Mittwochmittag in den gemeinnützigen Werkstätten Bonn. Petra Kiel verpackt Schoko-Adventskalender: Sie faltet den bedruckten Pappkarton mit den Türchen auf, schiebt das Innenteil mit der Schokolade hinein und legt die fertigen Adventskalender auf einen Stapel. Gemeinsam mit rund zehn Frauen und Männern sitzt sie in einem der "manuellen Bereiche" der Werkstatt. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter hier einfache Tätigkeiten ausführen, von Hand, ohne Maschinen. Die Kalender einzupacken ist keine besonders anspruchsvolle Tätigkeit, aber ihrem alten Job konnte die 30-Jährige irgendwann nicht mehr nachgehen:
"Weil ich es einfach körperlich und kräftezehrend nicht hinbekomme, einen normalen Alltag, also normale Arbeit acht Stunden am Tag zu machen, das war einfach nicht möglich. Und hier ist halt: Man kann auch mal ein, zwei Wochen krank sein, ohne, dass das jetzt so extrem auffällt, wie auf einer normalen Arbeit."
Petra Kiel ist psychisch erkrankt. Was sie genau hat, das mag sie nicht sagen. Vor ihrer Erkrankung hatte sie eine Ausbildung zur Verkäuferin gemacht, ein "normales Leben" gehabt, wie sie sagt. Jetzt arbeitet sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Das habe ihr am Anfang ganz schön zu schaffen gemacht, mittlerweile ist sie aber zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz in der Werkstatt.
"Weil man auch lernt, damit zufrieden zu sein, normalen Alltag wieder zu haben und nicht diese großen Ziele, so erster Arbeitsmarkt, was man dann doch mit der Zeit nicht hinkriegt. Das muss man aber erst mal alles lernen."
In den gemeinnützigen Werkstätten in Bonn arbeiten rund 400 psychisch Behinderte: Menschen, die schizophrene Erkrankungen haben, Persönlichkeitsstörungen oder schwere Depressionen, und die deshalb nicht oder nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Sie arbeiten beispielsweise in der hausinternen EDV mit oder im Lager, wo Tausende von Infobroschüren darauf warten, adressiert und in alle Welt verschickt zu werden. Oder eben im "manuellen Bereich", wie Petra Kiel. Von diesen Werkstätten gibt es ungefähr 700 in ganz Deutschland. Sie gehen auf die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt ein, erklärt Jan-Philipp Buchheister. Er leitet das Geschäftsfeld Arbeit beim Bonner Verein für Gemeindenahe Psychiatrie:
"Die brauchen unter Umständen mehr Unterstützung dafür. Unterstützung, die ein Arbeitnehmer sonst nicht leisten kann. Die er finanziell nicht gewuppt kriegt, wo ihm das Know-how fehlt, wo es Berührungsängste gibt. Das alles ist in Werkstätten möglich. Und das ist denke ich die Existenzberechtigung der Werkstatt und auch die große Qualität der Werkstatt, die große Kompetenz der Werkstätten."
Die Idee ist, dass die Menschen von der Werkstatt wieder den Weg zurück ins normale Arbeitsleben finden. Die Realität sieht allerdings anders aus. Das hat Theresia Degener festgestellt: Sie ist Professorin an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum:
"Hingegen haben wir eine Rate von unter ein Prozent, was die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt anbelangt, wenn man einmal in der Werkstatt war. Das heißt, es ist ein verschwindend geringer Teil von Menschen, die dort wieder rauskommen, es ist eine Sackgasse. Ich würde nicht sagen, dass die Werkstätten zu einer Vision der inklusiven Arbeitswelt gehören, denn sie sind Orte der Trennung, der Separierung."
Theresia Degener ist Mitglied im Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, also jenem Gremium das weltweit die Einhaltung der Behindertenrechtskonvention überprüft. In Deutschland ist sie seit knapp vier Jahren rechtskräftig. Seitdem haben Menschen mit Behinderung ein offiziell festgeschriebenes Recht auf Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe, Chancengleichheit und Barrierefreiheit. Konkret bedeutet das: Anders als bei der Integration sollen Nichtbehinderte und Behinderte nicht nebeneinander, sondern miteinander leben.
