Das Institut für Standards und Technologie der USA ist eine renommierte Forschungseinrichtung. Die Zweigstelle in Colorado liegt am Ortsende des Studentenstädtchens Boulder. Flache Bauten auf einem abgezäunten Areal. Direkt dahinter gewaltige Granitfelsen, Ausläufer der Rocky Mountains.
"So everything started in the smaller lab. And that’s where we still have this trap."
Der Physiker Dr. Didi Leibfried ist um die 40 und arbeitet schon seit vielen Jahren hier. Studiert hat er in München, aber weil ihm die deutschen Fachwörter oft gar nicht mehr einfallen, spricht er lieber englisch. Didi Leibfried ist Experte für Laser und kalte Atome. In einem riesigen Labor betreibt er Grundlagenforschung für den Bau eines neuartigen Supercomputers.
"Hey John. This is Ralf. He’s a radio journalist from Germany."
"Hi, nice to meet you."
"And he wanted to get some typical lab sounds. So you can hear it’s mostly fans and air-conditioning. The real beauty of these labs are actually our laser beams that you unfortunately can’t see in the radio."
Der Anblick ist atemberaubend. In dem abgedunkelten Raum steht ein riesiger Tisch vom Format eine Squash-Courts, darauf ein Gewirr aus Linsen und Spiegeln. Lüfter kühlen mächtige Laser, die rote, hell- und dunkelgrüne Strahlen im Zickzack über die Platte schießen.
"So, in this lab we work with aluminium ions, magnesium ions and also beryllium ions. And you need lasers for each of that species."
Zwei Jahre hat der Aufbau der Laser und Präzisionsoptiken gedauert. Die Forscher verwenden sie, um einzelne Ionen – das sind elektrisch geladene Atome – einzufangen, tiefzukühlen und zu manipulieren. Stellt man das clever genug an, so die Hoffnung, ließen sich die festgesetzten Ionen verwenden, um einen Computer zu bauen, der sich die bizarren Gesetze der Quantenwelt zunutze macht. Ein solcher Quantencomputer könnte ganz viele Rechenschritte gleichzeitig erledigen und würde konventionelle Rechner dadurch ziemlich alt aussehen lassen. Didi Leibfrieds Kollege John zeigt auf einen Monitor am vorderen Rand des Laser-Spektakels.
"Der helle Punkt dort ist ein Ion, das sich gerade in unserer Falle befindet. Um es sichtbar zu machen, strahlen wir mit einem Laser darauf. Dadurch beginnt es hell zu leuchten. Es ist, als ob Sie einen Leuchtturm aus großer Ferne betrachten. Seine Struktur können Sie nicht erkennen, aber das Licht, das er aussendet, ist deutlich zu sehen."
Das gefangene Ion befindet sich im Zentrum eines luftleeren Stahlzylinders. Winzige Elektroden halten es in Position, Laserstrahlen, die durch Bullaugen ins Innere des Vakuumtanks gelangen, können es anschubsen und zum Leuchten anregen. Wirklich spannend wird es aber erst, wenn mehrere Ionen in der Falle stecken und sich gegenseitig beeinflussen. Bei einem ihrer Experimente haben die US-Forscher auf diese Weise sechs Ionen zu einem simplen Speichermodul verschaltet. Weil sich die Ionen elektrisch abstoßen, schweben die Leuchtpunkte in gleichmäßigem Abstand voneinander, aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Leibfried:
"Wenn die Laser warmgelaufen sind, dauert es nur fünf Minuten, um sechs oder auch mehr Ionen in die Falle zu laden. Für eine logische Operation kitzeln wir sie dann selektiv mit Laserstrahlen. Leider funktioniert das nicht wie bei normaler Elektronik. Da wissen Sie genau: Wenn ich an diesen Schaltkreis fünf Volt anlege, spuckt er automatisch das richtige Ergebnis aus. Wir dagegen müssen jeden Rechenschritt stundenlang optimieren. An einem guten Tag funktioniert alles und wir erzielen wirklich Ergebnisse. Das Aufnehmen der Daten dauert dann wieder einige Stunden. Verglichen mit den Anstrengungen, das Ganze überhaupt zum Laufen zu bringen, fallen die aber kaum ins Gewicht."
Für eine klitzekleine Berechnung, die jeder PC-Prozessor in Sekundenbruchteilen erledigt, braucht es manchmal ein Jahr Vorbereitung. Klingt für Laien irrwitzig ineffizient. Für Forscher wie Didi Leibfried ist es Alltag.
"Alles was wir hier tun, ist an der Grenze des Machbaren. Es ist wie beim Sport. Sie haben einen Rekord aufgestellt und wissen: Ich will mich weiter steigern. Also trainieren Sie ein bisschen härter, um nächstes Jahr noch einen Tick besser zu sein. Nur so können Sie erneut die 100 anderen Athleten abhängen, die ihnen auf den Fersen sind."
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 1: Wie alles begann
1994 präsentiert der US-Mathematiker Peter Shor ein Verfahren, um Zahlen schneller zu zerlegen als je zuvor. Für Banken und Geheimdienste war das ein Schock. Gängige Verschlüsselungsverfahren basieren darauf, dass konventionelle Zahlenfresser Jahre brauchen, um große Zahlen in ihre Primfaktoren zu zerlegen. 15 hat man schnell in 3 mal 5 zerlegt. Ist der geheime Schlüssel eines Codes dagegen lang genug, ist die Chance, ihn zu knacken, praktisch gleich Null. Doch in Peter Shors Quantenwelt gelten andere Regeln. Um eine Zahl mit 130 Stellen zu zerlegen, bräuchte ein hochparallel arbeitender Quantencomputer demnach 10 Millionen mal weniger Rechenschritte als ein heutiger Supercomputer. Bei einer 600-stelligen Vorgabe, wäre der Quantenrechner 100 Milliarden Milliarden mal schneller fertig.
Die Kryptographen bekamen noch eine Atempause, denn der Bau solch eines Quantenrechners ist bislang keinem gelungen. Die technischen Herausforderungen sind so enorm, dass die Realisierung des Quantenkalküls lange als Hirngespinst galt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Die meisten Experten glauben: Es ist nur eine Frage der Zeit.
"Es wird noch mindestens zehn Jahre dauern, bis Quantencomputer genauso leistungsfähig sind wie klassische Computer. Vielleicht aber nicht viel länger. Ich bin optimistisch, dass es innerhalb von zehn bis 20 Jahren gelingen könnte. Zum Glück bin ich dann in Rente und muss dieses Versprechen nicht mehr einlösen."
Dr. David Wineland ist der Chef von Didi Leibfried und Leiter der Ionenspeichergruppe am NIST in Boulder. In seinem Büro lehnt ein Rennrad an der Wand, mit dem er nach Feierabend in die Rockies fährt. Wineland ist Mitte 50 und gilt als heißer Kandidat für den Physiknobelpreis. Seine Expertise für Atomuhren und gefangene Ionen habe ihn eher zufällig zu einem der Pioniere des Quantenrechnens gemacht, sagt er.
"Als das Feld vor gut zehn Jahren populär wurde, überlegten wir gerade, uns bei unseren Experimenten mit Atomuhren das quantenmechanische Prinzip der Verschränkung zunutze zu machen. Es besagt, dass atomare Objekte regelrecht miteinander verschmelzen und im Nu Informationen austauschen können. Diese Verschränkung bildet die Essenz aller Quantencomputer. Wir waren deshalb gut vorbereitet, um auf den Zug aufzuspringen und machten einige der ersten Versuche."
