- Bulgarien: Die bulgarische Zeitung "24 Tschassa" schrieb unter der Überschrift "Erdogan wird zum Sultan": "In der Türkei hatte der Große Wesir schon im 14. Jahrhundert Funktionen, die den Funktionen eines heutigen Ministerpräsidenten entsprechen und war manchmal sogar mächtiger als der Sultan. Nach seiner Wahl zum Präsidenten habe Erdogan "einen Umschwung in den politischen Sitten" durchgesetzt, "indem er nicht zögerte, seinen Regierungschef Ahmet Davutoglu wegzuschieben, nachdem die Gegensätze zwischen ihnen zu stark wurden".
- Deutschland: Die Bundesregierung sieht Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Verantwortung, die gespaltene Gesellschaft in der Türkei wieder zu einen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) fordern von ihm "einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes". Die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara will Gabriel nicht abbrechen. Die Türkei habe es selbst in der Hand, sagte der SPD-Politiker der 'Bild'-Zeitung.
- Europäische Union: Die EU reagierte zurückhaltend. Die Regierung in Ankara solle sich die Bedenken und Empfehlungen des Europarats zu Herzen nehmen sich bei der Umsetzung der Verfassungsreformen um die größtmögliche nationale Einheit bemühen, mahnten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik Johannes Hahn und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
- Frankreich: Das Präsidialamt in Paris teilte mit, dass es "die bekanntgegebenen Ergebnisse zur Kenntnis" nehme. Sie zeigten, dass die türkische Gesellschaft in der zur Abstimmung gestellten Frage "tief gespalten" sei. "Die Werte und Verpflichtungen im Rahmen des Europarats müssten die türkische Regierung dazu bringen, einen freien und ehrlichen Dialog mit allen Teilen des politischen und sozialen Lebens zu führen.
Zudem hieß es: "Die Organisation eines Referendums über die Todesstrafe würde natürlich einen Bruch mit diesen Werten und Verpflichtungen darstellen." - Großbritannien: Die Londoner "Times" meint, "dies ist ein trauriger Tag für die Verbündeten der Türkei und ein noch traurigerer Tag für die Türkei selbst, die die größte Volkswirtschaft im Nahen Osten ist sowie seine stärkste Militärmacht und seine kulturelle und geografische Brücke zum Westen."
- Iran: Außenamtssprecher Bahram Ghassemi hat zurückhaltend auf das Ergebnis reagiert. Er sagte, "das ist eine interne Angelegenheit der Türkei und des türkischen Volkes und wir werden daher das Ergebnis respektieren". Es sei noch zu früh, über die politischen Konsequenzen des Referendums zu urteilen, so Ghassemi auf einer Pressekonferenz in Teheran. Der Iran hoffe aber, dass das Ergebnis zu Stabilität in der Türkei und zu Sicherheit und Frieden in der Region führen werde.
- Islamische Gemeinschaft Milli Görus: "Jetzt gilt es, diese Wahl zu respektieren und gemeinsam nach vorne zu schauen", sagte der Vorsitzende der muslimischen Organisation, Kemal Ergün.
- Italien: Die italienische Tageszeitung "La Stampa" resümiert: "Die Türkei ist nicht länger Europa, kann Europa aber einen Stoß versetzen - und zwar einen gravierenden (...). Nach einem Moment der Hoffnung und der Öffnung haben sich die beiden Ufer des Mittelmeers voneinander entfernt, vielleicht unwiderruflich."
- Österreich: Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht den knappen Sieg des "Ja"-Lagers als "klares Signal gegen die Europäische Union". Nun müsse die EU reagieren. "Die Zeit des Taktierens muss endlich vorbei sein", forderte Kurz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur APA. Die EU müsse die Beitrittsverhandlungen mit Ankara abbrechen.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) betonte, dass viele Menschen in der Türkei gegen den Kurs Erdogans seien. Er twitterte, Erdogan habe den Bruch mit dem europäischen Grundkonsens von Demokratie und Rechtsstaat gesucht, fast die Hälfte der Türken sei ihm nicht gefolgt.
- OSZE: Cezar Florin Preda von der Wahlbeobachtermission des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) kritisierte, Befürworter und Gegner des Präsidialsystems hätten nicht die "gleichen Möglichkeiten" gehabt. Die späte Änderung der Abstimmungsregeln habe "gegen das Gesetz" verstoßen und wichtige "Schutzvorkehrungen" beseitigt, sagte Preda.
- Russland: Der Kreml hat dazu aufgerufen, die Ergebnisse des Referendums zu respektieren. Sprecher Dmitri Peskow sagte, es handele sich um eine "souveräne Angelegenheit der Türkei".
Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Föderationsrates der Russischen Föderation, Konstantin Kossatschow, schrieb auf Facebook, Erdogan werde sich von der EU abwenden. Das Ergebnis sei ähnlich knapp ausgefallen wie bei der Abstimmung über den britischen EU-Austritt. Erdogan werde seine Ziele nun ähnlich entschieden durchsetzen wie die britische Premierministerin Theresa May.
Die kremltreue Zeitung "Komsomolskaja Prawda" schrieb, viele Türken seien unzufrieden mit Erdogans Machterweiterung. "Diese Leute werden die russisch-türkische Annäherung nach Kräften zu verhindern suchen." - Rumänien: Die Tageszeitung "Adevarul" schreibt: "Es ist unklar, ob - aber nicht ausgeschlossen, dass - Erdogan absichtlich für das Referendum den Tag ausgesucht hat, an dem die Christenheit die Auferstehung feiert, um damit Europa zu verhöhnen, aus dem er, der Sultan, jetzt anfängt, sein Land zurückzuziehen - mit der Zustimmung eines Teils der wahlberechtigten Bevölkerung. (...) Klar ist nur, dass ihm dieser Schachzug gelungen ist, obwohl die Opposition sagt, dass sie die Abstimmung anfechten wird."
- Spanien: In der Zeitung "El País" heißt es, "der Sieg des Ja beim Verfassungsreferendum in der Türkei ist eine schlechte Nachricht. (...) Damit positioniert sich die Türkei vor den Toren des Clubs der so genannten 'illiberalen Demokratien', will heißen: politischen Systemen, bei denen zwar regelmäßig gewählt wird, wo es aber keine Gewaltenteilung gibt und somit auch keine realen Möglichkeiten eines Machtwechsels oder der Informationsfreiheit, sondern stattdessen zusätzliche Einschränkungen der individuellen Freiheiten."
- Zypern: Der Regierungssprecher der geteilten Republik, Nikos Christodoulides, sagte im zyprischen Fernsehen (RIK), "es besteht eine gewisse Besorgnis, weil die Türkei ein anderes Land sein wird". Nikosia wünsche sich, dass in der Türkei Normalität vorherrsche. Für Zypern hängt die Überwindung der Teilung in einen griechischen und einen türkischen Teil auch von Ankara ab. Die Türkei ist mit einer Armee von mehr als 30 000 Soldaten im Norden der Insel vertreten.
(tj/jcs)