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Reaktionen auf Ethikrat-Vorstoß
Keine Änderung des Inzestverbots in Sicht

Der Ethikrat empfiehlt, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen Geschwistern künftig nicht mehr unter Strafe zu stellen. Das steht aber derzeit nicht zur Debatte, wie die Reaktionen aus der Union und dem Justizministerium zeigen.

Von Christiane Habermalz |
    Ein Pärchen hält sich an den Händen, von hinten fotografiert.
    Inzest und sexuelle Selbstbestimmung würden sich widersprechen, so der Deutsche Ethikrat. (picture alliance / dpa)
    Die Reaktionen aus den Unionsfraktionen des Bundestages auf das Votum des Ethikrates, einvernehmlichen Sex unter erwachsenen Geschwistern künftig nicht mehr unter Strafe zu stellen, fielen harsch aus. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Stephan Mayer, sprach von einem "sittenwidrigen Vorstoß". Das gesellschaftliche Tabu des Inzests bestehe nicht ohne Grund.
    "Ich halte den Vorschlag für vollkommen unangebracht, um nicht zu sagen für skandalös, ich glaub nicht, dass wir die Notwendigkeit haben, das Strafrecht diesbezüglich zu ändern. Wenn man sich auch mal die wissenschaftliche Expertise ansieht und weiß, dass 50 Prozent aller Kinder, die von Geschwistern gezeugt wurden, mit Erbkrankheiten behaftet sind, dann ist es meines Erachtens auch eine Versündigung gegenüber den Kindern, wenn man hier die Norm im Strafgesetzbuch ändern würde."
    "Kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf"
    Auch das Bundesjustizministerium unter Minister Heiko Maas, SPD, erteilte einer Änderung der derzeitigen Rechtslage, wie es der Ethikrat vorschlug, eine klare Absage. Es gebe keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sagte eine Sprecherin des Ministeriums und verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das erst vor zwei Jahren das Inzestverbot bestätigt hatte. Ähnlich ablehnend äußerte sich auch Hessens Justizministerin, die CDU-Politikerin Eva Kühne-Hörmann. Der Ethikrat hatte sich mit dem Fall eines Halbgeschwisterpaares aus Leipzig beschäftigt, das zusammen vier Kinder hatte und deswegen strafrechtlich verfolgt worden war. Gestern hatte das Gremium in einer Stellungnahme empfohlen, aus ethischen Gründen die Rechtslage zu überarbeiten. Das Strafrecht sei nicht das geeignete Mittel, um ein gesellschaftliches Tabu zu bewahren, argumentierte der Ethikrat.
    "Man kann es ganz salopp ausdrücken, wenn sich zwei erwachsene Menschen, ein Verhältnis eingehen: Was hat das Strafrecht da zu suchen, und unsere Einschätzung ist: nichts",
    sagte Michael Wunder, Psychologe und Mitglied des Ethikrates. Das Strafrecht diene nicht der Durchsetzung von Moral oder der Berücksichtigung von Aversionsgefühlen, selbst wenn sie von einer Mehrheit der Gesellschaft empfunden würden, betonte Wunder. Dem widersprach CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer.
    "Wie dann, wenn nicht über das Strafrecht? Wenn man verhindern will, dass es hier zu einer Schädigung von Kindern sehenden Auges kommt, dann kann man nur mit den Mitteln des Strafrechts präventiv tätig werden, um eine entsprechende abschreckende Wirkung zu erreichen."
    "Längst überholt geglaubte eugenische Denkweisen"
    Von einem falschen und fatalen Signal sprach auch der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktionen, Marcus Weinberg. Die Abschaffung des Inzestverbotes für Geschwister würde den Schutzraum von Familien destabilisieren. Kinder hätten ein Recht, in der Familie frei von inzestuösen Handlungen aufzuwachsen. Der Ethikrat hatte allerdings Inzest zwischen Minderjährigen und zwischen Erwachsenen und Kindern ausdrücklich von seiner Empfehlung ausgeschlossen. Den Einwand der Verhinderung von Erbschäden bei Kindern wies Ethikratsmitglied Michael Wunder zurück:
    "Also ich halte diese Argumentation für äußerst fragwürdig, es ist im Grunde genommen ein Rückfall in längst überholt geglaubte Vorurteile und eugenische Denkweisen."
    Mit dem gleichen Argument, so Wunder, müsste das Strafgesetz dann auch Paaren mit familiären Erbkrankheiten den Beischlaf verbieten. Aus der SPD-Fraktion war bislang noch keine Stellungnahme zu erhalten.