1995, ein Jahr nachdem Peter Shor seinen Algorithmus zum Codeknacken veröffentlicht hatte, baute David Wineland das erste quantenlogische Schaltelement aus gefangenen Ionen und legte damit den Grundstein für ein boomendes Forschungsgebiet. Heute werden alle paar Wochen neue Ergebnisse veröffentlicht: Trippelschritte auf dem Weg in eine neue Ära.
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 2: Kopf und Zahl.
Klassische Computer rechnen mit Bits, die entweder den Wert 0 oder den Wert 1 annehmen können – repräsentiert durch die Zustände Strom oder kein Strom auf einem Mikrochip. Quantencomputer dagegen rechnen mit Quantenbits. Diese Qubits können die Werte 0 und 1 gleichzeitig annehmen.
Zur Veranschaulichung ist eine Münze hilfreich: Kopf bedeutet 0, Zahl eine 1. Während die Münze beim klassischen Computer während einer Berechnung immer wieder auf der Tischoberfläche umgedreht wird, fliegt sie bei einer Quanten-Kalkulation quasi durch die Luft. Im Flug repräsentiert das rotierende Geldstück zeitgleich die beiden Werte Kopf oder Zahl, Null oder Eins. Erst der Aufprall am Boden zerstört diesen Mischzustand und nagelt die Münze wieder auf Kopf oder Zahl fest. Dieser Vorgang entspricht dem Auslesen eines Qubits.
Als Qubits kommen verschiedene elementare Bausteine der Materie in Frage. Polarisierte Lichtteilchen zum Beispiel, Elektronen, Atomkerne oder eingesperrte Ionen. All diese Ansätze werden in Labors rund um den Globus erprobt. Über simple Vorläufer eines Abakus kam noch keiner hinaus. Die begehrten Sowohl-als-auch-Zustände sind fragil und rinnen den Forschern wie Sand durch die Finger. Am weitesten fortgeschritten sind die Versuche mit gefangenen Ionen, also geladenen Atomen in der Falle. Didi Leibfried:
"If you look in here you can actually see one of the sideviews."
Didi Leibfried zeigt durch eines der Bullaugen auf ein Metallplättchen in dem silbernen Stahltank. Eine Haaresbreite über seinen goldenen Leiterbahnen schweben die Magnesium-Ionen, die die US-Forscher als Qubits verwenden. Die Ionen haben zwei stabile Energieniveaus, die sich mit einem Laserpuls anregen lassen. Während der Experimente befinden sie sich gleichzeitig ein bisschen in beiden davon - genau wie die rotierende Münze im Flug. Leibfried:
"Über die vielen Drähte, die Sie da sehen, steuern wir die filigranen Elektroden auf dem Chip, die die Ionen in der Schwebe halten. Die Verkabelung ist eine Sisyphusarbeit - vor allem, wenn Sie statt acht oder zehn Ionen einmal 50 oder 100 kontrollieren wollen. Deshalb haben unsere neuesten Chipfallen schon einen Teil der Elektronik integriert. Sie werden einfach in einen verdrahteten Sockel gesteckt – etwa so wie ein Pentium-Prozessor auf die Platine in ihrem PC. Das Fernziel wäre, dass man künftig nur noch ein Stromkabel braucht und ein paar Drähte, die einem das Ergebnis der Rechnung übermitteln."
Das Herzstück eines künftigen Quantenrechners ist ein Ensemble von Qubits. Im Prinzip gilt dabei: Je mehr Qubits desto besser. Ihr Zusammenspiel erlaubt in der Theorie nämlich ultraschnelle Berechnungen. Während ein PC mit zehn Bits jeweils nur eine von 1024 Zahlen verarbeiten kann, könnte ein Quantenrechner mit zehn Qubits all diese 1024 Werte gleichzeitig verarbeiten. Ein Ensemble von 250 Qubits könnte bereits mehr Zahlen gleichzeitig speichern, als es Atome im Universum gibt.
Der Vorteil liegt auf der Hand. Während ein klassischer Computer, um beispielsweise die kürzeste Route für einen Handelsreisenden zu finden, alle möglichen Optionen nacheinander durchspielen muss, um die beste zu finden, könnte ein Quantenprozessor den virtuellen Geschäftsmann in einem Aufwasch auf alle Routen gleichzeitig schicken. Das spart Rechenzeit. Um einen heutigen Pentium-Prozessor zu schlagen, wären je nach Aufgabenstellung wohl mindestens einige hundert Qubits nötig. Mit gefangenen Ionen wird das kaum zu schaffen sein. Leibfried:
"Das Sperrige in diesem Labor sind die Laser und die zugehörigen Optiken. Je mehr Ionen wir kontrollieren wollen, um so mehr davon brauchen wir. Der Übergang von zehn auf sagen wir 100 Ionen ist so nicht zu schaffen. Wir müssen also einen Weg finden, um diesen Aufwand zu verringern. Aber das hier ist nur ein Prototyp. Wir wollen zeigen, dass das Ganze im Prinzip funktioniert. Den Aufbau verkleinern, das wäre der nächste Schritt."
Im Dezember 2005 vermeldeten die Ionen-Dompteure aus Boulder, sie hätten erstmals sechs Qubits zu einem Quantenregister verschaltet - und damit eine zentrale Komponente eines Quantenrechners realisiert. Die konkurrierende Gruppe um Professor Rainer Blatt an der Universität Innsbruck hatte zeitgleich erstmals acht Ionenqubits gekoppelt und damit das erste Quantenbyte realisiert. Von kommerziellen Anwendungen ist man hier wie dort noch meilenweit entfernt.
Ganz anders im kanadischen Burnaby – zumindest wenn man den Ankündigungen glauben schenken darf. Das kleine Start-Up-Unternehmen D-Wave in einem Vorort von Vancouver will die ersten Quantenprozessoren auf den Markt bringen. "Was wir hier entwickeln, hat das Potenzial, die bedeutendste Erfindung unserer Generation zu sein", erklärt D-Wave-Gründer und Technologie-Chef Dr. Geordie Rose in einem Skype-Interview.
"Das Ausnutzen von Quanteneffekten wird ähnlich fundamentale Auswirkungen haben, wie die Erfindung der Elektrizität, des Feuers, des Ackerbaus oder des Buchdrucks. Die Folgen für die menschliche Zivilisation werden weitreichend sein."
Im Februar 2007 präsentierten die kanadischen Tüftler im Silicon Valley den weltweit ersten Quantenprozessor mit 16 Qubits. Im November 2007, auf der Supercomputer-Konferenz in Reno, schraubte D-Wave den eigenen Rekord auf 28 Qubits. Statt tiefgekühlter Ionen verwenden die Kanadier einen völlig anderen Ansatz. Das Herzstück ihres Quantenrechners ist ein fingernagelgroßer Chip mit schachbrettartig angeordneten Stromschleifen darauf. Knapp über dem absoluten Nullpunkt verlieren die Metallschleifen ihren elektrischen Widerstand: Sie werden supraleitend. Weil der Strom darin sowohl im Uhrzeigersinn als auch entgegen gesetzt fließen kann, lässt sich ein Mischzustand einstellen, bei dem er ein bisschen in beide Richtungen fließt - die Quantenmechanik macht’s möglich. Rose:
"Supraleitende Qubits sind die einzige Methode, um quantenmechanische Informationseinheiten zu bauen, die vergleichsweise groß sind. Unsere Qubits sind makroskopische Drahtschleifen. Weil sie supraleitend sind, gehorchen sie – trotz ihrer Größe - den Gesetzen der Quantenwelt. Wir müssen also keine winzigen atomaren Objekte manipulieren, um Quanteneffekte auszunutzen, sondern wir können relativ große Strukturen verwenden, die sich mit den Tricks der Halbleiterindustrie millionenfach herstellen lassen."