"Inklusion bedeutet, wenn wir es auf den Bereich Arbeit beziehen, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, unabhängig von ihrer Behinderung am Arbeitsleben teilzunehmen, unter gleichberechtigten Bedingungen."
Behinderte haben selten die Chance, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen
Doch die Realität sieht anders aus: Behinderte haben selten die Chance, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen, wie von der Behindertenrechtskonvention vorgesehen. Die Arbeitslosenquote ist in der Gruppe der schwerbehinderten Menschen deutlich höher als bei Nichtbehinderten. Sie sind länger arbeitslos. Und während die Arbeitslosenzahlen insgesamt seit Jahren sinken, gibt es bei schwerbehinderten Arbeitslosen kaum Veränderungen.
"Jetzt kann man natürlich immer noch sagen: Na ja, Behinderte können ja auch schlechter arbeiten als Nichtbehinderte, es liegt ja auf der Hand sozusagen. Das ist jedenfalls das, was man gemeinhin denkt. Darauf lautet natürlich die Antwort: ja und nein. Der größte Teil der Schwerbehinderten kann arbeiten, wenn sie angemessene Vorkehrungen erhalten."
Software-Hersteller will Autisten einstellen
Unterwegs auf den langen Fluren des Software-Herstellers SAP in Walldorf, in Baden-Württemberg. Hier will man zeigen, dass Schwerbehinderte durchaus in der Lage sind, einer "richtigen" Arbeit nachzugehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen: Es gibt Rampen für Rollstuhlfahrer; in den Kantinen sind extra Tische für sie reserviert. In einigen Treppenhäusern gibt es Tafeln mit Blindenschrift zur Orientierung. Und kürzlich die aufsehenerregende Meldung: bis zum Jahr 2020 wolle man weltweit hunderte Autisten einstellen. Die Idee: Autisten sind mitunter auf einzelnen Gebieten hochbegabt und haben eine andere Wahrnehmung von Details als Nicht-Autisten. Das will sich SAP zunutze machen. Das Interesse an diesen Jobs war groß, erklärt Anka Wittenberg, dort zuständig für Vielfalt und Inklusion.
"Wir hatten bis zu 400 Bewerber und haben dann eben das Auswahlverfahren gemacht. Hatten dann hinterher 20 Bewerber hier eingeladen und sieben sind dann hinterher durch die Assessment-Center hier durchgekommen, und das sind die, die wir jetzt im Onboarding haben, und die jetzt hier bei der SAP beginnen."
"Onboarding", das bedeutet, dass die neuen Mitarbeiter darauf vorbereitet werden, bei SAP zu arbeiten. Es bedeutet aber auch, dass die Mitarbeiter geschult werden, in deren Team künftig ein Kollege mit Autismus arbeiten wird. Denn abgesehen von ein paar Äußerlichkeiten – weniger Bilder in den Büros, mehr Ruhe für die Autisten – soll es keine Unterscheidungen geben, zwischen einem Mitarbeiter mit und ohne Behinderung.
"Es sind ganz normale Mitarbeiter bei uns, fest angestellte Mitarbeiter, die in die Teams integriert sind. Wir haben überhaupt keine Intention, sie irgendwie anders zu behandeln, als irgendjemanden sonst."
SAP bemüht sich, die Pläne nicht nur als PR-Schachzug darzustellen. Es gibt einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention, Software und Gebäude sollen barrierefrei sein. Auf der Rückseite der Visitenkarte von Anka Wittenberg ist Braille-Schrift eingestanzt. Genauso wie Geschlecht, Nationalität oder sexuelle Orientierung solle auch Behinderung keine Rolle spielen, betont die Inklusions-Beauftragte:
"Unser Ziel ist es, wirklich eine Kultur zu schaffen, wo solche Positionen, wie ich sie beispielsweise habe, einfach nicht mehr notwendig sind, wo es wirklich in unser Tagesgeschäft mit gehört, jeden Menschen mit seiner Einzigartigkeit, mit seinen Stärken hier aufzunehmen und ein Umfeld zu schaffen, wo wir gemeinsam innovativ sein können."
