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Recherchekooperationen
Private und Öffentlich-Rechtliche bündeln ihre Kräfte

Große Investigativrecherchen sind für einzelne Redaktionen kaum zu stemmen. Die ARD kooperiert deswegen mit privaten Medienhäusern, um Themen schneller und umfassender umsetzen zu können. Dass die Ergebnisse auf einer gemeinsamen Plattform landen, ist aber noch Zukunftsmusik.

Von Michael Borgers |
Ein VW-Logo glänzt am 25.09.2015 in der Morgensonne am VW Werk in Wolfsburg.
Der Volkswagen-Konzern und der Abgasskandal standen mehrfach im Fokus der gemeinsamen Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung". (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
Gemeinsame Geschichten von Redaktionen der ARD und privaten kommerziellen Medien erscheinen inzwischen fast im Wochentakt. Ob die im RBB-Magazin "Kontraste" über einen syrischen Flüchtling, der die AfD unterstützt: "Silvio Duwe und Georg Heil berichten gemeinsam mit den Kollegen von 't-online.de'."
Oder bei "Monitor" im WDR, wo es um ein Netzwerk rechter Handwerker in Mecklenburg-Vorpommern geht: "Andreas Spinrath und Andreas Maus haben mit Kollegen der 'Zeit' mehrere Wochen in der Stadt verbracht."
Wissen teilen, statt einkaufen
Aber warum setzt die ARD nicht nur auf die eigene Kompetenz? Zumal in seinen Flaggschiffen, den Politmagazinen? Für die Rechercheverbünde gebe es verschiedene Gründe, sagt Chefredakteur Rainald Becker. Er ist für die Koordination der Informationssendungen im Ersten verantwortlich.
"Wenn wir möglicherweise auch, gerade bei größeren Recherchen, Stichwort Panama-Papers und ähnliche Großrecherchen, wenn es einfach für ein Haus, einen Sender auch alleine oder eine Redaktion alleine nicht zu leisten ist. Oder wenn man ein sogenanntes Wissens-Sharing macht, wenn bei dem Partner, bei dem Recherchepartner Wissen, Know-how vorhanden ist, das man selber nicht hat, das man selber möglicherweise sogar einkaufen müsste."
"Zwei starke Partner"
Das sieht auch Florian Harms so, Chefredakteur von "t-online". Denn die journalistische Arbeit der Recherche sei aufwendiger geworden.
"Und das heißt dann schlicht und einfach, dass man häufig, wenn man nur alleine arbeitet als Redaktion, da einfach nicht schnell genug vorankommt. Und wenn sich dann zwei starke Partner wie in unserem Fall zusammenschließen, dann hat man eben viel mehr Kraft, in unterschiedliche Richtungen zu recherchieren und auch ein Thema schneller auf die Straße bringen zu können."
Gemeinsames Brainstorming
Zum Beispiel Anfang des Jahres: Da berichteten "t-online" und der RBB gemeinsam über russische Einflussnahme in Deutschland. Andere Medien, auch in Russland, griffen die Recherchen auf. Die Bundesregierung bezog Stellung. Ein anderes Thema: die Verwicklungen eines AfD-Bundestagsmitarbeiters in einen Brandanschlag in der Ukraine. Entwickelt habe man diese Ideen gemeinsam, erklärt Florian Harms.
"Die Kollegen waren mehrfach hier, wir waren bei den Kollegen dort im Sendehaus. Und dann haben wir eben mal geschaut, welche Themen denn so komplex sind und aber auch so spannend sind, dass man da gemeinsame Projekte draus machen kann."
Streit um Tagesschau-App
Entscheidend sei, dass die Zusammenarbeiten anlass- und themenbezogen seien, betont auch ARD-Chefredakteur Becker. Projekte wie diese sorgten grundsätzlich dafür, dem Journalismus wieder zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen, meint die Bochumer Medienwissenschaftlerin Christine Horz. Mit der investigativen Recherche würden sie eine Kernaufgabe von Medien betonen. Die ARD ließe sich aber nicht nur deshalb auf die Kooperationen ein, vermutet sie:
"Das hat auch den Hintergrund der Tagesschau-App, die ja immer wieder in der Diskussion stand und auch hier bei den Verlagen für große Verstimmung gesorgt hat. Durchaus kann man hier auch sehen, dass die Öffentlich-Rechtlichen auf die Privaten zugehen."
Verschiedene Verlage, darunter auch der der "Süddeutschen Zeitung", hatten gegen die Tagesschau-App geklagt. Ihr Vorwurf: Die App sei zu "presseähnlich", setze zu sehr auf Texte und Bilder. Die Richter, später auch am BGH, gaben den Verlagen Recht.
Dass die ARD mit den Rechercheprojekten auf ihre Kritiker zugegangen ist, ist aber auch umstritten. Vor allem die Zusammenarbeit des WDR und NDR mit der "Süddeutschen Zeitung" hat unter anderen Medien für Unmut gesorgt. Der damalige "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer nannte den Rechercheverbund "Quersubventionierung eines Zeitungsverlags", "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt sprach von "Markenwerbung".
Kritik an der Finanzierung
Auch Medienwissenschaftlerin Christine Horz erkennt Probleme. Denn der Rundfunkstaatsvertrag sehe eigentlich vor, dass nur öffentlich-rechtliche Medien vom Bürger finanziert würden.
"Und hier muss noch mal geklärt werden, wie das eigentlich weitergehen soll. Soll dass stärker ausgebaut werden? Sollen gemeinsame Plattformen im Internet entstehen, wie das beispielsweise der Vorsitzende der ARD vorschlägt, Ulrich Wilhelm? Oder: Was ist die Zukunft dieser Zusammenarbeit? Das würde mich interessieren."
Idee für eine europaweite Plattform
BR-Intendant Wilhelm fordert eine europäische Plattform. Auf ihr sollen Sender, Verlage und Institutionen Videoinhalte anbieten können, öffentlich-rechtliche Anbieter wie private. Eine Initiative, die grundsätzlich zu begrüßen sei, so Christine Horz.
"Nur, die Frage ist eben: Kann das oder soll das mit privat-kommerziellen Anbietern der Fall sein? Oder doch vielleicht eher mit Anbietern, die auch gemeinwohlorientiert arbeiten, wie etwa Museen oder Schulen?"
ARD-Chefredakteur Rainald Becker sieht hier keinen direkten Zusammenhang. Die Pläne für die Plattform öffentlicher und privater Medien hätten nichts mit deren aktuellen Kooperationen zu tun. Und auch t-online.de-Chefredakteur Florian Harms findet: Überlegungen von Sendern und Verlagen sind das eine.
"Auf einem anderen Blatt Papier steht aber die inhaltliche Zusammenarbeit. Und da sind wir eben sehr froh, mit dem RBB kooperieren zu können." Und diese Arbeit finde abseits jeglicher Medienpolitik statt, so Harms.