Einen Prozessor mit 1024 Qubits will D-Wave zum Laufen bringen. Sofern die Entwickler halten, was sie Risikokapitalgebern und künftigen Kunden versprechen, wäre das ein Quantensprung im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz ohne raumfüllende Laseroptiken derart viele Qubits zu koppeln - das wäre ein unglaublicher Fortschritt in unheimlich kurzer Zeit, der alle anderen Experten alt aussehen ließe. Doch die bleiben skeptisch. Nicht zuletzt, weil sich die Kanadier bezüglich Details ihrer revolutionären Technologie bedeckt halten. Wissenschaftliche Publikationen? Fehlanzeige. Geordie Rose:
"Unser Ziel ist es, Quantencomputer zu bauen, und nicht andere Leute davon zu überzeugen, dass uns das gelungen ist. Unsere Mission unterscheidet sich deshalb deutlich von der anderer Forscher. Die bekommen fast immer öffentliche Gelder und müssen so viel wie möglich publizieren, um dann wieder neue Fördermittel zu erhalten. Wir dagegen haben Sponsoren, die gar nicht wollen, dass wir etwas veröffentlichen."
Das macht es schwer einzuschätzen, wie ernst die Ankündigungen aus Burnaby zu nehmen sind, sagt der Quantencomputer-Experte Dr. David Weiss von der Penn State University - und bringt damit die Kritik vieler Kollegen auf den Punkt.
"Without some peer reviewed work it’s really hard to judge the validity of the various claims."
Wenn an den Behauptungen tatsächlich etwas dran sein sollte, sagt David Weiss, dann wäre das allerdings in der Tat ein Knüller.
"Wenn die es wirklich schaffen, einen funktionierenden Quanten-Prozessor mit 100 Qubits zu bauen, dann hätten sie alle anderen Experten deklassiert."
Den Beweis, dass ihr Quantenprozessor seinen Namen verdient, sind die Kanadier noch schuldig geblieben. Bei den bisherigen Vorführungen im Silicon Valley und anderswo haben die Wunderchips das Labor in Vancouver nie verlassen. Der Zugriff auf ihre supraleitenden Schaltkreise erfolgte über ein Internetportal aus der Ferne. Ein Szenario, dem D-Wave auch bei der künftigen Vermarktung seiner Quanten-Prozessoren Priorität einräumt. Die Benutzer, also etwa ein Unternehmen oder Forschungsinstitut würde sein Problem über eine spezielle Software nach Kanada schicken, dort würde es gelöst und die Ergebnisse per Internet an den Kunden übermittelt.
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 3: Qubits gerührt und geschüttelt.
Die Qubits auf dem D-Wave-Chip sind supraleitende Stromschleifen. Da die Ringströme in den Leiterschleifen winzige Magnetfelder erzeugen, spüren sich die Qubits gegenseitig. Genau so, wie sich magnetische Kompassnadeln, die man auf den Nägeln eines Fakirbrettes verteilt, gegenseitig beeinflussen. Die Stärke der Kopplung können die Kanadier regulieren. Für eine Rechnung wird das Qubit-Ensemble in einen genau definierten Anfangszustand versetzt und dann sich selbst überlassen. Die Gesetze der Thermodynamik führen dazu, dass sich die Magnetnadeln in einem Zustand minimaler Energie einpendeln – typischerweise innerhalb weniger Sekunden. Die Orientierung der Nadeln verrät dann die Lösung des Problems. Komplexe Optimierungsaufgaben und Datenbanksuchen sollen sich so deutlich schneller durchführen lassen.
Der supraleitende Quantenprozessor von D-Wave ist dafür ausgelegt, quantenmechanische Systeme zu simulieren. Eine Aufgabe, für die sich Nanotechnologen und Biologen gleichermaßen interessieren. Die Eigenschaften komplexer Eiweißmoleküle zum Beispiel lassen sich heute nur näherungsweise berechnen. Die zugehörige Gleichung exakt zu lösen, ist für klassische Computer zu rechenintensiv. Mit verschränkten Qubits – prophezeien Theoretiker - ließe sich der Aufwand dramatisch reduzieren.
Bis es soweit ist, müssen die kanadischen Tüftler aber noch allerhand Probleme in den Griff bekommen: Die Fertigungsmethoden verfeinern, das Rauschen in den Zuleitungen unterdrücken und magnetische Störfelder auf dem Chip eliminieren. Um zügig voran zu kommen, will D-Wave künftig vermehrt externe Experten einbinden - und endlich Fachartikel publizieren.
"Es ist einerseits sicher eine Konkurrenz, die weltweit stattfindet. Nicht nur zwischen Gruppen, die auf demselben Gebiet arbeiten, sondern auch zwischen vielleicht sonst nicht so direkt verwandten Feldern. Aber ich würde schon sagen: Es ist im Interesse von allen, dass das irgendwo gelingt und dass man Fortschritte macht. Ich persönlich wünsche allen Glück, die das versuchen."
Professor Dominik Zumbühl von der Universität Basel ist Experte für Spin-Qubits: Mikroskopische Halbleiterpünktchen, in denen einzelne Elektronen gefangen sind, wie Erbsen in einer Salatschüssel. Da der Eigendrall der eingesperrten Elektronen – ihr Spin - in einem Magnetfeld nach oben oder unten zeigt, taugen sie als Quantenbit. Zumbühl:
"Spins in Quantendots – das sind Nanostrukturen, die mit Fabrikationsmethoden hergestellt werden, sehr vergleichbar mit den Methoden der Halbleitertechnik und –industrie. Von daher denkt man eigentlich, dass es möglich sein sollte, solch ein System zu skalieren. Das heißt nicht nur ein, zwei, sondern in der Zukunft vielleicht auch 20, 50 oder 100 solche Quantenbits realisieren zu können."
Und damit eine kritische Masse, die mit im Vakuum schwebenden Ionen wohl schwer zu schaffen sein wird. Weshalb es gut sein könnte, dass die eingesperrten Elektronen den Ionenfallen langfristig den Rang ablaufen. Aber noch stecke man in den Kinderschuhen, räumt Dominik Zumbühl ein. Ionen-Dompteure wie David Wineland in Boulder haben die Nase vorn.
"Ich vergleiche die Situation gerne mit einem Marathonlauf. Momentan liegen wir vorn - aber wir sind eben erst gestartet und der Weg ist noch lang. Vermutlich wird uns über kurz oder lang jemand einholen und hinter sich lassen. Aber noch ist völlig offen, wer am Ende das Rennen machen wird. Wir bemühen uns jedenfalls unseren Vorsprung zu halten."
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 4: Verschränkte Qubits in der Falle.
