Gemeinsam mit Dündar habe man entschieden, die Laudatio zurückzuziehen, weil sie "weitreichende, starke Reaktionen in Europa und der Türkei hervorgerufen" habe, teilte die Bonner Beethoven Academy als Veranstalter am Donnerstag mit. Das "inhaltliche Gewicht der Veranstaltung" solle auf dem Preisträger, den türkischen Starpianisten und Bürgerrechtler Fazil Say, liegen.
Reaktionen "unter der Gürtellinie"
Dündar, bis August Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet", sollte am Samstag in der Bonner Kreuzkirche die Festrede auf Say halten. Vor allem auf Facebook habe es harsche Reaktionen teilweise "unter der Gürtellinie" gegeben, sagte der Intendant der Beethoven Academy, Torsten Schreiber. Diese seien gesichert und an die Polizei weitergeleitet worden. Wer die Urheber waren, könne er nicht sagen.
Dündar gilt für die Regierung seines Landes als Vaterlandsverräter, in Deutschland wird er für seine Arbeit gelobt. Anfang November empfing ihn Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue, später wurde ihm vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger ein Preis für seinen Kampf um die Pressefreiheit verliehen.
An der Preisverleihung in Bonn werde Dündar nun gar nicht teilnehmen. Er wolle mit dem Verzicht "seinen Freund Say im Mittelpunkt stehen lassen", sagte Schreiber. Das bedeute aber nicht, dass die Veranstalter vor möglichen Protesten eingeknickt seien. "Sicherheitstechnisch hätten wir die Veranstaltung durchgezogen."
Auch Say im Visier der Justiz
Dündar war im Mai in Istanbul wegen brisanter Enthüllungen der "Cumhuriyet" zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt worden. Er konnte das Land verlassen und lebt inzwischen in Deutschland. Auch der mehrfach für seine Musik ausgezeichnete Say war in der Türkei wegen regierungskritischer Äußerungen ins Visier der Justiz geraten.
Der mit 10.000 Euro dotierte "Internationale Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion" war 2015 ins Leben gerufen worden. Schirmherr ist Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Erster Preisträger war der syrisch-palästinensische Pianist Aeham Ahmad, der in Damaskus auf der Straße gegen die Gewalt in seinem Heimatland Syrien Klavier gespielt hatte. In diesem Jahr werde Say ausgezeichnet, weil er "mit seinen Kompositionen immer wieder den Dialog zwischen Europa und der Türkei sucht", sagte Intendant Schreiber.
(nch/fwa)