Inklusion kann nur funktionieren, wenn alle mitmachen
Ob dieses innovative Arbeitsklima in die Kaffee-Ecken und Büros bei SAP einziehen wird, wird sich zeigen. Feststeht: Inklusion kann nur funktionieren, wenn alle mitmachen. Denn Vorurteile und Berührungsängste können genauso Barrieren sein, wie Treppen oder fehlende Türöffner, meint die Professorin Theresia Degener:
"Selbst wenn wir barrierefreiere Arbeitsplätze hätten, ist immer noch als erstes Problem die Vorurteile gegenüber behinderten Menschen als Arbeitnehmer, als Kollegen da. Die meisten Arbeitgeber trauen sich nicht, Behinderte einzustellen, glauben, dass das Unfrieden in die Belegschaft bringt, glauben, dass das mit zu hohen Kosten verbunden ist und so weiter und so fort."
Viele Schulen in Deutschland nehmen noch keine behinderten Kinder auf
Tatsächlich muss Inklusion schon viel früher anfangen: im Kindergarten und in der Schule. Denn erst wenn ein Nebeneinander von Behinderten und Nicht-Behinderten selbstverständlich ist, schwinden auch die Vorurteile und Berührungsängste. Die Lage in den Schulen ist bisher allerdings alles andere als inklusiv. Obwohl seit Inkrafttreten der UN-Konvention vor vier Jahren jedes behinderte Kind das Recht haben sollte, gemeinsam mit anderen Kindern unterrichtet zu werden, sieht die Realität anders aus: Viele Schulen in Deutschland nehmen noch keine behinderten Kinder auf. Und wenn, dann sind die Plätze begrenzt; häufig entscheidet das Los. Dementsprechend fällt auch das Urteil von Theresia Degener, die für die Vereinten Nationen die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention bewertet, aus:
"Wir haben in unserem Bildungssektor ein Apartheidssystem, wenn es um behinderte Kinder geht. Wir sind ein Entwicklungsland. Die Inklusionsrate von unter 30 Prozent ist im OECD-Durchschnitt weit unter dem Durchschnitt. Weit unter dem Durchschnitt."
Hinzu kommt, dass Bildung Ländersache ist. Von Bundesland zu Bundesland unterscheidet sich die Rate teils gewaltig. Jedes Land hat seine eigenen Regelungen.
"Das ist sicherlich ein Stolperstein auf dem Weg zur Inklusion. Das zweite Problem ist, dass immer wieder gesagt wird: alles immer unter dem Vorbehalt des finanziellen und personell und örtlich Machbaren. Auch diesen Vorbehalt, den kennt die Behindertenrechtskonvention so nicht."
Zudem kosten auch Förderschulen Geld. Der Bildungsforscher und emeritierte Professor Klaus Klemm hat in einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung berechnet, dass Deutschland für Kinder auf Förderschulen jedes Jahr rund 2,6 Milliarden Euro ausgibt – zusätzlich zu den Kosten, die ein Platz auf einer Regelschule kosten würde. Seine Berechnungen gehen allerdings weiter: Würde man die Förderschulen schließen und die Kinder auf Regelschulen verteilen, wäre noch mal 660 Millionen Euro mehr nötig – jedes Jahr: Für gut ausgebildetes Personal, um das gemeinsame Lernen möglich zu machen. Theresia Degener hält dagegen. Es sei:
"volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich teurer, zwei Parallelsysteme aufrecht zu erhalten. Wir sind noch nie in der Geschichte der BRD an einem so günstigen Zeitpunkt gewesen, jetzt Inklusion umzusetzen, denn fast alle Schulen sind marode. Die müssen sowieso umgebaut werden. Es ist jetzt der richtige Moment, diese Schulen barrierefrei umzubauen und nicht nur Rampen einzubauen, sondern auch an Induktionsschleifen für Hörbehinderte zu denken und so weiter und so fort. Also wir sind an einem Punkt, wo es uns auch wirtschaftlich sehr gut geht, wo wir das Geld hätten, aber es wird nicht gemacht. Und das empfinde ich als großen Fehler."