Bei den Ionenfallen besteht das Qubit-Ensemble aus perlenförmig aufgereihten Ionen, die sich wegen ihrer elektrischen Ladung gegenseitig beeinflussen. Kitzelt man eines mit dem Laser, versetzt es den Rest der Kette in Schwingung. Der Informationsübertrag von Qubit zu Qubit bewirkt eine Kopplung. Diese so genannte Verschränkung lässt die einzelnen Qubits sekundenlang zu einem einzigen Quantensystem verschmelzen. Um damit zu rechnen, wird die Ionenkette mit einer komplizierten Abfolge von Laserpulsen traktiert, deren Sequenz charakteristisch für die logischen Operationen ist, die ausgeführt werden sollen. Am Schluss unterbricht ein Lichtblitz die quantenmechanische Schwebung, eine Kamera liest das Ergebnis ab.
Um das Münz-Bild wieder aufzugreifen: Es wäre in etwa so, als würde man eine Handvoll Münzen mit genau definiertem Schwung in die Luft werfen und dann einige davon mit Laserstrahlen beschießen, um ihre Flugbahn zu verändern und sie mit anderen rotierenden Geldstücken kollidieren zu lassen. Nach dem Aufprall auf dem Boden liefert die Verteilung von Kopf und Zahl die Antwort.
Möglichst viele Qubits zu koppeln, war lange oberstes Ziel der Forschung. Doch die Ionen-Dompteure haben ihre Prioritäten geändert. 10 Ionen und mehr sind heute schon drin. Statt diese Zahl weiter nach oben zu schrauben, verfeinern die Forscher die lasergesteuerten Schaltvorgänge. Wie zuverlässig die funktionieren, ist nämlich der Schlüssel zum Heiligen Gral des Quantenkalküls: Der Fehlerkorrektur, erklärt David Wineland.
"Wie bei klassischen Computern auch brauchen wir Methoden, um Fehler zu korrigieren, die sich im Lauf einer Kalkulation einschleichen. Die Theoretiker sagen uns: Wenn Ihr es schafft, die Güte Eurer logischen Operationen auf mindestens 99,99 Prozent zu steigern, dann könnt Ihr dank Fehlerkorrektur beliebig lange Befehlsketten abarbeiten, ohne Gefahr zu laufen, dass die gespeicherte Quanteninformation auf der Strecke bleibt. 99,99 Prozent Genauigkeit: Das bedeutet, maximal einer von 10 000 Schaltvorgängen darf daneben gehen. Momentan gehen drei von 100 schief. Das weiter zu verbessern, wird dauern."
Laser stabilisieren, Magnetfelder abschirmen und Temperaturschwankungen eliminieren lautet die Devise. Ende April 2008 publizierten die Innsbrucker Wissenschaftler um Rainer Blatt eine neue Bestmarke: Einen elementaren Quantenlogikbaustein mit einer Güte von 99,3 Prozent. 21 logische Operationen am Stück konnten die Österreicher damit ausführen, bevor ihnen der empfindliche Überlagerungszustand ihres Qubit-Duos zwischen den Fingern zerrann. Ein weiterer Trippelschritt auf dem Weg zum ionenbasierten Quantenprozessor. Leibfried:
"So I think finally, maybe you want to have a look at our most ambitious trap so far. And that only exists as a prototype so far."
Wie solch ein Quantenprozessor aufgebaut sein könnte, darüber hat man sich in Innsbruck wie Boulder natürlich längst Gedanken gemacht. Am US-Institut für Standards und Technologie setzt man auf eine Art Pferderennbahn im Chipformat. Statt Vierbeinern sollen tiefgekühlte Qubits auf die Bahn geschickt und von komplizierten Elektrodenstrukturen in der Spur gehalten werden, erklärt Didi Leibfried.
"Man hat eine Art Förderband, mit dem man Ionen zwischen verschiedenen Zonen hin und her schieben kann. In einer werden sie mit Laserstrahlen präpariert, in einer anderen kommen sie mit anderen Qubits in Kontakt, um ein logisches Schaltelement zu bilden, in einer dritten Zone wird ihre Information ausgelesen."
Der nächste logische Schritt wäre dann, verschiedene Regionen auf dem Chip mit einer Art optischen Telefonleitung zu koppeln. Damit ließe sich die Information eines Qubits an eine andere Stelle auf dem Chip übertragen – etwa vom Speicher in den Prozessor - ohne das Ion bewegen zu müssen. Ein Vorgang, der dem Beamen bei Raumschiff Enterprise ähnelt. Auch diese Science-Fiction-Technologie wurde in Boulder, Innsbruck und anderswo bereits erprobt.
All die laseroptischen Husarenstücke auf einem Chip zu vereinen, wird aber sicher noch viele Jahre dauern. Geordie Rose, der Gründer der kanadischen Firma D-Wave, kann und will nicht so lange warten. Mit den 1024 Qubit-Prozessoren, die man derzeit entwickle, werde man demonstrieren, sagt Rose, dass Quantencomputer bei der Lösung bestimmter rechenintensiver Probleme unschlagbar sind.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Handlungsreisende, der die kürzeste Route für den Besuch einer vorgegebenen Zahl von Städten wissen will. Das Problem dabei: Je mehr Städte man hinzufügt, desto komplizierter wird die Berechnung des optimalen Weges. Bei einem klassischen Computer explodiert die Zahl der nötigen Rechenschritte förmlich: Sie wächst exponentiell. Rose:
"Wenn wir zeigen können, dass die nötigen Rechenschritte bei unserem Quantenprozessor viel langsamer zunehmen, dann können wir eine klare Grenze definieren und sagen: Wenn wir eine Maschine mit X Qubits bauen, dann wird sie allen anderen überlegen sein. Selbst wenn sie alle Prozessoren, die jemals hergestellt wurden, zusammen schalten und die cleversten Algorithmen verwenden – sie könnten dieser Rechenmaschine nie das Wasser reichen.
Wo diese Grenze liegt? Ich weiß es nicht. Vermutlich bei etwa 10 000 jener supraleitenden Qubits, die wir verwenden. In zwei bis drei Jahren sollte es möglich sein, so viele auf einem Chip unterzubringen. Dann hätten wir einen Quantenprozessor, der Probleme lösen kann, die den teuersten klassischen Computer überfordern."
Als es IBM-Forschern 2001 gelang, Peter Shors Algorithmus auf einem simplen Quantencomputer mit sieben Qubits zu implementieren und damit die Zahl 15 in ihre Primfaktoren 3 und 5 zu zerlegen, war das eine Sensation. Um mit Shors Quantencode Verschlüsselungen zu knacken, bei denen heutige Supercomputer die Waffen strecken, bräuchte man allerdings zehntausende verschränkter Qubits. Einen Sack Flöhe zu hüten, ist dagegen ein Picknick. Doch die Fortschritte der vergangenen Jahre belegen: Prinzipielle Hindernisse für den Bau eines Quantencomputers scheint es nicht zu geben.
David Wineland, der nobelpreisverdächtige Physiker aus Boulder, glaubt: Der Einsatz lohnt sich - auch wenn der erste Quantenrechner, der diesen Namen verdient, vielleicht nie als Code-Knacker eingesetzt wird.
"Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass wir derzeit nur ahnen können, wofür ein Quantencomputer am Ende gut wäre. Wir kennen derzeit nur ein paar Killer-Anwendungen wie die Faktorisierung großer Zahlen. Aber in der Wissenschaft ist es doch immer so: Wenn es eine neue Technologie gibt, finden sich immer auch neue Anwendungen dafür, an die keiner gedacht hatte. Bei Quantencomputern wird es sicher genauso sein."
