
Hacker haben E-Mails abgefangen und interne Dokumente veröffentlicht. Sie sollen belegen, dass eine PR-Firma in Sankt Petersburg Hunderte Mitarbeiter dafür bezahlt, unter falschem Namen Kreml-freundliche Online-Kommentare zu verfassen - auch auf westlichen Internetseiten.
Julian Hans, Moskau-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung", hat die Daten ausgewertet:
"Ich finde die Unterlagen deshalb wichtig, weil wir in den vergangenen Monaten, alle deutschen Medien aber auch internationale Medien wie der 'Guardian' oder die 'Washington Post', das wahrgenommen haben, dass so etwas passiert, es auch immer die Gerüchte gab, dass es so was gibt und die Vermutung. Und aus den Unterlagen sehen wir jetzt zum ersten Mal, dass es das tatsächlich professionell organisiert gibt. Ich gehe davon aus, dass diese Agentur zur Analyse des Internets in Petersburg nicht die einzige ist."
Eine Million Dollar pro Monat soll diese Firma nach Insider-Berichten ausgeben, um Internet-Seiten gezielt mit kreml-freundlichen Kommentaren zu überfluten. Schon vor zwei Jahren hatte die russische Journalistin Alexandra Gamarschapowa darauf aufmerksam gemacht.
Die Reporterin der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" hatte sich von der PR-Agentur anstellen lassen, um undercover zu recherchieren: "Als ich da war, bestand die Arbeit darin, dass man auf russischen Internetseiten negative Kommentare über die russische Opposition, über die USA und den Westen, also über all die angeblichen 'Feinde', die Russland umzingeln, schreiben musste. Positive Kommentare musste man über Putin schreiben, ihn musste man loben als den einzigen Retter des Landes."
Die Spur führt in höchste Regierungskreise
Die Beschäftigten der Firma seien vor allem Studenten, die sich über die ordentliche Bezahlung freuen, berichtet die Journalistin. Handreichungen geben Tipps, wie zu argumentieren ist, weisen auf besondere Kommentierregeln der verschiedenen Seiten hin. Inzwischen nicht nur für Medien aus Russland, sondern auch aus Europa und den USA.
Doch wer steckt hinter der Kreml-Propaganda? Die Spur führt nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" und der "Nowaja Gaseta" in höchste russische Regierungskreise. Schlüsselfigur soll Jewgenij Prigoschin sein, ein Unternehmer, der den Spitznamen "Putins Koch" trägt. An ihn gingen die monatlichen Abrechnungen der Petersburger PR-Agentur.
"Es wird klar, wenn man die Kette nachvollzieht: Jewgenij Prigoschin und seine Firma beliefern die russische Armee und andere staatliche Stellen mit Essen. Das wichtigste Restaurant in der Regierungszentrale gehört ihm. Es ist offensichtlich, dass dieser Mann enge Beziehungen zur Staatsführung hat."
Erst kürzlich hat Wladimir Putin auf einem Medienforum das Internet als Projekt des amerikanischen Geheimdienstes kritisiert. Russland müsse deshalb auch online für seine Interessen kämpfen, sagte er. Alles deutet darauf hin, dass sich eine russische Internet-Armee schon mitten in diesem Kampf befindet.