Trotzdem wächst der Inklusionsanteil. Während vor fünf Jahren nicht mal jedes fünfte Kind mit Förderbedarf eine Regelschule besuchte, ist es jetzt schon jedes vierte. In Kindergärten und -Tagesstätten ist der Anteil noch höher. Viele dieser Kinder werden vermutlich auch einen Platz auf einer inklusiven Grundschule fordern und später auf einer weiterführenden Schule. Doch, was kommt nach der Schule?
Behinderten Werkstätten bieten Identifikation
Viele Menschen arbeiten dann in einer der gemeinnützigen Behindertenwerkstätten, wie die in Bonn. Aber ist das Inklusion? – Ja, sagt Jan-Philipp Buchheister vom Bonner Verein für Gemeindenahe Psychiatrie:
"Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch seinem Wunsch und Wahlrecht gemäß und seinem Bedarf auch gemäß eine Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe auch durch Arbeit haben kann. Und wenn da Werkstätten in der Lage sind, das zu bieten, dann sind Werkstätten durchaus auch ein brauchbarer inklusiver Arbeitsplatz."
Neben geregelten Tagesstrukturen will die Bonner GVP auch eine Möglichkeit der Identifikation bieten. Dazu hat man sich einen Namen gegeben: Die Werkstatt bietet ihre Dienstleistungen - vor allem das Zusammenstellen und Verpacken von Waren - unter der Marke "Die Konfektionierer" an. Und: Sie befindet sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen der Region, zum Teil sogar in ganz Deutschland oder weltweit. Jan-Philipp Buchheister spricht deshalb auch lieber von einem "Arbeitgeber" als von "Werkstatt".
"Ich glaube, wenn wir hier eine Befragung machen, der Menschen, die hier arbeiten, wird ein großer Teil dieser Menschen die GVP benennen, als ihren Arbeitgeber. Nicht als Werkstatt, 'ich arbeite in einer Werkstatt für behinderte Menschen', sondern 'Für mich ist die GVP mein Arbeitgeber'."
Dazu gehört auch eine Mitbestimmung der Beschäftigten. So wie es in anderen Unternehmen einen Betriebsrat gibt, wählen Mitarbeiter einen Werkstattrat. Helmut Wolny gehört dazu. Auch er ist zufrieden mit seinem Arbeitsplatz, sagt selbst, dass er zurzeit lieber in der Werkstatt bleiben will, als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Eine Sache stört ihn allerdings gewaltig:
"Womit die Kolleginnen und Kollegen nicht zufrieden sind, ist eben die Tatsache, dass sie in der Grundsicherung sind und am untersten Ende der sozialen Leiter angelangt sind. Und dass sie eben nicht die Möglichkeit haben, ins Kino zu gehen, ins Theater zu gehen, ohne den Cent immer umzudrehen und zu gucken: Kann ich mir das finanziell leisten? Und das bedeutet ja auch gesellschaftliche Teilhabe. Auch mit nichtkranken Menschen oder mit nichtbehinderten Menschen in Kontakt zu kommen."
Rund 250 Euro bekommt jeder Mitarbeiter im Durchschnitt. Damit steht die Bonner GVP noch gut da: Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen liegt ein durchschnittlicher Monatslohn bei rund 180 Euro. Grundsätzlich muss eine Werkstatt mindestens 70 Prozent ihrer Einnahmen an die Beschäftigten auszahlen. Weil die Mitarbeiter in einer Werkstatt aber langsamer arbeiten, als in anderen Firmen, oder weil für die gleiche Arbeitsleistung mehr Leute notwendig sind, ist der Umsatz solcher Einrichtungen geringer, daher fällt auch die Bezahlung der Mitarbeiter entsprechend klein aus. Ein Problem, das auch Jan-Philipp Buchheister anerkennen muss:
"Das ist definitiv eine große Schräglage, dass wir hier auf der einen Seite von inklusiven Arbeitsplätzen sprechen und auf der anderen Seite die Bezahlung kein selbstbestimmtes, selbstständiges Leben und das Bestreiten der eigenen Lebensunterhaltskosten über das Gehalt zulassen."