"So everything started in the smaller lab. And that’s where we still have this trap."
Der Physiker Dr. Didi Leibfried ist um die 40 und arbeitet schon seit vielen Jahren hier. Studiert hat er in München, aber weil ihm die deutschen Fachwörter oft gar nicht mehr einfallen, spricht er lieber englisch. Didi Leibfried ist Experte für Laser und kalte Atome. In einem riesigen Labor betreibt er Grundlagenforschung für den Bau eines neuartigen Supercomputers.
"Hey John. This is Ralf. He’s a radio journalist from Germany."
"Hi, nice to meet you."
"And he wanted to get some typical lab sounds. So you can hear it’s mostly fans and air-conditioning. The real beauty of these labs are actually our laser beams that you unfortunately can’t see in the radio."
Der Anblick ist atemberaubend. In dem abgedunkelten Raum steht ein riesiger Tisch vom Format eine Squash-Courts, darauf ein Gewirr aus Linsen und Spiegeln. Lüfter kühlen mächtige Laser, die rote, hell- und dunkelgrüne Strahlen im Zickzack über die Platte schießen.
"So, in this lab we work with aluminium ions, magnesium ions and also beryllium ions. And you need lasers for each of that species."
Zwei Jahre hat der Aufbau der Laser und Präzisionsoptiken gedauert. Die Forscher verwenden sie, um einzelne Ionen – das sind elektrisch geladene Atome – einzufangen, tiefzukühlen und zu manipulieren. Stellt man das clever genug an, so die Hoffnung, ließen sich die festgesetzten Ionen verwenden, um einen Computer zu bauen, der sich die bizarren Gesetze der Quantenwelt zunutze macht. Ein solcher Quantencomputer könnte ganz viele Rechenschritte gleichzeitig erledigen und würde konventionelle Rechner dadurch ziemlich alt aussehen lassen. Didi Leibfrieds Kollege John zeigt auf einen Monitor am vorderen Rand des Laser-Spektakels.
"Der helle Punkt dort ist ein Ion, das sich gerade in unserer Falle befindet. Um es sichtbar zu machen, strahlen wir mit einem Laser darauf. Dadurch beginnt es hell zu leuchten. Es ist, als ob Sie einen Leuchtturm aus großer Ferne betrachten. Seine Struktur können Sie nicht erkennen, aber das Licht, das er aussendet, ist deutlich zu sehen."
Das gefangene Ion befindet sich im Zentrum eines luftleeren Stahlzylinders. Winzige Elektroden halten es in Position, Laserstrahlen, die durch Bullaugen ins Innere des Vakuumtanks gelangen, können es anschubsen und zum Leuchten anregen. Wirklich spannend wird es aber erst, wenn mehrere Ionen in der Falle stecken und sich gegenseitig beeinflussen. Bei einem ihrer Experimente haben die US-Forscher auf diese Weise sechs Ionen zu einem simplen Speichermodul verschaltet. Weil sich die Ionen elektrisch abstoßen, schweben die Leuchtpunkte in gleichmäßigem Abstand voneinander, aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Leibfried:
"Wenn die Laser warmgelaufen sind, dauert es nur fünf Minuten, um sechs oder auch mehr Ionen in die Falle zu laden. Für eine logische Operation kitzeln wir sie dann selektiv mit Laserstrahlen. Leider funktioniert das nicht wie bei normaler Elektronik. Da wissen Sie genau: Wenn ich an diesen Schaltkreis fünf Volt anlege, spuckt er automatisch das richtige Ergebnis aus. Wir dagegen müssen jeden Rechenschritt stundenlang optimieren. An einem guten Tag funktioniert alles und wir erzielen wirklich Ergebnisse. Das Aufnehmen der Daten dauert dann wieder einige Stunden. Verglichen mit den Anstrengungen, das Ganze überhaupt zum Laufen zu bringen, fallen die aber kaum ins Gewicht."
Für eine klitzekleine Berechnung, die jeder PC-Prozessor in Sekundenbruchteilen erledigt, braucht es manchmal ein Jahr Vorbereitung. Klingt für Laien irrwitzig ineffizient. Für Forscher wie Didi Leibfried ist es Alltag.
"Alles was wir hier tun, ist an der Grenze des Machbaren. Es ist wie beim Sport. Sie haben einen Rekord aufgestellt und wissen: Ich will mich weiter steigern. Also trainieren Sie ein bisschen härter, um nächstes Jahr noch einen Tick besser zu sein. Nur so können Sie erneut die 100 anderen Athleten abhängen, die ihnen auf den Fersen sind."
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 1: Wie alles begann
1994 präsentiert der US-Mathematiker Peter Shor ein Verfahren, um Zahlen schneller zu zerlegen als je zuvor. Für Banken und Geheimdienste war das ein Schock. Gängige Verschlüsselungsverfahren basieren darauf, dass konventionelle Zahlenfresser Jahre brauchen, um große Zahlen in ihre Primfaktoren zu zerlegen. 15 hat man schnell in 3 mal 5 zerlegt. Ist der geheime Schlüssel eines Codes dagegen lang genug, ist die Chance, ihn zu knacken, praktisch gleich Null. Doch in Peter Shors Quantenwelt gelten andere Regeln. Um eine Zahl mit 130 Stellen zu zerlegen, bräuchte ein hochparallel arbeitender Quantencomputer demnach 10 Millionen mal weniger Rechenschritte als ein heutiger Supercomputer. Bei einer 600-stelligen Vorgabe, wäre der Quantenrechner 100 Milliarden Milliarden mal schneller fertig.
Die Kryptographen bekamen noch eine Atempause, denn der Bau solch eines Quantenrechners ist bislang keinem gelungen. Die technischen Herausforderungen sind so enorm, dass die Realisierung des Quantenkalküls lange als Hirngespinst galt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Die meisten Experten glauben: Es ist nur eine Frage der Zeit.
"Es wird noch mindestens zehn Jahre dauern, bis Quantencomputer genauso leistungsfähig sind wie klassische Computer. Vielleicht aber nicht viel länger. Ich bin optimistisch, dass es innerhalb von zehn bis 20 Jahren gelingen könnte. Zum Glück bin ich dann in Rente und muss dieses Versprechen nicht mehr einlösen."
Dr. David Wineland ist der Chef von Didi Leibfried und Leiter der Ionenspeichergruppe am NIST in Boulder. In seinem Büro lehnt ein Rennrad an der Wand, mit dem er nach Feierabend in die Rockies fährt. Wineland ist Mitte 50 und gilt als heißer Kandidat für den Physiknobelpreis. Seine Expertise für Atomuhren und gefangene Ionen habe ihn eher zufällig zu einem der Pioniere des Quantenrechnens gemacht, sagt er.
"Als das Feld vor gut zehn Jahren populär wurde, überlegten wir gerade, uns bei unseren Experimenten mit Atomuhren das quantenmechanische Prinzip der Verschränkung zunutze zu machen. Es besagt, dass atomare Objekte regelrecht miteinander verschmelzen und im Nu Informationen austauschen können. Diese Verschränkung bildet die Essenz aller Quantencomputer. Wir waren deshalb gut vorbereitet, um auf den Zug aufzuspringen und machten einige der ersten Versuche."
