Jörg-Christian Schillmöller: Herr Sakurai, Sie haben sicher schon mit Ihren Kollegen in Deutschland gesprochen. Was waren die Reaktionen?
    Heiko Sakurai: Ich habe gestern mit einem gesprochen, und inzwischen ist schon eine Solidaritäts-Adresse im Netz in Arbeit, an der ich mich auch beteilige. Und alle sagen und denken das Gleiche.
    Schillmöller: Was denn?
    Sakurai: Dass wir schockiert sind über das Ausmaß. Aber dass die Problematik im Prinzip vorher schon angelegt war. Es ist kein neues Phänomen. Das sagen zum Beispiel die, die den Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen im Jahr 2006 miterlebt haben. Damals ist die entscheidende Barriere gefallen, die Schwelle wurde überschritten. Das wiederholt sich nun, wenn auch in erheblich gesteigertem Maße: Diesmal sind es keine Demonstrationen in Afghanistan oder Indonesien, diesmal hat eine schreckliche Tat sozusagen vor unserer Haustür stattgefunden.
    Schillmöller: Macht ein solcher Anschlag sprach- oder sogar bildlos?
    Sakurai: Das ist ein ganz guter Vergleich, eine gute Metapher. Ich habe nach dem 11. September 2001 auch das Gefühl gehabt: Du musst reagieren, aber alles was du tust, ist nicht angemessen. Was aber ist angemessen? Damals habe ich elegisch, pathetisch reagiert. Und heute war es aus meiner Sicht auch nicht der Moment für Satire. Ich wollte zeigen: Es geht weiter, die Pressefreiheit gibt es noch, auch wenn da eine ganze Redaktion weggemordet wurde. Und hoffentlich wird es Charlie Hebdo auch weiterhin geben. Ich kann gut verstehen, dass andere Zeicher härter reagieren und sagen, dass sie sich nicht von Islamisten vorschreiben lassen wollen, was sie zu zeichnen haben und was nicht.
    Schillmöller: Würden Sie Mohammed zeichnen?
    Sakurai: Ich habe es bisher nicht getan (er schweigt kurz). Das ist nicht mein Ansatz, also Religion zu verspotten. Wenn, dann kritisiere ich die menschlichen Repräsentanten von Religion. Also, für eine Mohammed-Karikatur müsste noch einiges dazukommen. Und ich müsste mich fragen, ob ich den Mut finde.
    Der Karikaturist Heiko Sakurai
    Der Karikaturist Heiko Sakurai (picture-alliance / dpa / Alina Novopashina)
    Schillmöller: Muss man Mohammed überhaupt zeichnen?
    Sakurai: Nein, aber man muss es können dürfen. Jeder Angehörige einer Religion sollte damit leben können, dass seine Religion durch den Kakao gezogen wird. Wenn es zu scharf wird - dann gibt es das Gesetz, zum Beispiel im Fall von Volksverhetzung.
    Schillmöller: Haben Sie jemals Anfeindungen erlebt?
    Sakurai: Kritik ja, auch einige Anfeindungen, das ist normal, wenn man im Netz aktiv ist. Aber Morddrohungen habe ich noch keine erhalten.
    Schillmöller: Wird sich Ihre Arbeit durch den Anschlag verändern?
    Sakurai: Ich hoffe nicht, so wie wir das alle nach 2006 gehofft haben. Unsere Gefährdungslage hier in Deutschland ist aber auch eine ganz andere. Die Kollegen in Frankreich, die haben ganz bewusst auf diesem gefährlichen Feld gearbeitet, das waren profilierte, politische Zeichner. Es ist gut, dass sie das getan haben, und dafür bewundern viele von uns sie.
    Schillmöller: Herr Sakurai, vielen Dank für das Telefonat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.