"Politisch wird es darüber gerechtfertigt, dass es nicht als Arbeitseinkommen angesehen wird, sondern dass die Werkstatt als therapeutische Maßnahme, als Rehabilitationsmaßnahme dargestellt wird. Und das ist selbstverständlich mit der Behindertenrechtskonvention nicht zu vereinbaren", ...
... kritisiert auch Theresia Degener. Zumal die Behinderten bei der GVP durchaus ernst zu nehmende Arbeit leisten. Das haben auch verschiedene Arbeitgeber in der Region erkannt. Sie beschäftigen Menschen mit Behinderungen, diese bleiben aber weiterhin in der Werkstatt angestellt. Das Spektrum reicht dabei von einem Hotel über ein Krankenhaus bis zu einem Leuchtenhersteller. Das soll die Brücke in den "normalen Arbeitsmarkt" bauen, auch wenn es dahin bislang noch die wenigsten schaffen.
Zurück in einen "normalen" Betrieb
Einer, der den Schritt schon geschafft hat, ist Zeljo Matosevic. Er arbeitet im Lager bei der GVP. Genauer gesagt: Er macht dort seine Ausbildung.
"Ich habe jetzt erlernt den Fachlegeristen. Halt in einer dualen Ausbildung hier im Betrieb GVP und Schule Friedrich-List in Bonn. Und, ja, Fachlagerist habe ich abgeschlossen mit Zwei. Und jetzt bin ich an der Fachkraft für Lagerlogistik dran. Die dreijährige Ausbildung ist das."
Zeljo Matosevic geht also zu einer ganz normalen Berufsschule, bekommt ein ganz normales Ausbildungsgehalt und ist nicht mehr als "Behinderter" bei der GVP angestellt. Er fühlt sich fit für den regulären Arbeitsmarkt.
"Ich möchte irgendwo im Lager dann halt tätig sein, ne?! Als Fachkraft für Lagerlogistik. Und wenn das nicht geht, dann halt als Staplerfahrer und ja … da drauf hin werde ich mich auch bewerben, bis man dann irgendwo mal einen Betrieb findet, der einen fest einstellt."
"Jedem Menschen soll die Chance gegeben werden"
Die Werkstatt habe ihn zurück ins Leben gebracht, sagt Zeljo Matosevic. Trotz seiner Psychose, seiner Schizophrenie, wird er bald wahrscheinlich wieder in einem ganz normalen Betrieb arbeiten. Doch er bleibt damit eine seltene Ausnahme. Kann es dann überhaupt Inklusion geben? Ist die UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich umsetzbar? Oder ist der Gedanke vom gleichberechtigten Miteinander, von Teilhabe und Chancengleichheit nur eine Utopie? Der Bonner Jan-Philipp Buchheister und die Bochumer Professorin Theresia Degener sehen das unterschiedlich:
"Wenn Sie mich persönlich fragen: Ja. Diese Erkenntnis, dass wir hier von einer Utopie sprechen, darf nur nicht dazu führen, gleich am Anfang dann alle Bemühungen daranzugeben. Sondern da geht es sicherlich darum, so nah wie möglich heranzureichen, an diese Utopie. Das ist unsere Aufgabe."
"Ich denke schon, dass es totale Inklusion geben kann. Auch für die sogenannten Menschen mit schwerster Beeinträchtigung. Damit will ich nicht sagen, dass jeder Mensch arbeiten muss in seinem Leben. Es hängt wirklich von seinen persönlichen Voraussetzungen und Vorlieben und Möglichkeiten auch ab. Aber jedem Menschen soll die Chance gegeben werden, und es kann nicht sein, dass wir von Anfang an schon sagen: Du bist behindert, und deswegen hast du weniger Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, sondern Behinderung darf nicht länger Grund für Exklusion per se sein."