1995, ein Jahr nachdem Peter Shor seinen Algorithmus zum Codeknacken veröffentlicht hatte, baute David Wineland das erste quantenlogische Schaltelement aus gefangenen Ionen und legte damit den Grundstein für ein boomendes Forschungsgebiet. Heute werden alle paar Wochen neue Ergebnisse veröffentlicht: Trippelschritte auf dem Weg in eine neue Ära.
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 2: Kopf und Zahl.
Klassische Computer rechnen mit Bits, die entweder den Wert 0 oder den Wert 1 annehmen können – repräsentiert durch die Zustände Strom oder kein Strom auf einem Mikrochip. Quantencomputer dagegen rechnen mit Quantenbits. Diese Qubits können die Werte 0 und 1 gleichzeitig annehmen.
Zur Veranschaulichung ist eine Münze hilfreich: Kopf bedeutet 0, Zahl eine 1. Während die Münze beim klassischen Computer während einer Berechnung immer wieder auf der Tischoberfläche umgedreht wird, fliegt sie bei einer Quanten-Kalkulation quasi durch die Luft. Im Flug repräsentiert das rotierende Geldstück zeitgleich die beiden Werte Kopf oder Zahl, Null oder Eins. Erst der Aufprall am Boden zerstört diesen Mischzustand und nagelt die Münze wieder auf Kopf oder Zahl fest. Dieser Vorgang entspricht dem Auslesen eines Qubits.
Als Qubits kommen verschiedene elementare Bausteine der Materie in Frage. Polarisierte Lichtteilchen zum Beispiel, Elektronen, Atomkerne oder eingesperrte Ionen. All diese Ansätze werden in Labors rund um den Globus erprobt. Über simple Vorläufer eines Abakus kam noch keiner hinaus. Die begehrten Sowohl-als-auch-Zustände sind fragil und rinnen den Forschern wie Sand durch die Finger. Am weitesten fortgeschritten sind die Versuche mit gefangenen Ionen, also geladenen Atomen in der Falle. Didi Leibfried:
"If you look in here you can actually see one of the sideviews."
Didi Leibfried zeigt durch eines der Bullaugen auf ein Metallplättchen in dem silbernen Stahltank. Eine Haaresbreite über seinen goldenen Leiterbahnen schweben die Magnesium-Ionen, die die US-Forscher als Qubits verwenden. Die Ionen haben zwei stabile Energieniveaus, die sich mit einem Laserpuls anregen lassen. Während der Experimente befinden sie sich gleichzeitig ein bisschen in beiden davon - genau wie die rotierende Münze im Flug. Leibfried:
"Über die vielen Drähte, die Sie da sehen, steuern wir die filigranen Elektroden auf dem Chip, die die Ionen in der Schwebe halten. Die Verkabelung ist eine Sisyphusarbeit - vor allem, wenn Sie statt acht oder zehn Ionen einmal 50 oder 100 kontrollieren wollen. Deshalb haben unsere neuesten Chipfallen schon einen Teil der Elektronik integriert. Sie werden einfach in einen verdrahteten Sockel gesteckt – etwa so wie ein Pentium-Prozessor auf die Platine in ihrem PC. Das Fernziel wäre, dass man künftig nur noch ein Stromkabel braucht und ein paar Drähte, die einem das Ergebnis der Rechnung übermitteln."
Das Herzstück eines künftigen Quantenrechners ist ein Ensemble von Qubits. Im Prinzip gilt dabei: Je mehr Qubits desto besser. Ihr Zusammenspiel erlaubt in der Theorie nämlich ultraschnelle Berechnungen. Während ein PC mit zehn Bits jeweils nur eine von 1024 Zahlen verarbeiten kann, könnte ein Quantenrechner mit zehn Qubits all diese 1024 Werte gleichzeitig verarbeiten. Ein Ensemble von 250 Qubits könnte bereits mehr Zahlen gleichzeitig speichern, als es Atome im Universum gibt.
Der Vorteil liegt auf der Hand. Während ein klassischer Computer, um beispielsweise die kürzeste Route für einen Handelsreisenden zu finden, alle möglichen Optionen nacheinander durchspielen muss, um die beste zu finden, könnte ein Quantenprozessor den virtuellen Geschäftsmann in einem Aufwasch auf alle Routen gleichzeitig schicken. Das spart Rechenzeit. Um einen heutigen Pentium-Prozessor zu schlagen, wären je nach Aufgabenstellung wohl mindestens einige hundert Qubits nötig. Mit gefangenen Ionen wird das kaum zu schaffen sein. Leibfried:
"Das Sperrige in diesem Labor sind die Laser und die zugehörigen Optiken. Je mehr Ionen wir kontrollieren wollen, um so mehr davon brauchen wir. Der Übergang von zehn auf sagen wir 100 Ionen ist so nicht zu schaffen. Wir müssen also einen Weg finden, um diesen Aufwand zu verringern. Aber das hier ist nur ein Prototyp. Wir wollen zeigen, dass das Ganze im Prinzip funktioniert. Den Aufbau verkleinern, das wäre der nächste Schritt."
Im Dezember 2005 vermeldeten die Ionen-Dompteure aus Boulder, sie hätten erstmals sechs Qubits zu einem Quantenregister verschaltet - und damit eine zentrale Komponente eines Quantenrechners realisiert. Die konkurrierende Gruppe um Professor Rainer Blatt an der Universität Innsbruck hatte zeitgleich erstmals acht Ionenqubits gekoppelt und damit das erste Quantenbyte realisiert. Von kommerziellen Anwendungen ist man hier wie dort noch meilenweit entfernt.
Ganz anders im kanadischen Burnaby – zumindest wenn man den Ankündigungen glauben schenken darf. Das kleine Start-Up-Unternehmen D-Wave in einem Vorort von Vancouver will die ersten Quantenprozessoren auf den Markt bringen. "Was wir hier entwickeln, hat das Potenzial, die bedeutendste Erfindung unserer Generation zu sein", erklärt D-Wave-Gründer und Technologie-Chef Dr. Geordie Rose in einem Skype-Interview.
"Das Ausnutzen von Quanteneffekten wird ähnlich fundamentale Auswirkungen haben, wie die Erfindung der Elektrizität, des Feuers, des Ackerbaus oder des Buchdrucks. Die Folgen für die menschliche Zivilisation werden weitreichend sein."
Im Februar 2007 präsentierten die kanadischen Tüftler im Silicon Valley den weltweit ersten Quantenprozessor mit 16 Qubits. Im November 2007, auf der Supercomputer-Konferenz in Reno, schraubte D-Wave den eigenen Rekord auf 28 Qubits. Statt tiefgekühlter Ionen verwenden die Kanadier einen völlig anderen Ansatz. Das Herzstück ihres Quantenrechners ist ein fingernagelgroßer Chip mit schachbrettartig angeordneten Stromschleifen darauf. Knapp über dem absoluten Nullpunkt verlieren die Metallschleifen ihren elektrischen Widerstand: Sie werden supraleitend. Weil der Strom darin sowohl im Uhrzeigersinn als auch entgegen gesetzt fließen kann, lässt sich ein Mischzustand einstellen, bei dem er ein bisschen in beide Richtungen fließt - die Quantenmechanik macht’s möglich. Rose:
"Supraleitende Qubits sind die einzige Methode, um quantenmechanische Informationseinheiten zu bauen, die vergleichsweise groß sind. Unsere Qubits sind makroskopische Drahtschleifen. Weil sie supraleitend sind, gehorchen sie – trotz ihrer Größe - den Gesetzen der Quantenwelt. Wir müssen also keine winzigen atomaren Objekte manipulieren, um Quanteneffekte auszunutzen, sondern wir können relativ große Strukturen verwenden, die sich mit den Tricks der Halbleiterindustrie millionenfach herstellen lassen."
