Das Entsetzen war bundesweit groß, als im Oktober eine junge Studentin in Freiburg vergewaltigt wurde, Der Hauptverdächtige, ein Syrer, ist nach Polizeiangaben Intensivtäter, sodass der Freiburger Fall schnell eine neue Debatte über Asyl und Abschiebungen auslöste. Ein schwieriges Thema besonders für die Grünen, würden sie doch gerne beides miteinander vereinbaren: Feminismus und Willkommenskultur. Doch die Stimmung ist aufgeheizt, sagt Parteichefin Annalena Baerbock:
"Deswegen ist es schwierig, differenziert darüber zu sprechen, dass Gewalt gegen Frauen durch nichts zu entschuldigen ist, weder durch Alkohol, noch durch traumatische Fluchterfahrungen. Und auf der anderen Seite ist es aber unsere Aufgabe - so seh ich uns auch als Grüne - deutlich zu machen: Frauenrechte und Rechte für Menschen, die auf der Flucht sind, das sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille, nämlich eine Frage von Menschenrechten."
Sagt Baerbock im Gespräch mit unserem Hauptstadtstudio.
Interview in der "Süddeutschen" verblüfft CDU und FDP
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung hatte die Grünen-Politikerin zuvor gefordert, dass Asylbewerber ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückkehren müssen. CDU und FDP reagieren verblüfft:
"Also wir finden das sehr erfreulich, dass bei den Grünen hier, ich sag mal - eine geistige Wende stattfindet."
Sagt der CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg. Und FDP-Innenexperte Stefan Thomae ergänzt:
"Das ist erstaunlich, dass nun plötzlich die Grünen versuchen, gar noch die Union und sogar die Union auf der rechten Seite zu überholen."
Baerbock fühlt sich missverstanden
Doch Baerbock fühlt sich nach Lektüre des Zeitungsinterviews missverstanden. Ihr gehe es nicht generell um rasche Abschiebungen, unabhängig von Straftat und Aufenthaltsstatus des Asylbewerbers, sondern um schnellere Gerichtsverfahren, gerade bei jugendlichen Straftätern:
"Jemand, der hier eine Straftat begeht, der muss spüren, dass nicht mit unseren Gesetzen vereinbar ist. Und deswegen brauchen wir einen schnelleren Strafvollzug. Und Menschen, Vergewaltiger, Mörder. Die gehören ins Gefängnis und nicht in einen Abschiebeflieger."
Zugleich fordert Baerbock aber auch ein konsequentes Durchgreifen bei jenem - Zitat - "sehr kleinen Teil der Geflüchteten", die kriminell werden. Sie sollten aus Sicht der Grünen-Parteispitze schneller abgeschoben werden als gut integrierte Flüchtlinge. Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae widerspricht:
"Tatsächlich aber gewährt der Rechtsstaat manchmal auch jemanden Schutz, der eine schwere Straftat verübt. Und dann gilt ganz normal der Strafanspruch des Staates. Die Abschiebung ist eine ausländerrechtliche Maßnahme."
Parteiinterne Debatte wird sich 2019 fortsetzen
In jedem einzelnen Fall komme es aber immer auf die Sicherheit und die humanitäre Lage in den Heimatländern an, betont Christdemokrat Mathias Middelberg:
"Das ist nach Einschätzung unseres Auswärtigen Amts so, dass Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind. Was Afghanistan anbetrifft, da würden wir uns wünschen, wenn die Grünen tatsächlich auch das machen, was sie jetzt ankündigen."
Abschiebungen nach Afghanistan lehnen die Grünen jedoch entschieden ab. Einigkeit zwischen Regierung und Opposition herrscht lediglich beim Umgang mit syrischen Asylbewerbern. Mathias Middelberg:
"Syrien ist ein anderes Thema. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind Abschiebungen dahin nicht möglich, weil sonst das Leben dieser Menschen gefährdet wäre."
Annalena Baerbocks Interview ist für einen Teil der Grünen Parteibasis Neuland. Doch die Debatte wird weitergehen, wenn Bundestag und Bundesrat 2019 über die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten im Maghreb entscheiden. Die Parteispitze der Grünen lehnt die Ausweitung entschieden ab, anders als die Grünen in Hessen und Baden-Württemberg. Die parteiinterne Debatte wird die Grünen ins neue Jahr begleiten.