Einen Prozessor mit 1024 Qubits will D-Wave zum Laufen bringen. Sofern die Entwickler halten, was sie Risikokapitalgebern und künftigen Kunden versprechen, wäre das ein Quantensprung im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz ohne raumfüllende Laseroptiken derart viele Qubits zu koppeln - das wäre ein unglaublicher Fortschritt in unheimlich kurzer Zeit, der alle anderen Experten alt aussehen ließe. Doch die bleiben skeptisch. Nicht zuletzt, weil sich die Kanadier bezüglich Details ihrer revolutionären Technologie bedeckt halten. Wissenschaftliche Publikationen? Fehlanzeige. Geordie Rose:
"Unser Ziel ist es, Quantencomputer zu bauen, und nicht andere Leute davon zu überzeugen, dass uns das gelungen ist. Unsere Mission unterscheidet sich deshalb deutlich von der anderer Forscher. Die bekommen fast immer öffentliche Gelder und müssen so viel wie möglich publizieren, um dann wieder neue Fördermittel zu erhalten. Wir dagegen haben Sponsoren, die gar nicht wollen, dass wir etwas veröffentlichen."
Das macht es schwer einzuschätzen, wie ernst die Ankündigungen aus Burnaby zu nehmen sind, sagt der Quantencomputer-Experte Dr. David Weiss von der Penn State University - und bringt damit die Kritik vieler Kollegen auf den Punkt.
"Without some peer reviewed work it’s really hard to judge the validity of the various claims."
Wenn an den Behauptungen tatsächlich etwas dran sein sollte, sagt David Weiss, dann wäre das allerdings in der Tat ein Knüller.
"Wenn die es wirklich schaffen, einen funktionierenden Quanten-Prozessor mit 100 Qubits zu bauen, dann hätten sie alle anderen Experten deklassiert."
Den Beweis, dass ihr Quantenprozessor seinen Namen verdient, sind die Kanadier noch schuldig geblieben. Bei den bisherigen Vorführungen im Silicon Valley und anderswo haben die Wunderchips das Labor in Vancouver nie verlassen. Der Zugriff auf ihre supraleitenden Schaltkreise erfolgte über ein Internetportal aus der Ferne. Ein Szenario, dem D-Wave auch bei der künftigen Vermarktung seiner Quanten-Prozessoren Priorität einräumt. Die Benutzer, also etwa ein Unternehmen oder Forschungsinstitut würde sein Problem über eine spezielle Software nach Kanada schicken, dort würde es gelöst und die Ergebnisse per Internet an den Kunden übermittelt.
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 3: Qubits gerührt und geschüttelt.
Die Qubits auf dem D-Wave-Chip sind supraleitende Stromschleifen. Da die Ringströme in den Leiterschleifen winzige Magnetfelder erzeugen, spüren sich die Qubits gegenseitig. Genau so, wie sich magnetische Kompassnadeln, die man auf den Nägeln eines Fakirbrettes verteilt, gegenseitig beeinflussen. Die Stärke der Kopplung können die Kanadier regulieren. Für eine Rechnung wird das Qubit-Ensemble in einen genau definierten Anfangszustand versetzt und dann sich selbst überlassen. Die Gesetze der Thermodynamik führen dazu, dass sich die Magnetnadeln in einem Zustand minimaler Energie einpendeln – typischerweise innerhalb weniger Sekunden. Die Orientierung der Nadeln verrät dann die Lösung des Problems. Komplexe Optimierungsaufgaben und Datenbanksuchen sollen sich so deutlich schneller durchführen lassen.
Der supraleitende Quantenprozessor von D-Wave ist dafür ausgelegt, quantenmechanische Systeme zu simulieren. Eine Aufgabe, für die sich Nanotechnologen und Biologen gleichermaßen interessieren. Die Eigenschaften komplexer Eiweißmoleküle zum Beispiel lassen sich heute nur näherungsweise berechnen. Die zugehörige Gleichung exakt zu lösen, ist für klassische Computer zu rechenintensiv. Mit verschränkten Qubits – prophezeien Theoretiker - ließe sich der Aufwand dramatisch reduzieren.
Bis es soweit ist, müssen die kanadischen Tüftler aber noch allerhand Probleme in den Griff bekommen: Die Fertigungsmethoden verfeinern, das Rauschen in den Zuleitungen unterdrücken und magnetische Störfelder auf dem Chip eliminieren. Um zügig voran zu kommen, will D-Wave künftig vermehrt externe Experten einbinden - und endlich Fachartikel publizieren.
"Es ist einerseits sicher eine Konkurrenz, die weltweit stattfindet. Nicht nur zwischen Gruppen, die auf demselben Gebiet arbeiten, sondern auch zwischen vielleicht sonst nicht so direkt verwandten Feldern. Aber ich würde schon sagen: Es ist im Interesse von allen, dass das irgendwo gelingt und dass man Fortschritte macht. Ich persönlich wünsche allen Glück, die das versuchen."
Professor Dominik Zumbühl von der Universität Basel ist Experte für Spin-Qubits: Mikroskopische Halbleiterpünktchen, in denen einzelne Elektronen gefangen sind, wie Erbsen in einer Salatschüssel. Da der Eigendrall der eingesperrten Elektronen – ihr Spin - in einem Magnetfeld nach oben oder unten zeigt, taugen sie als Quantenbit. Zumbühl:
"Spins in Quantendots – das sind Nanostrukturen, die mit Fabrikationsmethoden hergestellt werden, sehr vergleichbar mit den Methoden der Halbleitertechnik und –industrie. Von daher denkt man eigentlich, dass es möglich sein sollte, solch ein System zu skalieren. Das heißt nicht nur ein, zwei, sondern in der Zukunft vielleicht auch 20, 50 oder 100 solche Quantenbits realisieren zu können."
Und damit eine kritische Masse, die mit im Vakuum schwebenden Ionen wohl schwer zu schaffen sein wird. Weshalb es gut sein könnte, dass die eingesperrten Elektronen den Ionenfallen langfristig den Rang ablaufen. Aber noch stecke man in den Kinderschuhen, räumt Dominik Zumbühl ein. Ionen-Dompteure wie David Wineland in Boulder haben die Nase vorn.
"Ich vergleiche die Situation gerne mit einem Marathonlauf. Momentan liegen wir vorn - aber wir sind eben erst gestartet und der Weg ist noch lang. Vermutlich wird uns über kurz oder lang jemand einholen und hinter sich lassen. Aber noch ist völlig offen, wer am Ende das Rennen machen wird. Wir bemühen uns jedenfalls unseren Vorsprung zu halten."
Quantencomputer für Einsteiger - Kapitel 4: Verschränkte Qubits in der Falle.
Bei den Ionenfallen besteht das Qubit-Ensemble aus perlenförmig aufgereihten Ionen, die sich wegen ihrer elektrischen Ladung gegenseitig beeinflussen. Kitzelt man eines mit dem Laser, versetzt es den Rest der Kette in Schwingung. Der Informationsübertrag von Qubit zu Qubit bewirkt eine Kopplung. Diese so genannte Verschränkung lässt die einzelnen Qubits sekundenlang zu einem einzigen Quantensystem verschmelzen. Um damit zu rechnen, wird die Ionenkette mit einer komplizierten Abfolge von Laserpulsen traktiert, deren Sequenz charakteristisch für die logischen Operationen ist, die ausgeführt werden sollen. Am Schluss unterbricht ein Lichtblitz die quantenmechanische Schwebung, eine Kamera liest das Ergebnis ab.
Um das Münz-Bild wieder aufzugreifen: Es wäre in etwa so, als würde man eine Handvoll Münzen mit genau definiertem Schwung in die Luft werfen und dann einige davon mit Laserstrahlen beschießen, um ihre Flugbahn zu verändern und sie mit anderen rotierenden Geldstücken kollidieren zu lassen. Nach dem Aufprall auf dem Boden liefert die Verteilung von Kopf und Zahl die Antwort.
Möglichst viele Qubits zu koppeln, war lange oberstes Ziel der Forschung. Doch die Ionen-Dompteure haben ihre Prioritäten geändert. 10 Ionen und mehr sind heute schon drin. Statt diese Zahl weiter nach oben zu schrauben, verfeinern die Forscher die lasergesteuerten Schaltvorgänge. Wie zuverlässig die funktionieren, ist nämlich der Schlüssel zum Heiligen Gral des Quantenkalküls: Der Fehlerkorrektur, erklärt David Wineland.
"Wie bei klassischen Computern auch brauchen wir Methoden, um Fehler zu korrigieren, die sich im Lauf einer Kalkulation einschleichen. Die Theoretiker sagen uns: Wenn Ihr es schafft, die Güte Eurer logischen Operationen auf mindestens 99,99 Prozent zu steigern, dann könnt Ihr dank Fehlerkorrektur beliebig lange Befehlsketten abarbeiten, ohne Gefahr zu laufen, dass die gespeicherte Quanteninformation auf der Strecke bleibt. 99,99 Prozent Genauigkeit: Das bedeutet, maximal einer von 10 000 Schaltvorgängen darf daneben gehen. Momentan gehen drei von 100 schief. Das weiter zu verbessern, wird dauern."
Laser stabilisieren, Magnetfelder abschirmen und Temperaturschwankungen eliminieren lautet die Devise. Ende April 2008 publizierten die Innsbrucker Wissenschaftler um Rainer Blatt eine neue Bestmarke: Einen elementaren Quantenlogikbaustein mit einer Güte von 99,3 Prozent. 21 logische Operationen am Stück konnten die Österreicher damit ausführen, bevor ihnen der empfindliche Überlagerungszustand ihres Qubit-Duos zwischen den Fingern zerrann. Ein weiterer Trippelschritt auf dem Weg zum ionenbasierten Quantenprozessor. Leibfried:
"So I think finally, maybe you want to have a look at our most ambitious trap so far. And that only exists as a prototype so far."
Wie solch ein Quantenprozessor aufgebaut sein könnte, darüber hat man sich in Innsbruck wie Boulder natürlich längst Gedanken gemacht. Am US-Institut für Standards und Technologie setzt man auf eine Art Pferderennbahn im Chipformat. Statt Vierbeinern sollen tiefgekühlte Qubits auf die Bahn geschickt und von komplizierten Elektrodenstrukturen in der Spur gehalten werden, erklärt Didi Leibfried.
"Man hat eine Art Förderband, mit dem man Ionen zwischen verschiedenen Zonen hin und her schieben kann. In einer werden sie mit Laserstrahlen präpariert, in einer anderen kommen sie mit anderen Qubits in Kontakt, um ein logisches Schaltelement zu bilden, in einer dritten Zone wird ihre Information ausgelesen."
Der nächste logische Schritt wäre dann, verschiedene Regionen auf dem Chip mit einer Art optischen Telefonleitung zu koppeln. Damit ließe sich die Information eines Qubits an eine andere Stelle auf dem Chip übertragen – etwa vom Speicher in den Prozessor - ohne das Ion bewegen zu müssen. Ein Vorgang, der dem Beamen bei Raumschiff Enterprise ähnelt. Auch diese Science-Fiction-Technologie wurde in Boulder, Innsbruck und anderswo bereits erprobt.
All die laseroptischen Husarenstücke auf einem Chip zu vereinen, wird aber sicher noch viele Jahre dauern. Geordie Rose, der Gründer der kanadischen Firma D-Wave, kann und will nicht so lange warten. Mit den 1024 Qubit-Prozessoren, die man derzeit entwickle, werde man demonstrieren, sagt Rose, dass Quantencomputer bei der Lösung bestimmter rechenintensiver Probleme unschlagbar sind.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Handlungsreisende, der die kürzeste Route für den Besuch einer vorgegebenen Zahl von Städten wissen will. Das Problem dabei: Je mehr Städte man hinzufügt, desto komplizierter wird die Berechnung des optimalen Weges. Bei einem klassischen Computer explodiert die Zahl der nötigen Rechenschritte förmlich: Sie wächst exponentiell. Rose:
"Wenn wir zeigen können, dass die nötigen Rechenschritte bei unserem Quantenprozessor viel langsamer zunehmen, dann können wir eine klare Grenze definieren und sagen: Wenn wir eine Maschine mit X Qubits bauen, dann wird sie allen anderen überlegen sein. Selbst wenn sie alle Prozessoren, die jemals hergestellt wurden, zusammen schalten und die cleversten Algorithmen verwenden – sie könnten dieser Rechenmaschine nie das Wasser reichen.
Wo diese Grenze liegt? Ich weiß es nicht. Vermutlich bei etwa 10 000 jener supraleitenden Qubits, die wir verwenden. In zwei bis drei Jahren sollte es möglich sein, so viele auf einem Chip unterzubringen. Dann hätten wir einen Quantenprozessor, der Probleme lösen kann, die den teuersten klassischen Computer überfordern."
Als es IBM-Forschern 2001 gelang, Peter Shors Algorithmus auf einem simplen Quantencomputer mit sieben Qubits zu implementieren und damit die Zahl 15 in ihre Primfaktoren 3 und 5 zu zerlegen, war das eine Sensation. Um mit Shors Quantencode Verschlüsselungen zu knacken, bei denen heutige Supercomputer die Waffen strecken, bräuchte man allerdings zehntausende verschränkter Qubits. Einen Sack Flöhe zu hüten, ist dagegen ein Picknick. Doch die Fortschritte der vergangenen Jahre belegen: Prinzipielle Hindernisse für den Bau eines Quantencomputers scheint es nicht zu geben.
David Wineland, der nobelpreisverdächtige Physiker aus Boulder, glaubt: Der Einsatz lohnt sich - auch wenn der erste Quantenrechner, der diesen Namen verdient, vielleicht nie als Code-Knacker eingesetzt wird.
"Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass wir derzeit nur ahnen können, wofür ein Quantencomputer am Ende gut wäre. Wir kennen derzeit nur ein paar Killer-Anwendungen wie die Faktorisierung großer Zahlen. Aber in der Wissenschaft ist es doch immer so: Wenn es eine neue Technologie gibt, finden sich immer auch neue Anwendungen dafür, an die keiner gedacht hatte. Bei Quantencomputern wird es sicher genauso sein."